Johann Heinrich Zedler, „Grentzen Teutschlands“ (1745)

Kurzbeschreibung

„Bey den Grenzen von Teutschland, muß man die Zeiten sorgfältig von einander unterscheiden, indem dieses Land nicht allezeit einerley Grentzen behalten hat.“ So liest man im Zedler, dem großen Universallexikon des 18. Jahrhundert in einem Artikel zu den „Grenzen Teuschlands“. Der Zedler wollte dem Anspruch nach die Gesamtheit des Wissens und der Wissenschaften vermitteln und abrufbar machen, gleichzeitig wurde das Wissen in einer bestimmten Ordnung aufbereitet. Der Artikel zu den Grenzen Deutschlands nimmt Bezug auf den antiken Autor Tacitus (ca. 58–120) und beschreibt die „natürlichen“ Grenzen Deutschlands durch Flüsse (Rhein und Donau), Meer (deutsches Meer) und Gebirge (germanische Gebirge).

Quelle

Grentzen Teutschlands.

Bey den Grentzen von Teutschland, muß man die Zeiten sorgfältigst von einander unterscheiden, indem dieses Land nicht allezeit einerley Grentzen behalten hat. Die Grentzen des alten Teutschlandes, sind von den heutigen gantz unterschieden. Weinrich in diff. de fin. Germ. In den ersten Zeiten wurden alle Grentzen von Teutschland gesetzet, der Rhein, der Oceanus, der Donau-Strohm, u. das schwartze Meer. Der Rhein war die Grentze von der Abend-Seite, als worinnen alle u. jede mit einander übereinkommen. Tacitus de mor. Germ. c 1. Solinus c. 23. Pomp. Mela L 3. c. 3. Eginhard c. 15. Cluver in Germ. antiqv. d. l. c. 12 Jrenic. Exeg. Hist. Germ. L. I c. 14. Pontanus in Orig. Franc. L. I. c 1. 2. Cäsar de B. G. L. I. c. 2. und L. IV. c. 15. Gegen die Mittag-Seite grentzte Teutschland mit der Donau, als welche es von Vindelicien und dem Norico absonderte, Ptolomäus c. 1. Strabo l c. Gegen Morgen hatte es die Weichsel. Mela L. III. c. 4. Jornandes de reb. Ger. c. 5. Plinius in Hist. nat. L. IV. c. 27. Nach Mitternacht zu, grentzte es mit der offenbahren See, woraus man sehen kan, daß es sich ehemahls gegen Morgen und gegen Mitternacht viel weiter, als jetzo erstrecket hat. Zu des Tacitus Zeiten waren Teutschlands Grentzen der Rhein, die Donau, das Teutsche Meere, und die Sarmatischen Gebürge, welche dieses Reich von Sarmatien absonderten, daß also selbige gegen Morgen noch über die Weichsel hinaus giengen; gegen Abend und Mittag aber, enger eingeschränckt waren. Fast eben diese Grentzen findet man zu des Kaysers Carls des großen Zeiten. Nachdem aber die Teutschen über den Rhein gegangen, auch Teutschland unter dessen Enckel Ludewig Germanicus ein besondres Reich worden, und derselbe einen Strich Landes jenseit des Rheins und der Donau erhielt: so wurden dessen Grentzen auf selbiger Seite ziemlich erweitert, da sie hingegen an andern Orten eingezogen worden. Es machte nehmlich von selbiger Zeit an, auf der Abend-Seite, der Rhein, nicht mehr die Grentze von Teutschland aus, sondern, es wurden selbige, und zwar um des Weines willen, über den Rhein-Strom erstrecket. Regino ad a. 842. Sigebert Gemblacensis a. 844. Lehmann Chron. Spir. I. 3. c. 40. Daher kam es also, daß was jenseit des Rheins lag, und sonsten Gallia Belgica genennet ward, zu Teutschland gerechnet wurde. Nach des Lotharius Absterben, kam ein Theil von Lothringen darzu, welches Ludovicus Germanicus, und Carl der Kahle mit einander in gleiche Theile theilten. Allein Ludewig des Stammlenden Printzen traten es vollends an Ludewigen den Jüngern ab, welches auch nachher Heinrich der Vogler durch besondere, zu Bonn, mit Carln dem Könige in Franckreich erreichtete Tractaten zu Teutschland brachte Conring de fin. imp. L. I. c. 6. Synt, I. P. cap. 3 § 21. Gegen Mittag erweiterte man die Grentzen auch, indem Vindelicien und Noricum, und nach Hungern zu, die Leithe und Mur hinzu kamen. Otto Frisingensis L. I. cap. 31. Allein, nach Morgen waren selbige bis an die Oder eingeschräncket, indem jenseits die Slavi wohneten. Ditmarus L. IV. p. 350. Welche aber unter Friedrichs des I. Regierung ebenfalls unter Teutschland geriethen. Saro Grammat. Hist. Dan. L. XVII. p. 375. Conring l.c. An. Fuldenses ad ann. 811. Adam Bremensis L. I. c. II. Mitternachtwärts setzte man den Elder-Strom zur Grentze gegen Teutschland. Wittichind L. I. p. 637. Helmold L. II. c. 15. Heut zu Tage grentzet Teutschland gegen Abend an Franckreich, Hochburgund, Lothringen, und die Vereinigten Niederlande, gegen Mitternacht an die Nord-See, Schleßwich, und die Ost-See, gegen Morgen an Preußen, Pohlen, Ungarn und Sclavonien, gegen Mittag aber, an des Adriatischen Meer, Italien und die Schweitz. Die Läge von Norden gegen Süden, oder von der Ost-See, bis an Italien wird auf 151. Teutsche Meilen gerechnet, und die Breite von Franckreich bis an Pohlen 200. Teutsche Meilen. Jacob Schopper sagt, es habe Teutschland beynahe die Forme eines Circuls, so daß weder die Länge noch die Breite, einander über 30 Meilen überträffen. Der gantze Umkreis begreifft nach seiner Rechnung 465. Teutsche Meilen, nehmlich die Länge von der Stadt Bruck in Flandern, bis gen Preßburg in Ungarn durch Brüssel, Trier, Heydelberg, Regenspurg und Wien, oder zwischen Bruck und Marienburg in Preußen, durch Antorff, Cölln und Magdeburg 148. Teutsche Meilen, und etwas drüber. Die Breite, schreibt er, würde genommen von Sittich in Wallis, nach der geraden Linie bis gen Lübeck, durch Basel, Mayntz, Marpurg, Braunschweig und Lüneburg, und betrüge 120 Meilen. Der Parchenius litigiofus sagt L. I. c. 16. n. 7. Daß Teutschland in der Länge c 86000. Schritt, vom Abend oder Bologne, bis an die Weichsel, gegen Morgen habe. Wenn man nun 4000. Schritt vor eine gemeine Teutsche Meile rechnet; so werden sich 171½ Meilen in der Länge finden. Hiermit kommt Sansorinus bey nahe überein, welcher L. II. del governo di diversi Regni p. 21. schreibet, daß Teutschland in der Länge, von Morgen gegen Abend 840. und in der Breite von Mittag oder den Venetianischen Gebiethen und Welschen Gebürge, gegen das Teutsche Meer, oder bis Mitternacht, 745. Welsche Meilen habe, welche, wenn man fünffe vor eine Teutsche rechnet, 168. in die Länge, und 149. in die Breite betragen. Der Thesaurus Politicus, der zu Mayland gedruckt ist, setzet den Umkreis von 2600. Welschen, oder 520. Teutschen Meilen. Aber Adelarius Erichius, giebt nur 460. und Dresserus P. V. Hagog Histor. 465. Meilen, zum gantzen Umfange von Teutschland an. Wie aber die Grentzen Teutschlands in den Alten und Neuern Zeiten nicht immer einerley geblieben sind: so hat man auch bey der Eintheilung Teutschlandes auf verschiedene Zeit-Striche Achtung zu geben. []

Quelle: Johann Heinrich Zedler, „Grentzen Teutschlands“, in Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 43 (1745). Halle/Leipzig: Johann Heinrich Zedler, 1732–1754, S. 273–75. Online verfügbar unter: https://www.zedler-lexikon.de/

Johann Heinrich Zedler, „Grentzen Teutschlands“ (1745), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-249> [01.12.2023].