Sophie von La Roche, Pomona. Zeitschrift für Teutschlands Töchter (1783)
Kurzbeschreibung
Pomona war die erste Zeitschrift, die sich ausdrücklich an deutsche Frauen richtete. Die Zeitschrift wurde von Sophie von La Roche (1730–1807) herausgebracht und erschien zwei Jahre lang jeden Monat. Themen waren unter anderem Frauenbildung, die richtige Erziehung, häusliche Aufgaben, Lektürevorschläge speziell für Frauen und Übersetzungen moderner englischer und französischer Literatur. Die Zeitschrift gehörte zu einer ersten Gruppe von deutschen Frauenzeitschriften, die eine weibliche Leserschaft aus dem gehobenen Bürgertum und dem Adel ansprachen. Im Vorwort beschreibt die Herausgeberin die Aufgabe der Zeitschrift folgendermaßen: deutsche Frauen sollten darin unterrichtet werden, deutschen Männern nützlich und gefällig zu sein. Damit verband sie eine spezifische Form von „Weiblichkeit“ mit deutschem Patriotismus oder Nationalismus.
Quelle
I. Pomona für Teutschlands Töchter, von Sophie von La Roche
Erstes Heft.
Januar 1783.
An meine Leserinnen.
Das Magazin für Frauenzimmer und das Jahrbuch der Denkwürdigkeiten für das schöne Geschlecht – zeigen meinen Leserinnen, was teutsche Männer uns nützlich und gefällig achten. Pomona – wird Ihnen sagen, was ich als frau dafür halte – Aber ich werde Ihnen auch Auszüge und Nachrichten von Schriften geben, die in Engelland, Italien und Frankreich für uns geschrieben werden, und was mein Briefwechsel mit verschiedenen Personen, die sich in diesen Landen aufhalten, mir Neues liefern wird, so daß ein Heft immer, wie dieses erste – von teutschen Gedanken und Sachen spricht – dann Eines von angenehmen französischen Nachrichten – ein anderes von Englischen und auch Italienischen Neuigkeiten, die meinem Geschlecht einiges Vergnügen geben können. Es sollte mich aber freuen, wenn mir, nach dem Lesen dieses ersten Hefts gesagt würde, was meine Leserinnen von Pomona wünschen –
Sophie von La Roche.
II. Pomona für Teutschlands Töchter, von Sophie von La Roche
Achtes Heft.
Augustus 1783.
Ueber Teutschland.
Nun bin ich an den Monat gekommen, welcher dem einheimischen Verdienst von Teutschlands Töchtern geweiht werden soll. Pomona sagte einmal, daß sie nach den Gesezen der Höflichkeit zuerst von den Fremden sprach: – aber ich will hier noch einen Beweggrund bekannt machen. Ich hofte, durch diese Verzögerung mehrere Namen und Nachrichten von teutschen Frauenzimmern zu erhalten: aber der schöne Ueberfluß an vortreflichen Personen unsers Geschlechts ist Ursache, daß Männer, an welche ich mich wegen dieser Nachrichten wandte, mir antworteten:
Ich kenne viele Frauenzimmer von vorzüglichem Geist; ich habe vieles von ihren Arbeiten gesehen, aber ich darf sie weder nennen, noch etwas von ihren Papieren bekannt machen.
Da mir diese Art Antworten von verschiedenen Gegenden unsers Teutschlands zukame, so muß dieser hohe Zug Bescheidenheit einen Theil des National-Charakters ausmachen, und muß also unter das Nationalglück gezählt werden, weil Bescheidenheit immer die Gefärthin grösserer Tugenden ist.
Heil meinem Vaterland zu seinen edlen Töchtern, welche diesen wichtigen Theil des allgemeinen Glücks durch ihre liebenswürdige Eigenschaften gründen helfen!
Ein vernünftiger und feiner Mann schrieb mir auf den Vorwurf, „der Teutsche sey gegen die Verdienste seines Weibs nicht so gerecht, als Männer anderer Länder es gegen ihre Weiber wären: – und dieses sey Ursache, warum ich kein Verzeichniß verdienter Namen erhielte.“
„Das Verzeichniß würde zu groß, und doch viele vergessen“ –
Da kame mir wieder meine geliebte du Boccage in den Sinn. Als sie auf dem Weg nach Italien die Lobschrift laß, welche dem König von Sardinien zu Ehren in der Felsenwand der Alpen stund, weil er die Strasse erweitert, und mit Geländern versehen hatte: so sagte Boccage sehr schön –
Gute Handlungen der Fürsten werden in Stein und Erz gegraben – die unsere in Sand geschrieben. Aber unser Verdienst ist grösser, weil wir das Gute ohne Absicht auf Lob oder Belohnung thun.
Ich wiedme die Anwendung dieses Gedankens jeder, sich aus Bescheidenheit verbergenden Tochter der Teutonen. – Mögen sie es als Lohn empfinden, und als eine Blume ansehen, welche ich mit Vergnügen in den Kranz geflochten hätte, der ihren Namen umfassen sollte!
Die Menge vortreflicher Personen, welche ich selbst kenne, der Ton und Inhalt der grossen Anzahl Briefe, welche ich wegen Pomona von allen Theilen Teutschlands mit und ohne Unterschrift erhielt, überzeugen mich, daß das wahre Verdienst des guten Denkens und die reizende Gabe, sich fein und edel auszudrücken, allgemein verbreitet sey. –
Unschäzbar ist mir die grosse Zahl meiner Leserinnen, nicht allein wegen der Ehre, welche sie mir beweisen, nicht wegen der Belohnung für meine Blätter, sondern wegen des entzückenden Gefühls, welches mich bey dem Gedanken durchdrang: –
So viele hundert Personen glauben so leicht – so gerne gutes, auf die Versicherung, welche ein einzelnes Geschöpf ihnen giebt. – Möge der beste Geist mein Herz und meine Feder regieren, um diesen edelmüthigen Glauben an mein Verdienst zu unterhalten – um die Hofnung zu erfüllen, welche in der Menge schöner guter Seelen nach Pomona sieht!!
Meine Leserinnen haben meinen Glauben an innerliche Menschengüte vermehrt; – und dieses macht mich so glücklich, daß ich Ihnen auch dafür danke. Die so schön teutsch geschriebene Briefe bewiesen mir dabey, daß Ihnen unsere Muttersprache lieb ist: und auch dadurch machten Sie mir Freude, weil ich viele Familien der Teutschen kenne, in welchen die Kinder die Französische Sprache früher wissen, als die von ihrem Vaterland, welche doch in allen Fällen so nöthig ist, nicht allein Freunden seine Gesinnungen, und Bedienten seinen Willen erklären zu können, sondern auch um durch sie Arbeits- und Handelsleute zu verstehen, und unsere eigene gute Schriftsteller zu lesen. Madame de St. Lambert sagt:
Es sey äusserst tadelhaft, wenn man die Geschichte seines Vaterlandes nicht kenne. –
Wie viel schärfer würde sie den Mangel seiner Muttersprache beurtheilt haben? Sonderbar muß es jedem Fremden, wie jedem Einheimischen scheinen, mitten in Teutschland in altteutschen Häusern sagen zu hören:
Ich will glauben, daß das Buch, von dem Sie reden, schön ist: – aber ich verstehe die teutsche Sprache nicht genug.
Oder wenn man gebeten wird:
Sprechen Sie doch französisch – ich kann mich im Teutschen nicht ausdrücken – das Französische ist mir leichter und geläufiger.
Keine andre Nation hat diesen Grad Nachgiebigkeit, und eigene Herabwürdigung, als wir. Sich allen andern vorziehen, ist eben so ungerecht als thöricht, –aber sich selbst immer zurüksetzen, erzeugt endlich eine Art Sklavengesinnung, die weit über die Gränzen der Bescheidenheit zu Erniedrigung führt, und der immerwährende Zweifel in sich selbst hindert an der Unternehmung tausend guter und schöner Sachen, welche mäßiges Vertrauen auf sich ausgeführt und hervorgebracht hätte. – Unsere Fürsten und andere Gelehrte haben Beweise gegeben, was der teutsche Geist kann. Unser Leibniz hält Englands grösten Philosophen das Gleichgewicht, und – welche Nation hat einen König wie Friederich von Preussen gehabt? – Warum sollten wir in Sachen des Geschmaks nicht eben so viele Vorzüge erreicht haben, wenn wir uns darum bemüht hätten?
Aber diesen Augenblick gerathe ich auf eine sehr wahrscheinliche Vermuthung, welche unserer Nachahmungsliebe einen guten Grund giebt: –
„Sollten nicht die Teutsche gedacht haben? – wenn wir das Grosse und Wichtige auf dem eigenen Boden finden und fortbauen, so kann man ja immer das zierliche Spielwerk von den Fremden kommen lassen.“
Nun scheint mir alles in Ordnung zu seyn, und es ist mir bey diesem Einfall recht wohl geworden. Weil man überhaupt sagt, daß das menschliche Geschlecht immer etwas kindisches behält, so dünken mich die genaue Anhänger an alle neue Moden gute Kinder meines Vaterlandes, welche gerne neue Spielsachen haben: und ich wünsche nur, daß sie dabey manchmal an den erfinderischen Fleiß der Leute denken, welche die niedliche Putz- und Naschwaaren verfertigten.
[…]
Quelle: I: Pomona für Teutschlands Töchter, herausgegeben von Sophie von La Roche. Erstes Heft. Januar 1783, S. 2–3. Online verfügbar unter: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10614952-3; und II: Pomona für Teutschlands Töchter, herausgegeben von Sophie von La Roche. Achtes Heft, Augustus 1783, S. 725–30. Online verfügbar unter: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10614954-4