Rede Adolf Hitlers vor dem Reichstag (6. Oktober 1939)

Kurzbeschreibung

Anders als in Hitlers geheimer Ansprache vom 23. August 1939 übt er in der hier in Ausschnitten wiedergegebenen Reichstagsrede größte Zurückhaltung bezüglich der wahren Absichten des NS-Eroberungskriegs in Osteuropa. So verleugnet er Pläne für weitere Eroberungen und erwähnt das Ziel der „Ordnung und Regelung des jüdischen Problems“ nur am Rande. Kurz nach dem schnellen Sieg über die polnische Armee besteht ein Gutteil der Rede aus Prahlereien über die dabei vollbrachten Leistungen der deutschen Wehrmacht und Hitlers selbst. Auffällig ist zudem der Versuch, das plötzliche Bündnis mit der Sowjetunion, dem vormaligen Hauptfeind des Nationalsozialismus, zu rechtfertigen. Als „wichtigste Aufgabe“ dargestellt wird dabei ebenfalls die „neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse“, die durch Umsiedlung von Minderheiten geschaffen werden und „wenigstens einen Teil der europäischen Konfliktstoffe beseitigen“ soll.

Quelle

[] Unter diesen Schlägen ist dieser Staat [Polen] nun in wenigen Wochen zerfallen und hinweggefegt worden. Eine der unsinnigsten Taten von Versailles ist damit beseitigt.

Wenn sich nun in diesem deutschen Vorgehen eine Interessengemeinschaft mit Rußland ergeben hat, so ist diese nicht nur in der Gleichartigkeit der Probleme begründet, die die beiden Staaten berühren, sondern auch in der Gleichartigkeit der Erkenntnisse, die sich in beiden Staaten über die Ausgestaltung der Beziehungen herausgebildet haben.

Ich habe schon in meiner Danziger Rede erklärt, daß Rußland nach Prinzipien organisiert ist, die verschieden sind von unseren deutschen. Allein, seit es sich ergab, daß Herr Stalin in diesen russisch-sowjetischen Prinzipien keinen Hinderungsgrund erblickte, mit Staaten anderer Auffassung freundschaftliche Beziehungen zu pflegen, kann auch das nationalsozialistische Deutschland keine Veranlassung mehr sehen, etwa seinerseits einen anderen Maßstab anzulegen. Sowjetrußland ist Sowjetrußland, das nationalsozialistische Deutschland ist das nationalsozialistische Deutschland. Eines aber ist sicher: im selben Moment, in dem die beiden Staaten sich gegenseitig ihre verschiedenen Regime und deren Prinzipien respektieren, entfällt jeder Grund für irgendeine gegenseitige feindselige Haltung. []

Man hat seit vielen Jahren der deutschen Außenpolitik Ziele angedichtet, die höchstens der Phantasie eines Gymnasiasten entspringen könnten. In einem Augenblick, da Deutschland um die Konsolidierung eines Lebensraumes ringt, der nur wenige 100 000 qkm umfaßt, erklären unverschämte Zeitungsschreiber in Staaten, die selbst 40 Millionen qkm beherrschen, Deutschland strebe seinerseits in diesem Kampf nach der Weltherrschaft. Die deutsch-russischen Abmachungen müßten gerade für diese besorgten Advokaten der Weltfreiheit eine ungeheure Beruhigung darstellen, denn sie zeigen ihnen doch wohl in authentischer Weise, daß alle diese Behauptungen eines Strebens Deutschlands nach dem Ural, der Ukraine, Rumänien usw. nur eine Ausgeburt ihrer erkrankten Marsphantasie waren.

In einem allerdings ist der Entschluß Deutschlands ein unabänderlicher, nämlich: auch im Osten unseres Reiches friedliche stabile und damit tragbare Verhältnisse herbeizuführen. Und gerade hier decken sich die deutschen Interessen und Wünsche restlos mit denen Sowjetrußlands.

Die beiden Staaten sind entschlossen, es nicht zuzulassen, daß zwischen ihnen problematische Zustände entstehen, die den Keim von inneren Unruhen und damit auch äußeren Störungen in sich bergen und vielleicht das Verhältnis der beiden Großmächte zueinander irgendwie ungünstig tangieren könnten. Deutschland und Sowjetrußland haben daher eine klare Grenze der beiderseitigen Interessengebiete gezogen mit dem Entschluß, jeder auf seinem Teil für die Ruhe und Ordnung zu sorgen und alles zu verhindern, was dem anderen Partner einen Schaden zufügen könnte.

Die Ziele und Aufgaben, die sich aus dem Zerfall des polnischen Staates ergeben, sind dabei, soweit es sich um die deutsche Interessensphäre handelt, etwa folgende:

1. Die Herstellung einer Reichsgrenze, die den historischen, ethnographischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten gerecht wird.
2. Die Befriedung des gesamten Gebietes im Sinne der Herstellung einer tragbaren Ruhe und Ordnung.
3. Die absolute Gewährleistung der Sicherheit nicht nur des Reichsgebietes, sondern der gesamten Interessenzone.
4. Die Neuordnung, der Neuaufbau des wirtschaftlichen Lebens, des Verkehrs und damit aber auch der kulturellen und zivilisatorischen Entwicklung.
5. Als wichtigste Aufgabe aber: eine neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse, das heißt, eine Umsiedlung der Nationalitäten, so, daß sich am Abschluß der Entwicklung bessere Trennungslinien ergeben, als es heute der Fall ist.

In diesem Sinne aber handelt es sich nicht um ein Problem, das auf diesen Raum beschränkt ist, sondern um eine Aufgabe, die viel weiter hinausgreift. Denn der ganze Osten und Südosten Europas ist zum Teil mit nicht haltbaren Splittern des deutschen Volkstums gefüllt. Gerade in ihnen liegt ein Grund und eine Ursache fortgesetzter zwischenstaatlicher Störungen. Im Zeitalter des Nationalitätenprinzips und des Rassegedankens ist es utopisch, zu glauben, daß man diese Angehörigen eines hochwertigen Volkes ohne weiteres assimilieren könne.

Es gehört daher zu den Aufgaben einer weitschauenden Ordnung des europäischen Lebens, hier Umsiedlungen vorzunehmen, um auf diese Weise wenigstens einen Teil der europäischen Konfliktstoffe zu beseitigen. Deutschland und die Union der Sowjetrepubliken sind übereingekommen, sich hierbei gegenseitig zu unterstützen. Die deutsche Reichsregierung wird es dabei niemals zugeben, daß der entstehende polnische Reststaat irgendein störendes Element für das Reich selbst oder gar eine Quelle von Störungen zwischen dem Deutschen Reich und Sowjetrußland werden könnte. []

Welches sind nun die Ziele der Reichsregierung in bezug auf die Ordnung der Verhältnisse in dem Raum, der westlich der deutsch-sowjetrussischen Demarkationslinie als deutsche Einflußsphäre anerkannt ist?

1. Die Schaffung einer Reichsgrenze, die – wie schon betont – den historischen, ethnographischen und wirtschaftlichen Bedingungen entspricht.

2. Die Ordnung des gesamten Lebensraumes nach Nationalitäten, d. h.: eine Lösung jener Minoritätenfragen, die nicht nur diesen Raum berühren, sondern die darüber hinaus fast alle süd- und südosteuropäischen Staaten betreffen.

3. In diesem Zusammenhang: Der Versuch einer Ordnung und Regelung des jüdischen Problems.

4. Der Neuaufbau des Verkehrs- und Wirtschaftslebens zum Nutzen aller in diesem Raum lebenden Menschen.

5. Die Garantierung der Sicherheit dieses ganzen Gebietes und

6. die Herstellung eines polnischen Staates, der in seinem Aufbau und in seiner Führung die Garantie bietet, daß weder ein neuer Brandherd gegen das Deutsche Reich entsteht, noch eine Intrigenzentrale gegen Deutschland und Rußland gebildet wird.

[]

Quelle: Hitler. Reden und Proklamationen 1932 - 1945: kommentiert von einem Zeitgenossen / Max Domarus. Band 2, Wiesbaden: Löwit, 1973, S. 1377-1393.

NS-Propagandakarte zur „Umsiedlung“ von „Volksdeutschen“ (Januar 1941)

Die Karte zeigt in Schwarz die genaue Lage der deutschen Siedlungen im Ostraum, deren Bewohner von der großen Umsiedlung unserer Tage erfaßt wurden. Die schwarzen Auswanderungslinien (nach Heimatgebieten verschieden gezeichnet) verraten uns die Herkunft der Siedler aus dem deutschen Lebensraum. Die Siedlungsgebiete wurden nach statistischen Unterlagen zunächst auf der 3-Zentimeter-Karte festgestellt, dann auf größere Maßstäbe umgezeichnet und schließlich zum jetzigen Kartenbild vereinigt. Es dürfte damit die bis jetzt genaueste Darstellung erreicht worden sein.
Die Aussegelung des baltischen Raumes erfolgte im 12. und 13. Jahrhundert von Lübeck aus. Kaufleute und Handwerker aus Lübeck und aus westfälischen Städten, später auch aus Holland, Pommern und Danzig, sowie Ritter aus Niedersachsen und Westfalen, Holsteiner, Mecklenburger und Pommern besiedelten das Baltikum (Estland und Lettland), von Riga und Reval aus strahlenförmig bis zum Peipussee und zur litauischen Grenze vordringend. Der deutsche Bauer fehlte im Mittelalter fast ganz. Erst in den Jahren 1907 bis 1914 zogen einige baltische Rittergutsbesitzer deutsche Bauern aus dem übrigen Rußland, besonders aus Wolhynien, ins Land, deren Kopfzahl etwa 20.000 betrug.
Nach Litauen zogen schon im Mittelalter deutsche Bauern von Ostpreußen aus, aber immer nur vereinzelt. Diese Einsickerung deutschen Blutes dauerte bis ins 19. Jahrhundert an und erreichte schließlich die Zahl von rund 45.000 Seelen.
Im ehemals polnischen Raum ist die Ansiedlung etwas verwickelter. Die Niederunger, schon im 13. Jahrhundert aus Niedersachsen, Holland und Flandern ins Gebiet der unteren Weichsel eingewandert, waren bis 1600 teilweise an die mittlere Weichsel und den Bug weitergezogen. Um 1850 besiedeln sie in der Hauptsache das Cholmer und Lubliner Gebiet und die Polesie.
Märker, Mecklenburger, Pommern, Westpreußen, Schlesier, Pfälzer und Schwaben waren von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1800 in den mittelpolnischen Raum eingewandert, der auf der Karte durch einen Kreis bezeichnet wird, welcher die Städte Posen, Lissa, Kalisch und Bromberg einschließt, aber eigentlich bis Litzmannstadt weitergeführt werden müßte. Aus diesem Raum heraus und aus den ursprünglichen Stammesgebieten wandern
schlesische Stabschläger um 1850 in die Gegend von Bialystok und nach der Polesie weiter,
Tuchmacher aus Litzmannstadt nach Bialystok und Umgebung,
Mecklenburger Bauern ins Narevgebiet,
pommersche Bauern und schlesische Stabschläger nach Wolhynien,
Pommern, Mecklenburger, Schwaben, Pfälzer und andere 1814 bis 1817 nach Bessarabien.
Der galizische Raum war schon im Mittelalter dicht mit deutschen Bauern und Bürgern besiedelt. Aber von 1600 ab wurde hier das Deutschtum sprachlich polnisch gemacht. Blutsmäßig haben die Bauern (Walddeutsche heute genannt) sich bis heute ziemlich rein erhalten. Das städtische Deutschtum jedoch ging verloren. Nur deshalb konnte die polnische Sprache bis ins Lemberger Gebiet vordringen. Die bis zur Aussiedlung vorhandenen Deutschen Galiziens wanderten ein, als das Land 1772 zu Österreich kam. Es wanderten in der Hauptsache Bauern aus der Pfalz und aus Rheinhessen 1782 und Sudetendeutsche von 1830 an ein. 1863 zog ein Teil der Pfälzer weiter nach Wolhynien, 1793 ein Teil der Pfälzer und Sudetendeutschen nach dem Buchenland.
Dorthin zogen auch Zipfer Bergleute 1784, deren Vorfahren 1158 auf dem großen Bauernzug der Moselfranken, der bis Siebenbürgen führte, hier im Gebiet der Hohen Tatra hängengeblieben waren.
1782 waren bereits „Schwaben“, hauptsächlich Rheinfranken, aus dem deutschbesiedelten Gebiet des Banats nach dem Buchenland weitergezogen.
Glashüttenarbeiter aus dem Böhmer Wald waren von 1793 an und sudetendeutsche Bauern aus dem Egerland von 1835 an ebenfalls ins Buchenland gezogen.
Nach Bessarabien kamen die Schwaben hauptsächlich auf dem Donauweg mit den sogenannten „Ulmer Schachteln“ von 1814 bis 1842.
Ein Teil der Bessarabiendeutschen sowie Deutsche aus dem übrigen Schwarzmeergebiet wanderten später weiter in die Dobrudscha, nach dem Kaukasus und vor allem nach Amerika. Die für Litauen angegebene Zahl von 45.000 Deutschen ist eine Schätzung. Die Umsiedlung ist noch nicht durchgeführt. Heute sind diese deutschen Ostlandfahrer, die schwere Schicksale hinter sich haben, erfaßt von der größten Rückwanderungsbewergung aller Zeiten, heimgekommen ins Großdeutsche Volksreich Adolf Hitlers.
Legende (v.l.n.r.): Auswanderungswege der verschiedenen deutschen Volksstämme. Die schwarzen Zahlen bezeichnen Auswanderungszeit.
Erste Ansiedlungsgebiete mit späterer teilweiser Weiterwanderung.
Von der Umsiedlung erfaßte deutsche Streusiedlungsgebiete.
Großdeutsches Reich mit Generalgouvernement.
Ungefähre Rückwege der Umsiedler 1939/41; die roten Zahlen geben die Zahl der Umsiedler an.

Quelle: Deutsches Historisches Museum, P 98/135. „Die führungslose Auswanderung / deutscher Bauern und Bürger nach dem Osten und / die planvolle Umsiedlung ins Großdeutsche Volksreich Adolf Hitlers“. München, 1941, Offset, 40,0 x 56,0.

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Rede Adolf Hitlers vor dem Reichstag (6. Oktober 1939), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/migration/ghis:document-63> [23.10.2024].