Brief von Wilhelm Solf an Ernst Schmidt-Dargitz (25. November 1901)
Kurzbeschreibung
Der deutsche Diplomat Wilhelm Solf (1862-1936) wurde 1900 zum Gouverneur der neuen Kolonie Deutsch-Samoa ernannt, die aufgrund ihrer gewaltlosen Kolonialisierung als deutsche „Musterkolonie“ galt. Die Samoaner waren Teil des deutschen kolonialen Verwaltungsapparates, regelten jedoch interne Angelegenheiten vollkommen eigenständig. Auch die im Jahr 1901 zum ersten Mal erhobene Kopfsteuer (für die Samoaner eine ungekannte Neuerung) wurde vollständig für die Belange der einheimischen Bevölkerung verwendet und auch von dieser verwaltet. In einem Brief an den Kolonialbeamten Ernst Schmidt-Dargitz formuliert Solf den Kern seiner Kolonialpolitik: „Alle Radikalmittel sind von Übel, Zeit und Güte und Gerechtigkeit sind die besten Regierungsmittel in Samoa“.
Quelle
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Ich weiss nicht ob sie von meinen sehr offenen Briefen den Eindruck gewonnen haben, dass ich eitel oder eingebildet bin. So wie ich mich geprüft habe, nehmen diese Schwächen keinen erheblichen Raum in meinem Inneren ein. Wenn ich aber jetzt nach 3 schweren Jahren auf das zurückblicke was ich bei der Flaggenhissung vorgefunden habe und es vergleiche mit dem was gegenwärtig erreicht ist trotz Rose Grunow und Emsie, so erfüllt mich doch ein aus einem Gemisch von Eitelkeit und Bitterkeit resultirender heiliger Zorn gegen diejenigen, die mich so ungebührlich in der Form und so ungerecht in der Sache angegriffen haben.
Wenn mein Stellvertreter und meine eventuellen Nachfolger an das anknüpfen, was ich begonnen habe – der Kern wird stets die Verwaltung der Eingeborenen bilden – so glaube ich wirklich, dass Samoa zwar keine sehr reiche Kolonie, wohl aber die einzige von den unserigen sein wird, die sich binnen kurzer Zeit selbst erhalten kann. Die Eingeborenen vollständig in shape zu bringen bedarf noch der Arbeit von Jahren. Die Centralregierung in Mulinuu muss aufhören; der Posten des Alii Sili muss eingehen; der Posten des Oberrichters muss ebenso aufhören; das Interesse an den Itu-o-malo muss dem Interesse an den nuu weichen. Der Gouverneur muss stets in Fühlung mit den Samoanern bleiben und darf bei Leibe nicht die uns so thöricht vorkommenden Titelstreitigkeiten für Unsinn erklären. Alle die Ihnen einmal in scherzhafter Weise vorgeschlagenen Radikalmittel sind von Uebel. Zeit und Güte und Gerechtigkeit sind die besten Regierungsmittel in Samoa. Man fühlt sich leicht beschwert durch einige der Samoanischen Charactereigenschaften, im Grossen und Ganzen sind die Samoaner ein Volck, das unseres Interesses und unserer Zuneigung wohl Werth ist. Je mehr man in den Geist der Leute eindringt, destomehr charmante Eigenschaften treten dem Hang zur Intrigue und direkten, selbst durchaus unnöthigen Lüge entgegen. In Savaii, meinem Lieblingsaufenthalt sind die Samoaner in ihrem Wesen theilweise geradezu entzückend und stechen auf allen Inseln in der Ausübung von gesellschaftlichen Formen vortheilhaft von den fremden Ansiedlern ab.
Auch die Fremden hier sind bei ruhiger Betrachtung nur halb so schlimm, als man im ersten Groll über die unvermeidlichen Knotereien der Südseepioniere zu denken geneigt sein mag. Ich bin schliesslich mit Allen, auch dem Hallunken Moors ausgekommen.
Schwer war es, sehr schwer, mit der Firma auszukommen. Es ist mir gelungen, alle Reibereien zu vermeiden, da ich in rein menschlicher Beziehung auf den etwas weichen und nicht sehr selbstständigen Riedel einen, manchmal fast suggestiven Einfluss zu haben scheine. Uebrigens ist Riedel ein durchaus umgänglicher und repräsentabler Mensch. Es freut mich, dass ich ihn bei der Marine wieder in Ehren gebracht habe.
Das Schwierigste war doch die Marine. Ich prophezeie Ihnen ergebenst, dass die Marine dem A. A. noch mal einen Streich spielen wird, an dem Sekretäre und Kanzler sich wenig erfreuen werden. Gegenwärtig ist ein erspriessliches Verhältniss mit dem Cormoran in jeder Beziehung da. Aber, aber, wie oft muss man sich sagen der Klügere gibet nach. Eigenthümlicher Weise, trotz alle der auf meine gänzliche Vernichtung abzielenden Unbequemlichkeiten, die der brave Emsmann mir gemacht, hat, die Erinnerung an den Mann ist mir keine unangenehme. Ich glaube wir werden in Berlin gut Freund sein.
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Quelle: Wilhelm Solf, Brief an Ernst Schmidt-Dargitz vom 25. Nov. 1901, BArch N 1053/130