Michael Heberer berichtet über seine Zeit als Sklave in Ägypten (Rückblick, 1610)

Kurzbeschreibung

Als 1585 ein Kriegsschiff des Malteserordens von den Türken gekapert wurde, befand sich auch der aus Heidelberg stammende Michael Heberer (ca. 1560-ca. 1623) an Bord. Heberer verbringt die nächsten 3 Jahre als Sklave im Osmanischen Reich und lernt auf vielen Reisen und Seefahrten mit seinen Herren die Mittelmeerregion und vor allem den Orient kennen. 1588 wird er in Konstantinopel von einem französischen Gesandten freigekauft. Zurück in seiner Heimat tritt Heberer in kurpfälzische Dienste, wo er bei Hof Karriere macht. 1610, also noch zu Lebzeiten Heberers, wird sein Bericht über seine Zeit als Sklave im Orient sowie seine diplomatischen Reisen in kurpfälzischen Diensten veröffentlicht. In dieser Passage schildert Heberer eine Begegnung mit europäischen Kaufleuten, die den Sklaven zu trinken und zu essen geben. Die Schilderung dieser Begebenheit soll in der Logik der Erzählung die christliche Nächstenliebe neben die Barbarei der türkischen Sklavenhändler stellen.

Quelle

Da man uns zu Russetten einführet / stunden viel Mann / Weiber und Kinder / auff der Strassen / die Gott lobeten / das er ihre Feind in ihre hend gefangen hatte / Spiegen uns in die Angesichter / und hiessen uns Naffarenos, vermeinten uns dadurch ein grosse schmach anzuthun / Da wir uns doch solches Namens / umb unsers Seligmachers Iesu Christi willen / viel mehr zu erfreuen und zu trösten hatten. In der Stadt führet man uns bey dem Kaufhaus in einen grossen Stall / darinn wir uns folten erkühlen / Als wir aber also jämmerlich / ganz matt und müd / eingeführet worden / Da warden unser etliche Venediger Kauffleut und Franzosen ansichtig / die uns ansprachen / und ein herrliches Mitleiden mit uns hatten. Under allen denen Christlichen Kauffleuten fand sich ein Venediger / der allein (wie vom Smariter geschrieben wird) die Barmherzigkeit der Christlichen liebe bey uns erwiese. Der liesse uns auf seinen kosten / frisch Wasser / Brod / Cucummer / Melohnen / und Gebacken fisch fürtragen / theilet solches under uns auß / tröstet uns mit Christlicher ermahnung und Gedult. Solch Christlich Allmusen dieses frommen Venedigers / machte uns / die wir vor grosser hitz / hunger und kummer / schier verkohmet und verschmachtet waren / wieder lebendig /Derowegen wir in aller demut / ihme höchlich und freundlich dancketen / und bobeten Gott / der uns nich solche hülff und trost / under unsern feinden / in schwerer Gefengnüs zuschickete.

Quelle: Michael Heberer, Aegyptiaca Servitvs: Das ist/ Warhafte Beschreibung einer Dreyjährigen Dienstbarkeit/ So zu Alexandrien in Egypten ihren Anfang/ vnd zu Constantinopel ihr Endschafft genommen: Mit zwo angehenckten Reisen/ die er nach seiner Dienstbarkeit/ in Vier Königreich/ Böhem/ Polen/ Schweden/ Dennemarckt ... vollbracht / Gott zu Ehren/ und dem Nechsten zur Nachrichtung/ in Drey unterschiedene Bücher außgetheilet/ und mit etlichen Kupfferstücken in Druck verfertiget Durch Michael Heberer von Bretten ..., Heydelberg 1610, S. 113-114. Online verfügbar unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0128-1-19224

Holzfigur der „Hamburger Sklavenkasse“ (1650 - 1675)

Quelle: Figur der „Hamburger Sklavenkasse“, Museum für Hamburgische Geschichte, 1650-1675, in: Hamburg as a Hub of Trade, 1500-1842, SHMH (Anna Symanczyk, Martina Fritz), no date, https://artsandculture.google.com/asset/_/8wEM3qgBqfcRug

Michael Heberer berichtet über seine Zeit als Sklave in Ägypten (Rückblick, 1610), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/migration/ghis:document-79> [05.12.2024].