Peter Prosch, der „Hoftyroler“ (1789)

Kurzbeschreibung

Aufgrund der bitteren Armut in seiner Heimat, dem Tiroler Zillertal, war Peter Prosch (1744-1804) als Wanderhändler im deutschsprachigen Raum unterwegs. Eigentlich von Beruf Handschuhmacher, verdiente er sich neben dem Verkauf seiner Waren an deutschen Fürstenhöfen als „Hoftyroler“ seinen Lebensunterhalt, eine dem „Hofnarren“ bzw. auch dem „Hofmohren“ vergleichbare Stellung. Am fürstbischöflichen Hof von Würzburg war Prosch offensichtlich besonders gerne gesehen, auf Wunsch des Fürstbischofs Adam Friedrich von Sensheim (1708-1779) musste Prosch einmal im Jahr für 16 Wochen bei Hof verweilen. Proschs Frau war dabei stets mit von der Partie, selbst während ihrer Schwangerschaften war sie an der Seite ihres Mannes auf Reisen. Prosch schildert seine Tätigkeit als „Hoftyroler“ und Händler in Würzburg und Anspach neben seinen Reisen in seinem Tagebuch.

Quelle

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Der Fürst gewann mich lieb; er sagte, ich sollte eine Zeitlang bei ihm bleiben und versicherte mich, daß es mir nicht übel gehen werde. Alle Herrschaften in Würzburg liebten mich, und dieser ist mit der Zeit mein bester Hof im ganzen Deutschland geworden. Ich war frei im Handel und Wandel, hatte bei der Knaben- und Kavalier-Tafel mein Essen und Trinken, mein Pferd stund beim freien Futter im Hofstall und mein Hofmeister hatte sein Essen und Trinken in der Ritterstube. Der Fürst ging nach Bamberg, nahm mich mit sich hinten auf seiner Chaise, unter dem Titel als Nachtstuhlverwalter; denn ich war der erste Kammerherr von hinten, und wenn unterwegs etwas passierte, so mußte ich mit meiner Chatouille herunter und auspacken. Das war meine ganze Verrichtung. Und wer den Adam Friedrich gekannt hat, der weiß selbst, was er für ein liebenswürdiger Herr gewesen ist. Er liebte Aus- wie Inländer und, wenn alles lustig, aufgeräumt und wohlauf war, hatte er seine größte Freude dabei. Alle Fremde, die nur nach Würzburg kamen, empfingen alle erdenkliche Ehren und Lustbarkeiten.

Bei diesem Fürsten nun mußte ich hernach alle Jahre sechszehn Wochen bleiben, und wenn er nicht selbst in der Narretei besser erfahren gewesen wäre als ich, so wäre es mir manchesmal übel ergangen. Manchesmal hatte ich nicht viel vorrätigen Spasses bei mir; aber der Fürst suchte so lang und viel, bis wir endlich auf einen Diskurs gekommen, bei welchem er öfters so gelacht hat, daß ihm die Tränen aus den Augen quollen. Es leben noch Herrschaften genug, die davon Augenzeugen gewesen sind und mir es noch attestieren, auch mich manchesmal bedauern, daß diese Zeiten vorüber sind. Er gab mir so viel, als ich gesagt habe, daß ich zu meiner Haushaltung brauche. Er war ein frommer, auferbaulicher und wahrer Bischof; er war Soldat, Jäger, Musikant, Baumeister, Gärtner und ein wahrer Vater aller seiner Untertanen, so daß er in Würzburg und Bamberg unsterblich ist.

Ich hatte die höchste Gnade, in achtzehn Jahren allemal eine Zeitlang um ihn herum bei Hofe zu sein, und kann mich rühmen, daß er mir öfters sagte, wenn ich nach Hause ging: ich sollte Gott vor Augen haben, mich gut aufführen und bald wieder kommen. Es freue ihn nur dieses, daß von keinem Menschen aus seinem Hofstaat jemals eine Klage von einer Schwätzerei oder sonst was über mich eingelangt sei und daß mich alle Menschen leiden könnten, wie doch sonst gemeiniglich das Widerspiel aus Mißgunst oder Neid sich bei den Höfen zuzutragen pflegt.

Ich und mein schwangeres Weib gingen nun von Würzburg fort, kamen nach Ochsenfurt und erfragten, daß unweit von hier, nämlich zu Anspach, auch ein Fürst und viele Herrschaften wären. Wir gingen von Uffenheim Anspach zu; da wir auf Lehrberg kamen, wie erschraken wir! als wir hörten, daß zu Anspach alles lutherisch sei. Wir gingen mit Furcht und Zittern dahin und fragten bei dem Stadttor die Wache, ob kein Wirtshaus in der Stadt sei, wo Katholische oder Handelsleute einkehrten, weil wir uns vor den Lutheranern allzusehr gefürchtet haben und noch niemal in ein lutherisches Ort gekommen sind. Wir bekamen die Antwort: beim Schwarzen Bären.

Hier fanden wir zu unsrer größten Freude drei tyrolische Handelsleute, nämlich den Knittel, Stier und Zitronenmelcher, wie auch einen katholischen Burger, Lambert, aus Tyrol.

Sie freuten sich wie wir, daß wir als Landsleute einander sahen, zahlten meinem Weibe gleich eine Maß Tyrolerwein und darauf gingen wir schlafen. Dem andern Tag aßen wir zu Mittag; mein Weib war schön, und hatte deswegen allerhand Ansprachen; denn es waren allerlei Kostgänger im Hause. Unter andern auch der Kammerdiener vom Herrn von Lehrbach, Deutschherrn von Mergenthal; dieser kannte mich, und sagte es seinem Herrn, welcher es dem Markgrafen hinterbrachte. Wir hatten noch neun Dutzend Handschuhe. Ich wurde nach Hof geholt, und mein Weib ging auch furchtsam mit mir; wir wurden in einen Saal geführet, wo die Herrschaften in einer Gesellschaft beisammen waren.

Der Markgraf und die Markgräfin grüßten uns, wir küßten ihnen die Kleider; beim Pharaotische legte ich meine Ware aus; die Herrschaften paschten mir die Handschuhe aus, soviel ich hatte, und sie wurden mir alle miteinander ehrlich bezahlt. Es kam ein Herr mit einer Geige und spielte darauf, und der Markgraf schuf, daß ich mit meinem Weibe tanzen sollte; dieses geschah auf unsere Manier und verursachte großes Gelächter. Es wurde nun zur Nachttafel zugerichtet, und der Markgraf und die Markgräfin ruften uns hinein.

Da bekamen wir zu essen und zu trinken und unsere Taschen voll Konfekt und Gebackenes.

Wie sehr erfreuten wir uns, unsere Handschuhe verkauft, Essen und Trinken genug genossen zu haben und daß es unter Lutheranern auch so gute Herrschaften giebt.

Wir dankten beide dem vorsichtigen Gott. Wir blieben noch etliche Tage und gingen alsdann mit Freuden nach Hause.

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Quelle: Leben und Ereignisse des Peter Prosch, eines Tyrolers von Ried im Zillerthal, oder das wunderbare Schicksal. Geschrieben in den Zeiten der Aufklärung. München, 1789, S. 80-83. Online verfügbar unter: http://data.onb.ac.at/rep/1069C492

Peter Prosch, der „Hoftyroler“ (1789), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/migration/ghis:document-81> [26.10.2024].