Johann Otto von Hellwig, Das Von den Unverständigen übelverstandene und dannenhero vergeblich verworffene Hellwigische Subjectum des Steins der Weisen (1710)
Kurzbeschreibung
Johann Otto von Hellwig (1654–1698) war ein weit gereister deutscher Arzt, Alchimist und Autor. Er war zeitlebens fasziniert vom Stein der Weisen (Lapis Philosophorum), der metallische Substanzen wie Quecksilber in Gold oder Silber verwandeln sollte. In Punkt 3 seiner Abhandlung kritisiert Hellwig Alchemisten an Adelshöfen, die Alchemie nur zu dem Zweck praktizierten, um Gold herzustellen. Wahre Alchimisten, so glaubt er, seien nicht durch Gier oder Profit motiviert, sondern vielmehr durch den Wunsch, Gottes Geheimnisse in der Natur zu verstehen.
Quelle
[…]
Dritte Frage:
Was letzlich die dritte mir vorgestellte Frage anbelanget, ist selbige leicht aufzuloͤsen; Weiln nichts anders darinnen gefraget wird, als: Was doch von denen Laboranten und Goldsuchern, insgemein Alchimisten an Herren=Hoͤfen zu halten sey? Denn dieses ist gewiß; Daß der Fuͤrst oder der Herr, den Laboranten alleine wegen der Hoffnung zum Goldmachen, so viel und allerhand schoͤne Metalla, Mineralien, Vegetabilien, Animalien, Oefen, Kohlen, und Geschirr mit Unkosten verderben laͤßt. So nun der Laborant die Goldmacherey nicht verstehet (wie er denn wahrhafftig sein lebtage kein einig requisitum zu dieser Kunst als allein den starcken Willen, welche alle zur Mineralischen Sonne mit waͤchsernen Fittichen fliegende Icaros endl. in das Meer der Verzweifelung stuͤrtzt, besessen,) ist er seinem Herrn nichts nuͤtze, Ihme aber sein Herr nicht, wofern er sich seiner so offtmals faͤlschlich=beschwornen Kunst wuͤrcklich versichern kan. Unkosten halber darf kein Philosophus zu grossen Herren gehen. Arme Leuthe koͤnnen die materiam lapidis leichter und besser kriegen als Fuͤrsten. Ein gantzes Pfund Mercurii Philosophorum wird vom Anfang bis zum Ende seiner voͤlligen præparation, nicht über ein Kopffstuͤck kosten, Geldsummen sind hierzu vergeblich: weil die wohlfeile præparation der rauhen Materie, so viel feines aurum virgineum, ohne Beythuung einiges Metalls oder Minerals, durch Zeit und Arbeit, giebt, als der Kuͤnstler zu seiner fermentation von noͤthen hat. Fehlen ihm unterdessen Lebens=Mittel, und kan er der gluͤcklichen Endschafft seines Meisterstuͤcks nicht, wegen Armuth, erwarten, so besitzt er ja die universal=materie, welche mit einfaͤltiger Bereitung fuͤrtreffliche medicamenta, und, unter den besten, ein wahrhafftes aurum & argentum potabile und gruͤndliche Gold=Tinctur liefert. Weniges Gold oder Silber hierzu wird ihm kein Patient, der gesund zu werden verlangt, weigern voraus zu geben? und ist er einmahl einhalb oder gantz dutzend Thr. reich, so wird hernach niemahls, wenn er in seinen Wegen aufrichtig fortwandelt, das taͤgliche Brodt in seinem Hause abgehen. Schneidern ist ein schlecht Handwerck, aber welcher Fuͤrst wuͤrde wohl so unverstaͤndig seyn, und einer Person, welche nichts von Kleidermachen verstuͤnde, als was sie davon gelesen und gehoͤret, ein guͤlden Stuͤck vertrauen um daraus ein zierliches Weiber=Kleid zu machen? Und man glaubet an so viel Orthen, daß ein Kerl, welcher mit seiner Artzeney=Kunst kein 4.taͤgl. Fieber genesen kan, und in der gruͤndlichen Metall=Verbesserung niemahls etwas gethan, solle ein Universal=Medicament und Goldmachend Mittel zuwege bringen; Er ist so arm als Irus, und sein Herr hofft durch ihn ein Cræsus zu werden. Wenn die Laboranten die salia lixiva oder alcalia fixa ohne Beysetzung koͤnnen verbessern, lebendig, geistlich und fluͤchtig machen: Wenn sie Gold ohne ebullition radicaliter aufloͤsen, und Metallen aus blosser Lufft sine ulla additione, bringen koͤnten (und solches alles ohne Unkosten,) wolte ich etwas von ihnen halten: und dann were noch Hoffnung, daß sie endlich nach solchen arbeiten, welche in der Chimie Jungen=Werck sind, wuͤrden Meister, oder zum wenigsten Gesellen werden. Aber die Jungen=Arbeit ist für grosser Herren Laboranten zu schlecht: Bey ihnen muß alles mit Gold und Gold gehandelt seyn. Und was nicht uͤberfluͤßiges Geld, sondern Weißheit giebt, ist in den hoͤfischen laboratoriis nicht angesehen. Allda wird nur Gold gesucht, von dem Laboranten bey dem Herrn, und von dem Herrn bey dem Laboranten, und achtet man, in den meisten, der Weißheit, aus deren Tempel doch die rechte Thuͤr zum Reichthumb gehet, wenig oder gar nichts. Wer diese Kunst wuͤrckl. oder in ungezweiffelter Wissenschafft besitzt, wird sie nimmermehr einem Fuͤrsten oder grossen Herrn offenbahren, wenn er nicht durch lange conversation mit demselben, dessen Gemuͤthe so genau erforscht, daß er ihn mehr vor seinen Christlichen aufrichtigen und bestaͤndigen Freund, als gnaͤdigen Herrn halte. Und auf diese Weise allein moͤchte die Erkenntniß des Natur-centri zu einem Printzen gelangen. Ein rechtschaffener Natur=Priester kan der Natur ihr Opffer ohne Gold, Flammen und Feuer bringen, und sie redet auch mit ihme nicht durch ein brennend Feuer, sondern sie gebrauchen sich untereinander eines sehr subtilen Feuers ohne corrosiv, welches mit der wahren Materie einerley Grube bewohnt. Der Kuͤnstler aber scheidet sie, thut seine Materie in das Gefaͤß, und haͤngt sie in das kraͤfftige, herrliche und lieblich=durchdringende Feuer, wo separatio und coagulatio in einem Glase geschehen koͤnnen. Wenn dieses Feuer einmahl recht ist angesteckt, so wuͤrckt es etliche Monat, ohne daß man darff darzusehen; hernach giebt man ihm eine neue Bewegung. Zum Meisterstuͤck der Chimie ist Gold, Mercurius und Feuer aus einer einigen Grube und Materie, und wird nichts darzu, als der verborgene Athanor, und das Gefaͤß gethan. Wo bleiben nun die Laboranten mit ihren wunderlichen Oefen, Geschirren, koͤstl. Materien, und gifftigen Arbeiten? Wo bleiben die grossen Herren mit so viel 1000 verlohrnen Ducaten? NB. Aller Dinge Arbeit ist einfaͤltig, und hat keine Weitlaͤufftigkeit und wenig Complementen vonnoͤthen. Die meisten Laboranten sind rechte Natur=Feinde, qvaͤhlen sie uͤberall mit ihrem Teuffel, dem Flammen=Feuer, und wolten sie, glaube ich gar, wenns moͤglich wäre, zur Hoͤlle machen. Auri sacra fames, quid non mortalia cogis pectora? Darum huͤte sich ein ieder moͤglichst fuͤr dieser Narrheit, und Raserey, und verwahre sein Gehirne wohl, damit ihm nicht einst ein solcher Gold=Wurm hinein komme, und Unruhe anrichte. Ihres universals Allgemeinheit bestehet in dem allgemeinen und gaͤntzlichen Verderben des Verstandes, der Ehre, und des Guths. Und sind deßwegen die Particularia noch weniger zu fuͤrchten, weil sie noch einen partem in culina lassen. Es verlache ein ieder Freund diese verderbliche Secte, und huͤte sich fuͤr den Schwartz=Kuͤnstlern (weil sie meist wie Schoͤrstein=Feger aussehen) wie vor dem Teuffel. Komt solche Lauß einst in den Peltz, versichert wird er ihrer nicht loß werden, sie habe denn einen Theil seines Schweißes und Bluts verschluckt. Sie wird ihm Koth für Ausbeute geben, und 1000. Schlupfwinckel finden, dadurch sie sich denen gegen sie grausamen Haͤnden seiner gruͤndlichen und weißlichen Verstellungs=Reden entziehet. NB. Alle Materien der gantzen Welt koͤnnen vor die universale defendiret werden, obschon eine besser, als die andere: Und lassen sich die Authores wie waͤchserne Nasen drehen. Alle Laboranten finden in dem Geber, Turba, und wie die erschrecklichen Buͤcher mehr heissen, ihre Vergnuͤgung eben so gut, als die Ketzer in der Bibel. Den Verstand der wahren Materie giebt GOtt nicht auß den Buͤchern, und sind sie niemand nuͤtze, wenn man nicht sie selbsten, ohne Schmeicheley, durch unzweifeliche demonstrationes richten kan. Sollen sie unserer Arbeit Urtheiler seyn? O Elend! so ist alles, wegen ihrer Dunckelheit, vergeblich. Mann lieset darinnen mit einer vorgefasten Meinung: und hat unser Verstand das Vitriolum, oder Mercurium ohngefehr erschnappet, so sehen alle dicta klaͤrlich, oder in der Auslegung, vitriolisch oder mercurialisch aus. Was man gerne hoͤret, wird bald geglaubt. Es schmeichelte sich eins ein Hollaͤndischer Zimmermann in Ost-Indien, gewiß General-Director so vieler Niederlaͤndischer Koͤnigreiche und Landschafften alldar zu werden, weil ein ander Schiffs=Ober=Zimmerman, durch Gluͤck und tapfferes Verhalten, in der See=Schlacht, als die uͤbrigen Officirer todt geschossen, solche hohe Stelle, durch lange Zeit, endlich im Alter erlanget hatte: Er meinte, sein Verstand waͤre nicht geringer, als des andern gewesen, und hielte seine eigne Person vor den Spiegel, vortrefflicher und ansehnlicher als des andern, starb aber in schlechtem Zustande. Hat iemand in seinem Beruffe Zeit und Geld uͤbrig, er wende die Zeit zum GOttesdienste, und zur Erkaͤndtniß seiner selbst, das Geld aber fuͤr die Armen, auf, so wird er sich Schaͤtze in seinem Gemuͤthe und im Himmel sammlen, da sie weder Motten noch Rost fressen, und da sie die Diebe nicht suchen noch wegtragen. Man hat uͤberfluͤßige Gelegenheit Gottes Wunder=Wercke zu betrachten, und darff darum sich solcher betruͤglichen Arbeit nicht unterwerffen, vornehmlich weil ein Thaler im Beutel besser ist, als tausend in ungewisser Hoffnung. Hiermit beschliesse ich, weil die Zeit und meine Geschaͤffte nicht zulassen weitlaͤufftiger zu seyn.
Die Gnade und Liebe unsers HErrn Jesus Christi sey mit uns allen!
Was GOtt nicht durch Gebeth und Arbeit will vergoͤnnen, wird niemand sich mit Geld zuwege bringen koͤnnen!
Quelle: Johann Otto von Hellwig, Das Von den Unverständigen übelverstandene und dannenhero vergeblich verworffene Hellwigische Subjectum des Steins der Weisen; Welches hiermit Philosophicè gerettet und erkläret wird: Nebst Zweyen curiösen und nützlichen Schreiben vom Stein der Weisen. [Nachdruck] Heidelberg, 1710, S. 41–48. Online verfügbar unter: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00018C0300000000
Weiterführende Inhalte
Jürgen Strein, „Alchemie und Hofkultur oder: Eine Million bar in Händen: zu den Briefen des Arztalchemikers Johann Otto von Hellwig (1654–1698) an Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha“, in Pharmazie in Geschichte und Gegenwart: Festgabe für Wolf-Dieter Müller-Jahncke zum 65. Geburtstag, herausgegeben von Christoph Friedrich. Stuttgart: Wiss. Verl.-Ges., 2009, S. 433–56.