Friedrich II., König von Preußen, „Spione und ihre Anwendung und wie man sich Nachrichten vom Feinde verschafft“ (1748)

Kurzbeschreibung

Der preußische König Friedrich II. (reg. 1740–1786) erörtert knapp die verschiedenen Arten von Spionen, die für den militärischen Geheimdienst angestellt werden könnten. Gewöhnliche Bürger und Bauern, hält er fest, würden nicht über viele nützliche Informationen verfügen, und feindliche Soldaten hätten vermutlich nur begrenztes Wissen über das Lager und die Position der gegnerischen Armee. Doppelagenten könnten eingesetzt werden, um falsche Informationen zu verbreiten. Friedrich erinnert seine Offiziere daran, Spione großzügig zu entlohnen, denn ein Mann, der „den Strick wagt“, um ihnen zu dienen, habe eine Belohnung verdient.

Quelle

Wüßte man die Absichten des Feindes stets voraus, so wäre man ihm auch mit einer schwächeren Armee überlegen. Alle Heerführer suchen sich diesen Vorteil zu verschaffen, aber es gelingt ihnen nicht immer. Es gibt vier Arten von Spionen: kleine Leute, die sich zu diesem Handwerk hergeben, doppelte Spione, Spione in wichtiger Stellung und endlich solche, die man zu diesem leidigen Geschäft zwingt.

Die kleinen Leute, nämlich Bürger, die man ins feindliche Lager schickt, Bauern, Priester, usw. können zu weiter nichts gebraucht werden, als zur Feststellung des feindlichen Lagerplatzes. Ihre Berichte sind zumeist so wirr und unverständlich, daß man dadurch ungewisser wird, als wenn man in der größten Unwissenheit über den Feind geblieben wäre. Auch die Aussagen der Überläufer taugen gewöhnlich nicht mehr. Der Soldat weiß wohl, was bei seinem Regiment vorgeht, weiter aber auch nichts, und die Husaren, die stets vor der Armee herumstreifen, wissen oft nicht einmal, wo sie ihr Lager hat. Trotzdem nimmt man ihre Aussagen zu Protokoll; das ist noch das einzige Mittel, um Nutzen daraus zu ziehen.

Der doppelten Spione bedient man sich, um dem Feinde falsche Nachrichten aufzubinden. In Schmiedeberg war ein Italiener, der den Österreichern als Spion diente. Wir machten ihm weis, wir würden uns beim Anmarsch des Feindes auf Breslau zurückziehen. Er brachte dem Prinzen von Lothringen diese Nachricht, und er wurde betrogen.

Prinz Eugen hatte lange Zeit den Postmeister von Versailles in seinem Golde. Dieser Elende öffnete alle Sendungen des Hofes an die Generale und sandte Abschriften an den Prinzen, der sie meist eher bekam als die französischen Heerführer. Der Marschall von Luxemburg hatte einen Sekretär König Wilhelms gewonnen, der ihm von allem Nachricht gab. Der König kam dahinter und zog allen erdenklichen Vorteil aus dieser heiklen Sache. Er zwang den Verräter nämlich, an Luxemburg zu schreiben, daß die Alliierten am nächsten Tage eine große Fouragierung vornehmen würden. Die Franzosen wurden infolgedessen bei Steenkerken überrumpelt und wären fast gänzlich geschlagen worden, hätten sie nicht ausnehmend tapfer gefochten.

Für uns wäre es schwer, in einem Krieg gegen Österreich solche Spione zu halten. Nicht, als ob sich bei den Österreichern weniger Leute bestechen ließen als bei andern Nationen, sondern weil ihre leichten Truppen ihre Armee wie eine Wolke umgeben und niemand durchlassen, ohne ihn zu visitieren. Ich bin daher auf den Gedanken gekommen, ein paar von ihren Husarenoffizieren zu bestechen, vermittels deren man den Briefwechsel unterhalten könnte, da es nämlich Brauch ist, daß die Husaren, wenn sie miteinander herumplänkeln, bisweilen Waffenstillstand schließen und miteinander sprechen. Dabei könnten dann leicht Briefe übergeben werden.

Will man dem Feind falsche Nachrichten zukommen lassen oder Nachrichten von ihm erhalten, so läßt man einen zuverlässigen Soldaten zu ihm überlaufen. Er berichtet dort, was man will, oder streut auch heimlich Zettel im feindlichen Lager aus, um die Truppen zum Desertieren zu ermuntern. Dann kehrt er auf einem Umweg ins eigne Lager zurück.

Hat man in Feindesland gar kein andres Mittel, sich Nachrichten vom Gegner zu verschaffen, so bleibt noch eins übrig, das man ergreifen kann, obschon es hart und grausam ist. Man nimmt einen bemittelten Bürger, der Haus und Hof, Frau und Kinder hat, und gibt ihm einen gescheiten Menschen bei, den man als Knecht verkleidet, der aber die Landessprache verstehen muß. Der Bürger muß ihn als Kutscher mitnehmen und sich ins feindliche Lager begeben, unter dem Vorwande, sich über die erlittene Unbill zu beschweren. Zugleich bedroht man ihn: wenn er Euren Mann nach genügendem Aufenthalt im feindlichen Lager nicht zurückbringe, werde man seine Frau und Kinder niederhauen und sein Haus plündern und anstecken. Dies Mittel habe ich anwenden müssen, als wir im Lager bei Chlum standen, und ich hatte Erfolg damit.

Hinzugefügt sei noch, daß man die Spione freigebig, ja verschwenderisch bezahlen muß. Ein Mensch, der den Strick wagt, um Euch zu dienen, verdient schon, dafür belohnt zu werden.

Quelle: Friedrich II., „Spione und ihre Anwendung und wie man sich Nachrichten vom Feinde verschafft“, in Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748); abgedruckt in Die Werke Friedrichs des Grossen in deutscher Übersetzung, herausgegeben von Gustav Berthold Volz, Friedrich von Oppeln-Bronikowski, und Adolph von Menzel. Band 6: Militärische Schriften. Berlin: Hobbing, 1913, S. 38–40.

Französisches Original Online verfügbar unter: Œuvres de Frédéric le Grand - Werke Friedrichs des Großen. Digitale Ausgabe der Universitätsbibliothek Trier, Bd. 28 (1856). Article XIV. Des espions, de l'usage qu'on en peut faire dans tous les cas, et comment on apprend des nouvelles de l'ennemi, S. 51, http://friedrich.uni-trier.de/de/oeuvres/28/51-o2/

Friedrich II., König von Preußen, „Spione und ihre Anwendung und wie man sich Nachrichten vom Feinde verschafft“ (1748), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:document-4> [05.12.2024].