J. D. Gruber, „Unvorgreiflicher Vorschlag zu Anlegung und Aufrichtung einer neuen Universität in Sr. Königlichen Maj. Teutschen Landen“ (30. August 1732)

Kurzbeschreibung

Dieser Entwurf vom August 1732 zur Gründung einer neuen Universität im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg wurde von Geheimrat J. D. Gruber verfasst und an den Landesherrn, Georg II. (1683–1760) geschickt. Gruber skizziert zunächst die Vorteile einer Universitätsgründung in „Sr. Königl. Maj. Teutschen Landen“. An erster Stelle stand dabei die Ausbildung und Vorbereitung der (männlichen) Landeskinder auf den Staats- und Kirchendienst und das wirtschaftliche Wachstum. Dann listet er die Nachteile oder Herausforderungen auf, die mit der Gründung einer Universität verbunden sind; dazu gehören potenzielle Rivalitäten mit bestehenden deutschen Universitäten und die Schwierigkeit, qualifizierte Professoren zu finden. Zum Schluss erörtert Gruber, wo die Universität gegründet werden sollte und wie sie finanziert werden kann.

Quelle

I. Motiven zur Anlegung einer neuen Universität.

Die Ursachen, welche Sr. Königl. Maj. zur Anlegung einer neuen Universität bewegen mögen, bestehen in folgenden:

1) Haben alle deß Heil. Röm. Reichs-Churfürsten eigene Universitäten in Dero Landen; dahero Chur-Braunschweig, um denen übrigen Churen sich in allen gleich hervor zu thun und zu erhöhen, billig auch auf ein solch Kleinod zu denken haben möchte.

2) Haben Sr. Königl. Maj. zumal nach der Acquisition dess Lauenburgischen, Brehm- und Verdischen, ein so weitläufftiges Land zu beherrschen, daß für die in allen solchen Provintzien häuffig studirende Landes-Kinder eine eigene Universität nöthig zu seyn scheinet.

3) Ist leicht darzu thun, daß bißhero durch die anderer Orten studirende Landes-Kinder jährlich über 100000 Reichsthaler ausser Landes gebracht und verzehret werden, welches Geld durch Anlegung einer inländischen Universität nicht nur in Lande behalten, sondern auch noch doppelt und dreifach so viel herein gezogen wird. Der Calculus à 200000 Reichsthaler ergibt sich ungezwungen, wenn man nur 1000 Studenten, und auf jeden nur 200 Reichsthaler jährlich rechnet, deren doch die Meisten ein weit mehres zu brauchen pflegen.

4) Ist leicht zu erachten, daß nicht nur der Ort, wo die Universität angelegt wird, sondern auch das gantze Land von der Circulation des Geldes ein Großes profitiren werden.

5) Können auf einer Universität, worüber Sr. Königl. Maj. die völlige Disposition haben, Dero Unterthanen nicht nur zu denen ordentl. Kirchen- und Weltlichen Bedienungen nach Erheischung jetziger Umstände beßer, als anders wo, präpariret, sondern auch bey Zeiten die besten Subjecte in Anmerkung gebracht werden, welche nach Erforderung der jetzigen Zeiten, da mehr im Cabinet, als im Felde zu thun vorfället, zu wichtigen Staats-Verrichtungen sich qualificiren können, zu geschweigen, daß

6) eine Academia Georgina ein immerwährendes Denckmal Sr. Königl. Maj. Generosität und Liebe zu den Studiis und Dero Teutschen Landen bey der Posterität seyn würde.

II. Bedenklichkeiten und deren Beantwortung

Dawider möchte eingewendet werden,

1) Daß Teutschland bereits mit 32 Universitäten, worunter 18 protestantische sind, versehen, deren einige so nahe gelegen, daß für eine neue Universität kein sonderlicher Flor zu hoffen stehe.

2) Daß Sr. Königl. Maj. bereits eine Universität zu Helmstädt haben, deren Aufnahm beßer zu besorgen stünde.

3) Daß ein solches Werk anzufangen und fort zu führen große Kosten erfordert werden würden, die man ersparen könnte.

4) Daß es schwehr halten würde, geschickte Männer in allen vier Facultäten zusammen zu bringen, die nothwendig sind, eine neue Universität in Ruff und Aufnahm zu bringen, da keine alte Doctores mehr vorhanden, und meist junge Leute schon die ersten Professiones anderwerts bekleiden.

5) (Daß eben in denen Städten in Sr. Königl. Maj. Teutschen Landen, wo eine Universität hingeleget werden könte, als zu Zelle, Lüneburg und Hanover, in Vergleichung aller andern Orten in Teutschland am kostbarsten zu leben, und dahero nur etliche reiche, aber keine arme Leute daselbst würden studiren können, mithin die Frequentz schlecht seyn würde.[1]

Dagegen aber kan in Anmerkung kommen und zwar

ad 1.a) Daß unter denen 18 protestantischen Universitäten in Teutschland kaum 6 sind, die sonderlichen Zugang haben, und sonderlich von denen nahe belegenen kein Eintrag zu besorgen sey.

b) Hat das Exempel der Universität zu Halle gelehret, daß eine neue Universität auch mitten unter denen florissantesten Universitäten in Flor kommen könne, wenn der Stiffter sich solches einiger maßen angelegen seyn läßet, und die Academicos mit allerhand, auch äußerlichen Zierrathen, zu distinguiren geneigt ist.

c) Muß es nothwendig eine große Frequentz geben, wenn auch bloß die Landes-Kinder auf der neuen Universität studiren, wozu sie, wie ander Orten geschieht, durch Landes-Fürstl. Befehl angehalten werden könen, da die Noblesse und Gentry in England das Reißen so sehr liebet, und sich so gerne in der Fremde aufhält, solte selbige sich nicht häufig auf Sr. Maj. Teutschen Universität einfinden,[2] wenn Höchst Dieselbe Dero allergnädigstes Gefallen darüber gegen die Großen im Lande merken ließen, wenn zumal die Anstalt gemachet wird, daß es an denen Ritterlichen exercitiis nicht fehlte?

ad 2. Daß die Universität zu Helmstädt in Sr. Königl. Maj. Territorio nicht belegen, und wegen der Gemeinschaft, die alle gute Absichten zu hindern pfleget, damit zu dem rechten Zweck nicht zu gelangen. Wird auch nicht zuviel seyn, wenn neben Helmstädt noch eine privative Churfürstl. Universität angeleget wird, da das Hauß Heßen deren drey, nemlich Marburg, Giessen und Rinteln unterhält.

ad 3.a) Daß die Kosten so gar groß nicht seyn müßen, weil sonsten so viele Universitäten nicht werden unterhalten werden; vielmehr ist solches ein Zeichen, daß die darauf zu wendende Unkosten sich reichlich verinteressiren, und ein Landes-Herr mehr Nutzen denn Schaden davon habe.

b) Brauchet es eben keiner ein großes Aufsehen machenden Donation an liegenden Gründen und dergl., zu deren Administration ein Corpus academicum ohnedem nicht wohl geschickt ist, obwohl die Alten solchen Gebrauch gehabt; sondern es ist genug, daß zur Erhaltung der Universität und Salarirung der Professorn ein gewißes jährliches quantum assigniret und bezahlet werde, so zu Halle aus der Licent-Cassa genommen wird.

c) Daß zur Aufbringung des nöthigen Fonds, wo nicht alle Landschafften egalement, doch diejenige besonders, in deren Provintz die Universität angeleget wird, zu concurriren habe, und zwar nach dem Exempel der Wolfenbüttelischen Landschaft, welche die Universität zu

Helmstädt mit 100000 g.fl. dotiret, und solches Capital bißher verzinset hat.

d) Daß ferner von dem Ueberschuß, den die 3 Calenbergische an die Universität gewiesene Klöster, Wehnde, Hilvershaußen und Marien Garten, jährlich thun, die andere Helffte genommen und Sr. Königl. Maj. Rent-Cammer, außer waß die erste Außlage und Inaugurations-Kosten betrifft, gantz und gar damit verschonet werden kann.

e) Dass mit 9000 Reichsthalern jährlich daß gantze Werk gar wohl gehoben werden kann, und zwar nach folgenden Plan: Man supponiret in Facultate Theologica 3 Profeßores mit folgenden Salariis:

Facultas Theologica: Primarius 600 Reichsthaler, Secundus 400 Reichsthaler, Tertius 300 Reichsthaler

Diese Besoldungen werden deßwegen etwas geringe angesetzet, weil denen Theologis nach und nach kleine Abteyen und Prälaturen im Lande conferiret werden können, gegen welche sie, nach Befinden, wiederum etwas an ihren Salariis fahren lassen können, so denen Philosophis zuzulegen.

In Facultate Juridica: Primarius 1000 Reichsthaler, Secundus 600 Reichsthaler, Tertius 400 Reichsthaler.

Das erste Salarium muss ansehnlich seyn, um einen ansehnlichen Mann zu bekommen und zu behalten, auch die folgenden damit in guter Hofnung und Aemulation zu erhalten. Die übrigen behelffen sich leicht, weil sie einen andern Zugang aus der Facultät-Arbeit und von Promotionibus haben.

In Facultate Medica: Primarius 500 Reichsthaler, Secundus 400 Reichsthaler, Tertius 300 Reichsthaler,

obwohl der Tertius vor erst zurück bleiben und erspahret werden könte.

In Facultate Philosophica: Primarius 400 Reichsthaler, Secundus 400 Reichsthaler, Tertius 400 Reichsthaler, Quartus 300 Reichsthaler.

Der Philosophen Besoldung muss gut seyn, weil sie weder von Responsis etwas bekommen, wie die Juristen und Medici, noch Geistliche beneficia hoffen mögen, wie die Theologi.

Rechnet man nun das Gantze zusammen, so kommen jährlich 6000 Reichsthaler heraus.

Denn

Facultas

Theologica

thut

1300 Reichsthaler

-

-

Juridica

-

2000 “

-

-

Medica

-

1200 “

-

-

Philosophica

-

1500 “

-

-

Summa

-

6000 “

Man rechnet ferner auf die Salarirung eines Syndici, zweier Pedellen, eines Stallmeisters, Fechtmeisters, Tantz- und Sprachmeisters, item auf etliche Freye Tische für die armen und auf

alle andere außerordentliche Ausgaben noch

3000 Reichsthaler

thut in allen jährlich

9000 Reichsthaler

Wenn nun die Kloster-Casse jährlich

4500 Reichsthaler

und die Landschaft gleichfalls

4500 “

herschießen, so ist das gantze Werk glücklich gehoben.

ad 4. Daß durch hohe Besoldunge und Bezeugung eines großen Estims die gelehrtesten Männer endlich noch zu erhalten stehen, die sich noch dazu glücklich schätzen werden, unter Sr. Königl. Maj. leutseligen und gnädigen Regierung zu stehen. Sind diejenigen, auf welche die Absichten gerichtet, gleich nicht alt, so sind doch keine bessere als sie, und werden sie mit der Zeit zugleich älter und besser werden. Unter denen Theologis ist Staat auf D. Rambach zu machen.[3] Stehet unter denen Juristen gleich Heineccius nicht zu gewinnen, so kan man den D. Otto in Holland und den D. Wahl in Giessen haben, der ein trefflicher Civilist ist.[4] In den beyden übrigen Facultäten sind die Subjecte nicht so rar.

(ad 5. Daß diesem Einwurf am besten begegnet werden kann, wenn keine von diesen, ohnedem mit gnugsamer Nahrung versehenen Städten, sondern eine andere genommen wird, die sich dieser halben besser dazu schicket: wo von gleich mit mehreren.)

III. In welchem Fürstenthum und in welcher Stadt die Universität am füglichsten angelegt werden könte.

(Nachdem der Hoff und die Regierung zu Zelle eingegangen, hat man daselbst das Ober-Appellations-Gericht angeleget, um der Stadt und dem herumliegenden Land einen Vortheil zuzuwenden.)

Für eine Universität aber ist der Ort viel zu enge, ausser dass er ohnedem schon in guter Nahrung stehet. Auf die Stadt Lüneburg möchte eher zu reflectiren seyn, weilen der Ort nicht nur Brehmen, Hamburg und Lübeck, wie auch die Hollstein- und Meklenburgische Noblesse in der Nähe, sondern auch reiche Bürger hat, welche die für die Studirende nöthige Commodität leicht anschaffen könnten; (wie denn auch das dasige Herrrschaftliche Hauß zum Collegio leicht zu adaptiren wäre.) Allein die daselbst florirende und von der Lüneb. Ritterschaft meist dependirende Ritter-Schule ist ein großes obstacul und leicht vorher zusehen, daß dasige Landschaft sich dieses Vorhaben aufs äußerste wiedersetzen werde, zumalen da diejenige Landschaft, in deren Provintz die Universität angeleget wird, nach vorstehendem Plan einen großen Zuschuß jährlich zu thun, wozu die Lüneburgische Landschaft weder Lust, noch das Vermögen hat: Zugeschweigen, dass die Lüneburgische Bürger ihre zum Saltzhandel adaptirte und mit Saltz angefüllete Häußer zu guten Wohnungen zu adaptiren sich nicht leicht bewegen lassen würden.

(Die Reflection ist demnach aufs Calenberg- und Grubenhagenische zunehmen, welche Landschaft beydes, das Vermögen und den Willen haben, ihres allergnädigsten Landes Herrn Gott gefällige Absichten beßer zu secundiren und darhero sich zu den erforderten Zuschuss leichter bewegen lassen werden. Die Stadt Hanover aber ist dazu um deßwillen unbequem, weil sie bereits mit Einwohnern überfüllet und junge Leute, deren die Universität eine Menge an sich ziehet, sich solche Freyheiten heraus zu nehmen pflegen, die, wenn sie in facie der Königl. und Churfürstl. Regierung verübet werden, wieder den Respect lauffen würden, ob sie schon an einem andern Ort nicht sonderlich zu ahnden sind.)

Außer Hanover aber scheint die Stadt Göttingen am bequemsten dazu zu seyn. Sie ist groß und bereits ziemlich bebauet; kan auch mit geringen Kosten noch beßer zugerichtet werden. Die Stadt-Cammerey stehet in guter Verfaßung und kan zu dem Erforderlichen leicht Rath schaffen. Der Ort selbst lieget in einer gesunden und anmuthigen Gegend und weil er von denen übrigen Haupt-Städten weit entfernet, so ist er zugleich der wohlfeileste Ort im gantzen Land: auf welche Beschaffenheit die Haupt-Reflection zu nehmen. Es ist zwar auch bereits ein Gymnasium daselbst, weil aber Sr. Königl. Maj. die freye Disposition darüber haben, können Höchst Dieselbe, mit Supprimirung der höhern und Beybehaltung der niedrigern Classen, daraus eben so leicht eine Universität machen, als Weyland Hertzog Julius aus dem Gymnasio zu Gandersheim die Helmstädtische Julius-Universität gemachet hat. Biss ein eigen Collegium gebauet, kan man sich mit der Schule behelffen, oder der Magistrat einen Theil des Rathhaußes dazu hergeben.

IV. Wie die Universität einzurichten remissive.

Dieses sind die Haupt-Momenta, auf welche pro nunc vornehmlich zu reflectiren. Wenn selbige berichtiget sind, so kann alsdann von der innern Einrichtung der Universität so fort gehandelt werden. Die Privilegia und Statuta der Universitäten zu Tübingen, Rostock, Marburg, Wittenberg, Frankfurt an der Oder, Jena und Helmstädt sind schon bey der Hand, und die Hallischen können noch erlanget werden: wenn man nun aus diesen allen das beste und denen jetzigen Zeiten convenableste zusammen lieset, und die neue Universität darauf gründet; kann nichts anders als ein guter Ausgang davon erwartet werden.

(Der Höchste gebe seyn Gedeyen zu Sr. Königl. Maj. löblichen und christl. Vorhaben.)

In den Acten des Königl. Archivs zu Hannover findet sich unter den Berichten und Eingaben des Geheimen Raths-Collegium an den König in London „Londoner Correspeondenz“ ein fast gleichlautendes Promemoria. Die Hauptabweichungen sind unten angegeben, dem Abdrucke haben wir das Concept des Verfassers, des Hofraths J.D.Gruber zu Grunde gelegt.

Anmerk.

Anmerkungen

[1] der Absatz fehlt. Lond. Corr.
[2] „Statt der Holländischen Universitäten.“ LC
[3] „Es wäre unter den Theologis auf D. Rambach, Walch, Mosheim zu reflectiren.“ LC
[4] „In Mathesi soll auf Professore Wolf in Marburg reflectirt werden.“ LC.

Quelle: J. D. Gruber, Entwurf zur Gründung der Universität Göttingen (1732), in Emil Franz Rössler, Die Gründung der Universität Göttingen Entwürfe, Berichte und Briefe der Zeitgenossen. Göttingen 1855, S. 1–9.

Ernst Böhme und Rudolf Vierhaus, Hrsg., Göttingen. Geschichte einer Universitätsstadt. Bd. 2. Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Anschluß an Preußen – Der Wiederaufstieg als Universitätsstadt (16481866). Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2002.

Johann Stephan Pütter, et al., Pütters Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Göttingen: Vandenhoeck, 1765.

Ulrich Rasche, Hrsg., Quellen zur frühneuzeitlichen Universitätsgeschichte: Typen, Bestände, Forschungsperspektiven. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011.

Jürgen von Stackelberg, Hrsg., Zur geistigen Situation der Zeit der Göttinger Universitätsgründung 1737. Eine Vortragsreihe aus Anlaß des 250jährigen Bestehens der Georgia Augustana. Göttinger Universitätsschriften Serie A, Band 12. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1988.

J. D. Gruber, „Unvorgreiflicher Vorschlag zu Anlegung und Aufrichtung einer neuen Universität in Sr. Königlichen Maj. Teutschen Landen“ (30. August 1732), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:document-198> [23.10.2024].