Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ (1994)
Kurzbeschreibung
Im Juni 1994 legte die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages ihren Abschlussbericht vor. Im Vorwort wurden die zentralen Anliegen dargelegt und v.a. die enorme Bedeutung der Kohlendioxidemissionen für den Treibhauseffekt und die Klimaerwärmung betont, die u.a. bei der Verbrennung kohlenstoffbasierter Energiequellen wie Erdöl entstanden. Im Sinne des Klimaschutzes sei, so der Bericht, ein sparsamer Umgang mit Energie und ein Ausbau regenerativer Energiequellen wichtig. Zudem ging der Bericht auf das politische Ziel ein, den Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent zu senken. Im inhaltlichen Teil schilderte die Kommission zunächst ihren Auftrag. Abschließend ist ein kurzer Auszug zum Abschnitt enthalten, der sich mit dem anthropogenen Treibhauseffekt auseinandersetzte.
Quelle
Vorwort
Wenn unsere Erde auch in Zukunft eine Chance haben soll, ist es notwendig, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung in Übereinstimmung zu bringen.
Zwischen 1950 und heute hat sich der Energieverbrauch weltweit mehr als vervierfacht. Eine wachsende Menschheit und das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern werden diesen Trend weiter fortsetzen. Wenn es uns nicht gelingt, sorgsamer als bisher mit den natürlichen Ressourcen umzugehen sowie vorhandene technologische Möglichkeiten besser auszuschöpfen und neue umweltverträgliche Technologien zu entwickeln, wird unausweichlich mit dem steigenden Energiebedarf auch die Emission des klimabeeinflussenden Treibhausgases CO2 steigen.
Die energiebedingten CO2-Emissionen sind für rund die Hälfte des anthropogenen Treibhauseffektes verantwortlich. Setzen sich sowohl diese CO2-Emissionen als auch die Emissionen der anderen klimarelevanten Spurengase ungebrochen fort, so wird im globalen Mittel die Temperatur bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts um 3 ± 1,5 °C steigen. Dies wird in der internationalen Wissenschaft nicht mehr in Frage gestellt. Ebenso sicher sind sich die Wissenschaftler darüber, daß eine Temperaturerhöhung Klimaveränderungen nach sich ziehen wird. Zu erwarten sind hierbei Änderungen der Niederschlagsverteilung, Verschiebung von Klima- und Vegetationszonen, Degradationserscheinungen von Böden und die Verschlechterung der Welternährung, um hier nur einige Beispiele zu nennen. Auch wenn über Ausmaß, zeitlichen Ablauf und regionale Konsequenzen von Klimaveränderungen noch keine exakten Aussagen gemacht werden können, ist aus Gründen der Vorsorge und aus der Verantwortung, die wir nachfolgenden Generationen gegenüber haben, sofortiges politisches Handeln dringend erforderlich.
Schwerpunkte der Klimapolitik im Energiebereich liegen vor allem in der rationellen Energieverwendung. Allein im Gebäudebestand sind riesige Einsparpotentiale vorhanden. Weitere Punkte sind die Verringerung des Einsatzes von Braun- und Steinkohle und die Frage nach der weiteren Nutzung der Kernenergie, die der Club of Rome angesichts der drohenden Klimakatastrophe für eine wahrzunehmende Option hält. Dies ist bedenkenswert.
Klimaschutz bedeutet in erster Linie einen schonenden Umgang mit Energie. Daher kommt der rationellen Energiewandlung eine besondere Bedeutung zu. Hier zeigt der vorliegende Bericht alle zur Zeit technisch möglichen Potentiale zur Erhöhung des Wirkungsgrades bei der Umwandlung fossiler Energieträger in Nutzenergie auf. Um diese Potentiale auszuschöpfen, ist eine material- und energieintensitätsarme Energiewirtschaft zu fördern und auf hocheffiziente Technologien zu setzen. Das gilt für alle Energienutzer in Haushalt und Kleinverbrauch, in der Wirtschaft und – nicht zuletzt – im Verkehr.
Eine besondere Bedeutung kommt auch den erneuerbaren Energien zu. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben staatlicher Energie- und Umweltpolitik bleiben, die Erprobung und Nutzung alternativer Energiequellen zu fördern sowie Forschung und Entwicklung in diesem Bereich kontinuierlich zu unterstützen.
Auf dem Weg zu einer dauerhaft nachhaltigen Energiewirtschaft müssen Klimaökologie, Energieversorgung und Marktwirtschaft in Einklang gebracht werden. Der Markt war und ist das Fundament für wirtschaftliche Prosperität, soziale Stabilität und Wohlstand. Reformfähigkeit und Anpassungsvermögen werden den Markt auch künftig Fundament sein lassen für ökologisch verantwortbares Wirtschaften und das Bemühen um den Ausgleich mit der Natur. Auf der Suche nach einer umweltschonenden, wettbewerbsfähigen und zukunftsorientierten Energieversorgung müssen Antworten gefunden werden auf die Fragen zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland, der vollständigen energie- und wirtschaftspolitischen Integration der neuen Bundesländer, zu den Herausforderungen im Rahmen des Europäischen Binnenmarktes, zu den globalen Entwicklungen und nicht zuletzt auf die Notwendigkeiten einer aktiven Klimavorsorge.
Klimaschutz darf und kann nicht an nationalen Grenzen aufhören. Es ist erfreulich, daß in der Bundesrepublik Deutschland die energiebedingten CO2-Emissionen – vornehmlich durch die Minderungen in den neuen Bundesländern – von 1987 bis 1993 bereits um 15 % abgenommen haben. Damit kann das Ziel eine CO2-Emissionsreduktion von 25 % bis zum Jahr 2005 erreicht werden. Doch über diese nationale Anstrengung hinaus muß im internationalen Verband nach Lösungsmöglichkeiten zur Bewältigung des Klimaproblems gesucht werden. Die Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro war hierzu ein erster Schritt. Die Vertragsstaatenkonferenz im Frühjahr 1995 in Berlin muß nun den Durchbruch für den globalen Klimaschutz bringen. Es müssen dort konkrete Reduktionsziele festgeschrieben werden, damit der Klimaschutz nicht an Glaubwürdigkeit verliert. Darüber hinaus sollten bestimmte politische Schritte und Maßnahmen beschlossen werden. Hierzu zählen u. a. der Technologie- und Finanzmitteltransfer sowie transnationale Kooperationsmodelle.
Ich hoffe, daß wir uns der nationalen Vorreiterrolle im Klimaschutz weiterhin bewußt sind. Wir müssen die Umsetzung vieler nationaler Maßnahmen zügig vorantreiben als Signalwirkung für andere Länder als auch als Beweis dafür, daß Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung nicht im Widerspruch zueinander stehen. Erforderlich ist, daß die Vertragsstaatenkonferenz in Berlin einen großen Schritt nach vorne geht. Dies muß Ziel aller gemeinschaftlichen Anstrengungen sein.
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Bonn, den 31. Oktober 1994
Dr. Klaus W. Lippold, MdB
Vorsitzender der Enquete-Kommission
„ Schutz der Erdatmosphäre“
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Aufgabenstellung und bisherige Arbeit der Kommission
1. Problembeschreibung, Entstehung und Auftrag der Kommission
Die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ des 11. Deutschen Bundestages hat in drei Berichten an das Parlament die Themen „Zerstörung der Ozonschicht'“, „Zerstörung der Tropenwälder“ sowie „Anthropogen verursachter Treibhauseffekt“ aufgearbeitet.
[…]
Der Auftrag der Kommission bestand zunächst darin, die Ergebnisse der internationalen Klimaforschung aufzuarbeiten und fortzuschreiben, die Auswirkungen eventueller Klimaänderungen auf die natürlichen Ökosysteme und die Verschiebung der heutigen Klimazonen zu untersuchen sowie die daraus resultierenden politischen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen international darzustellen. Neben diesen im wesentlichen einer Fortführung der Arbeiten der Vorgänger-Kommission entsprechenden Aufgabe hatte diese Kommission jedoch den besonderen Auftrag über die allgemeinen Maßnahmenempfehlungen ihrer Vorgängerin hinaus konkrete klimaschutzrelevante und umsetzungsorientierte Handlungsempfehlungen für die Endenergiesektoren, d. h. Haushalte, Handwerk, Dienstleistungsbereich, öffentliche Einrichtungen und Industrie, für den Energiewandlungssektor, für den Verkehrsbereich sowie für Landwirtschaft und Wälder zu erarbeiten. Dabei sollte ein besonderes Augenmerk auf die neuen Bundesländer gerichtet werden.
Im Hinblick auf die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro sollte die Kommission im Jahre 1992 einen ersten Zwischenbericht vorlegen und darin Maßnahmen für eine international abgestimmte Umweltpolitik vorschlagen.
Als weitere Schwerpunkte wurden genannt:
- Vorschläge für die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern zur gemeinsamen Beratung der Problematik des Technologie- und Finanztransfers
- Problembereich zukünftiger Umweltflüchtlinge und Fragen der internationalen Sicherheit
- die Bedeutung der weltweiten Bevölkerungsentwicklung, deren Struktur und Verteilung und somit Fragen der Welternährung.
Die Kommission setzt sich aus dreizehn Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie dreizehn Sachverständigen zusammen, die von den Fraktionen CDU/ CSU, SPD und FDP entsprechend ihrem Stärkeverhältnis entsandt bzw. zur Ernennung vorgeschlagen wurden. Die Gruppen PDS/LL sowie Bündnis 90/Die Grünen entsandten jeweils ein beratendes Mitglied.
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Teil A - Schutz der Erdatmosphäre
1. Wissenschaftlicher Sachstand zur anthropogenen Beeinflussung des Klimas und des atmosphärischen Ozongehaltes
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Anthropogener Treibhauseffekt
Die Enquete-Kommission stellt fest, daß sich der wissenschaftliche Kenntnisstand über den anthropogenen Treibhauseffekt mit seinen Konsequenzen für das Klima der Erde innerhalb der letzten vier Jahre weiter gefestigt hat. […] Im Vergleich zu diesen natürlichen Variationen des CO2-Gehaltes ist die drastische anthropogen bedingte Zunahme der atmosphärischen CO2-Konzentration in den letzten 100 Jahren in Bezug auf die Geschwindigkeit und die Amplitude dieser „Störung“ ohne Beispiel. Der heutige CO2-Anteil liegt bereits um rund 30% über dem normalerweise in einer Warmzeit beobachteten CO2-Wert. Bei ungebremstem weiteren Anstieg der CO2-Emissionen wird sich bereits Mitte des kommenden Jahrhunderts die atmosphärische CO2-Konzentration gegenüber dem vorindustriellen Wert verdoppeln. Es ist davon auszugehen, daß der Mensch durch die von ihm verursachte Zunahme der Treibhausgase das globale Klima bereits heute verändert hat, wobei das Klimasystem mit einer Zeitverzögerung von mehreren Jahrzehnten auf diese Störung reagiert. Bei weiter ungebremsten Emissionen wird die Klimaänderung Dimensionen annehmen, die mit kaum abschätzbaren sozio-ökonomischen Auswirkungen verbunden sein werden.
[…]
2.1.3 Eingriffe des Menschen in das Klimasystem
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Anthropogener Treibhauseffekt
Der durch menschliche Aktivitäten bedingte Anstieg der Konzentrationen klimarelevanter Spurenstoffe in der Atmosphäre, die bedeutsamste anthropogene Einflußnahme, stellt eine erhebliche Störung der Energiebilanz des Planeten (anthropogener Treibhauseffekt) dar, die eine Änderung der globalen Klimaverhältnisse zur Folge haben wird. Der beobachtete Anstieg der Konzentration des treibhausrelevanten Spurengases Kohlendioxid (CO2) ist im wesentlichen auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe zurückzuführen. […]
2.2.1 Das treibhausrelevante Leitgas Kohlendioxid (CO2)
Das wichtigste anthropogene Treibhausgas ist das Kohlendioxid (CO2), das seit der Industrialisierung von einem mittleren Mischungsverhältnis von 275 ppmv auf etwa 358 ppmv (Bolin, 1993) angestiegen ist, was einer Steigerung von rund 30% entspricht. Der heutige CO2-Gehalt in der Atmosphäre ist höher als zu irgendeinem Zeitpunkt der vergangenen 250 000 Jahre.
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Anthropogene Veränderungen im CO2-Kreislauf
[…] Etwa 40% des anthropogen emittierten Kohlendioxids sind in der Atmosphäre geblieben, etwa 60% wurde von den Ozeanen und von der Biosphäre aufgenommen (Siegenthaler u. Sarmiento, 1993). […]
Als Quelle des anthropogenen CO2 dominiert seit etwa der Mitte dieses Jahrhunderts die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Die zwischen 1750 und 1990 emittierte CO2-Menge aus fossilen Brennstoffen beträgt 217 Mrd. t C, was etwa 57% der gesamten anthropogenen CO2-Emissionen seit 1750 entspricht. Der jährliche Anstieg der „fossilen“ CO2-Emissionen verlief insbesondere in den vergangenen 40 Jahren exponentiell. Die pro Jahr emittierte CO2-Menge, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt wird, beträgt zur Zeit ca. 6 Mrd. t C. Ihr prozentualer Anteil stieg damit auf über 75 %.
[…]
Quelle: Schlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ zum Thema Mehr Zukunft für die Erde – Nachhaltige Energiepolitik und dauerhaften Klimaschutz. Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/8600, 31.10.1994, S. 3–26. Online verfügbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/12/086/1208600.pdf