Freiwillige Meldung zur „Sonderaktion”: Der Polizeisekretär und Verwaltungsbeamte Walter Mattner (1941-42)

Kurzbeschreibung

In Mogilew, wie die Deutschen die Stadt in Weißrussland nannten, richtete der Höhere SS- und Polizeiführer Ernst von dem Bach-Zelewski während des Zweiten Weltkriegs seinen Dienstsitz ein. Walter Mattner gehörte 1941-42 zum Verwaltungsstab des SS- und Polizeistandortführers. Er meldete sich freiwillig zu einer Massenerschießung und schrieb seiner Frau, wie sie kleine Kinder ermordet hätten, indem sie sie in die Luft warfen und erschossen, bevor sie auf die Erde prallten. Mattner setzte „Deutsch“ mit „Nationalsozialistisch“ gleich. Er fühlte sich dann ganz deutsch, wenn—und weil—er persönlich an der Vernichtungspolitik teilnahm.

Quelle

22.9.1941
„Wenn ich nicht schon Nationalsozialist wäre, der erste Tag meines Kriegseinsatzes hätte mich zu einem hundertprozentigen gemacht.“

29.9.1941
„Bei uns wird höchstens organisiert, das heißt, den Juden alles weggenommen.“

2.10.1941
„Eigentlich sollte ich schon schlafen gehen, denn es ist bereits 21 h., und ich habe [mich] morgen zu einer Sonderaktion gemeldet. Es ist um 4.30 h. Wecken, und um 5.30 h. fahren wir los. Morgen werde ich auch das erste Mal Gelegenheit haben, meine Pistole auszunützen. 28 Schuß habe ich mir mitgenommen. Wahrscheinlich wird das nicht reichen, aber ein anderer Kamerad wird mir seine Pistole oder Karabiner leihen. Ich weiß ja gar nicht, ob ich überhaupt Dir das schreiben darf, aber daß die Juden unser Unglück sind, das ist Dir ja schon seit langem bekannt, und wir haben es auf der Fahrt zu Warschau bis hierher immer wieder erfahren, wieviel Kameraden schon in der kühlen Erde ruhen. [] Und so schlafen viele junge Männer, ledig und verheiratet, die Blüte unserer deutschen Nation, um die Heimat vor diesen Scheusalen zu bewahren, die wir hier kennenlernten. Es ist ganz einfach furchtbar, diese asiatischen Horden ansehen zu müssen. Wie kommen wir uns europäische Menschen da vor. [] Du kannst also die Verbitterung verstehen, die mich beherrscht und die alle hier fühlen in dem Gedanken an unsere Heimat und unseren großen Schicksalskampf, den wir hier für unser Volk durchkämpfen müssen. Was liegt schon an tausendzweihundert Juden, die wieder irgendeinmal in einer Stadt zuviel sind und umgelegt werden müssen, wie es so schön heißt. Es ist nur die gerechte Strafe für soviel Leid, das sie uns Deutschen [angetan] haben und noch immer antun. Bis ich nach Hause komme, werde ich Dir ja schöne Sachen erzählen. Doch heute genug davon, sonst glaubst Du, daß ich blutrünstig bin.“

5.10.1941
„Noch etwas habe ich Dir zu berichten. Ich war also tatsächlich auch dabei bei dem großen Massensterben am vorgestrigen Tage. Bei den ersten Wagen hat mir etwas die Hand gezittert, als ich geschossen habe, aber man gewöhnt [sich an] das. Beim zehnten Wagen zielte ich schon ruhig und schoß sicher auf die vielen Frauen, Kinder und Säuglinge. Eingedenk dessen, daß ich auch 2 Säuglinge daheim habe, mit denen es diese Horden genau so, wenn nicht zehnmal ärger machen würden. Der Tod, den wir ihnen gaben, war ein schöner, kurzer Tod, gemessen [an] den höllischen Qualen von Tausenden und Abertausenden in den Kerkern der GPU. Säuglinge flogen in großem Bogen durch die Luft, und wir knallten sie schon im Fliegen ab, bevor sie in die Grube und ins Wasser flogen. Nur weg mit dieser Brut, die ganz Europa in den Krieg gestürzt hat und jetzt auch noch in Amerika schürt, bis es auch dieses in den Krieg hineingezerrt hat. Das Hitler-Wort wird wahr, der einmal sagte, vor Beginn des Krieges: Wenn das Judentum glaubt, in Europa noch einmal einen Krieg anzetteln zu können, so wird nicht das Judentum siegen, sondern es wird das Ende des Judentums in Europa sein. [] M.[ogilew] ist wieder um eine Zahl mit 3 Nullen ärmer, doch das spielt hier keine Rolle. Ich freue mich eigentlich schon, und viele sagen hier, daß wir in die Heimat zurückkehren, denn dann kommen unsere heimischen Juden daran.“

9.10.1941
„Ein Tischnachbar, Oberleutnant einer SS-Formation, kam gerade von einem Gefangenentransport zurück und erzählte von der Wildheit der gefangenen Asiaten, indem er sagte: „Von den Toten, die unterwegs sterben, schneiden sie die Ärscher ab, legen sie in die Bratpfanne und essen sie. Dabei haben sie oftmals kein Messer, weil sie alles abliefern müssen, sondern benützen Konservendosen als Schneidemittel.“ Kannst Dir vorstellen, unter welchen Menschenfressern wir hier sind. Habe sie auch oft vorbeiziehen gesehen, unglaubliche Gesichter. Morgen wird wieder eine Gruppe Zigeuner erledigt. / Ungef. 50. / Und so geht es jeden Tag. Immer ist etwas los. Das Menschenleben ist hier gar nichts. Trotzdem, es ist eine Lust zu leben, und ich bin nach wie vor froh, diesen Schicksalskampf unseres Volkes miterleben zu dürfen und mitkämpfen zu dürfen.“

27.10.1941
„Bin heute nicht mehr zum Schreiben gekommen. Bin zu müde. ¾ 11 Uhr. Doch eins: Beim Nachtmahl erfuhr ich, daß in unserem Distrikt bereits 27 000 Juden umgelegt sind. Und in Kiew 24 000!“

19.4.1942
„Ich habe in den 7 Monaten, die ich hier bin und wo ich doch mit Hunderten schon zusammen war, noch über keine Partei schimpfen gehört, das kann ich Dir ehrlich sagen, denn hier fühlt sich jeder nur als „Deutscher“, und Deutscher ist eben heute nur „Nazi“. Etwas anderes gibt es ja nicht.“

Quelle: Briefe des Polizeisekretärs Walter Mattner, Verwaltungsbeamter beim SS- und Polizeistandortführer Mogilew, an seine Frau. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Dok. Slg. Verschiedenes 301 v (048), Bl. 260 f., 263 ff; abgedruckt in Klaus-Michael Mallmann, Volker Rieß und Wolfram Pyta, Hrsg., Deutscher Osten 1939-1945. Der Weltanschauungskrieg in Photos und Texten. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2003, S. 27-28.

Alon Confino, A World without Jews. The Nazi Imagination from Persecution to Genocide. New Haven und London: Yale University Press, 2014.

Martina Kessel, Gewalt und Gelächter. „Deutschsein“ 1914-1945. Stuttgart: Steiner, 2019.

Freiwillige Meldung zur „Sonderaktion”: Der Polizeisekretär und Verwaltungsbeamte Walter Mattner (1941-42), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-211> [06.12.2024].