Hofgängerleben in Mecklenburg (1896)

Kurzbeschreibung

Der folgende Textauszug beschreibt das Elend, Leiden und die Ungerechtigkeiten, welche ein Landarbeiter in einer ländlichen Region Deutschlands erlebte. Er ist einem Bericht von 1896 entnommen, der unter dem Titel Hofgängerleben in Mecklenburg. Selbsterlebtes und Selbsterschautes von einem Berliner Arbeitslosen veröffentlicht wurde. Das Buch enthielt ein Vorwort des sozialistischen Politikers August Bebel (1840-1913) und erschien im Vorwärts Verlag der SPD.

Quelle

Auf dem Gutshof – Die Leutestube.

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Diese Leutestube, in welcher die Knechte und Mägde des Abends und Sonntags zubringen, sah geradezu erbärmlich aus. Schmutzig, verräuchert, mit zerbrochenen Fenstern, machte sie einen ganz unangenehmen Eindruck. Ein wackliger Tisch, der beinahe ebenso alt, als das Gut selbst, zwei ebensolche Bänke, und an den Wänden Schränke, in welchen die Knechte und Mägde ihr Brod und Zubrod aufbewahren. Dazu von jedem Knecht ein paar geschmierte Stiefel, welche das Zimmer ganz mit Thrangeruch erfüllen. Das ist das Innere der Leutestube und so ist sie auf fast allen Gütern. Wir nahmen nun auf einer der Bänke Platz und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Hunger hatten wir zum Umfallen. Nach geraumer Zeit brachte denn auch eine der Mägde Kaffee und zwei Schmalzstullen für jeden. Trotzdem die Güter so viel Kühe haben, erhalten die Knechte und Mägde in den allerseltensten Fällen Butter. Nur an den Feiertagen. Das Schmalz ist dazu noch amerikanisch, damit es ja nicht zu theuer kommt. Die „Nothlage“ der Großgrundbesitzer erlaubt es ihnen eben nicht, ihre Dienstboten anständig zu beköstigen.

Verloosung der Hofgänger.

Kurz nach 5 Uhr kamen die Knechte von der Arbeit, denn es war für sie Feierabend. Erst beguckten sie uns, frugen auch wohl dieses und jenes, wir merkten aber, daß sie uns nur von Oben herab behandelten. Kurze Zeit, nachdem sie ins Zimmer traten, bekamen sie Abendessen. Dieses Abendbrot bestand aus dem vom Mittag herrührenden Ueberbleibseln, denn es wird gleich für den ganzen Tag gekocht. Mittags erhalten sie aber Fleisch, was Abends nicht der Fall ist. Die Tagelöhner hatten später Feierabend; als diese Feierabend hatten, kam der Inspektor mit Dreien an, welche um uns „kabelten“, d.h. aus einer Handvoll Stroh zog jeder einen Halm und wer den längsten Halm hatte, bekam den schon vorher dazu bestimmten Hofgänger. Als nun jeder von uns seinen „Herrn“ hatte, mußten wir diesem nach Haus folgen, was uns sehr angenehm war, denn trotzdem in der Leutestube geheizt war, fror uns doch.

Tagelöhner-Leben.

Wir folgten also unseren Tagelöhnern, denen wir wieder als Dienstboten untergeben waren, zum Dorfe. Das ganze Dorf bestand aus etwa 12 Häusern, in denen je 3 oder 4 Familien wohnten. Ein solcher Raum, der von einer Familie bewohnt wird, besteht meist aus Stube, Kammer, Küche, Keller oder, wo der nicht vorhanden, noch einer Kammer und dazu gehörigem Stall. Die Stube, in die wir traten, war zwar sehr einfach, aber ziemlich sauber, was nicht überall der Fall ist. Auf dem viereckigen Holztisch stand eine kleine Küchenlampe, wie sie bei den meisten Familien in Gebrauch ist. Um den Tisch saßen zwei Kinder und ein alter Mann, der Schwiegervater des Mannes; derselbe war auf dem „Altentheil“ und mußte, trotz seiner großen Gebrechlichkeit, noch arbeiten. Die Frau trat gerade in die Stube, als wir auch eintraten. Ich bot allen einen guten Abend, was sie auch alle freundlich erwiderten. Nach einer Weile trug die Frau das Essen auf und legte jedem einen Löffel hin. Teller gab es nicht. Jeder nahm seinen Löffel und langte mit demselben in die mitten auf dem Tisch stehende Schüssel hinein. Ich machte es natürlich ebenso. Ich erinnerte mich nicht, jemals so etwas gegessen zu haben. Den Namen des Gerichts erfuhr ich später, es hieß auf plattdeutsch „Mangeten“. Na, mang war ja auch etwas: einige sogenannte Saubohnen, einige Erbsen, ganze oder halbe Mohrrüben und Petersilienwurzeln, Sellerie, Porree und eine ganze Menge Kartoffeln. In Berlin hatte ich oft davon gehört, was es für ein großes Stück Speck oder Schinken auf dem Lande geben sollte, aber wie ich auch meine Augen anstrengte, ich konnte nichts gewahr werden. Am andern Tage erfuhr ich, daß es Abends überhaupt kein Fleisch gebe und am Mittag auf vielen Stellen auch nur sehr wenig. Als wir gegessen hatten, fingen wir alle zusammen an, Kartoffeln zu schälen. Es ist Sitte, daß im Winter die ganze Familie, mit Ausnahme der Frau, vom 24. Oktober ab und auch schon früher bis Anfang Mai, Kartoffeln schält. Meine Füße, an denen nun das Eis aufgethaut war, fingen ganz mächtig an zu frieren. Andere Strümpfe hatte ich nicht und bekam auch keine. Endlich war auch diese Arbeit überstanden und nun ging es schlafen.

So geht’s den ganzen Winter, sobald die Kartoffeln geschält sind, geht’s zu Bett. In der Regel ist es dann 7 Uhr, manchmal auch noch etwas früher. Unterhaltung haben die Leute nicht. Zeitungen halten sich nur sehr wenige Tagelöhner und Bücher besitzt nun schon gar keiner. Der Hofgänger kann sich von seinem elenden Lohn erst recht keine Zeitung halten und selbst wenn sich mehrere zusammenthun wollten, so können sie auch nicht abonniren, denn sie haben kein Geld dazu. Die erste Zeit, mindestens ein Vierteljahr lang, erhält der Hofgänger überhaupt kein Geld. Die einzige literarische Unterhaltung, die man hat, wenn man es nicht vorzieht, sie ganz und gar links liegen zu lassen, ist das Mecklenburgische Sonntagsblatt und Bücher, welche der Prediger vom 24. Oktober bis Ostern für 20 Pfg. verleiht! Die Bücher sind vielleicht für Kinder ganz gut, aber für Jemand, der fromme Kinder-Geschichten nicht rührend findet, sind sie nichts.

Vor dem Zubettegehen erhielt ich ein reines Hemde, weil viele Hofgänger Ungeziefer mitbringen, sonst würden sie es gewiß auch noch nicht mal erhalten. Ich mußte es aber, trotzdem es wohl des Mannes ältestes und schlechtestes war, bei meinem Abgange theuer bezahlen. Dann wurde mir die Kammer gezeigt, in welcher mein Bett stand. Diese Kammer war sehr feucht, denn als ich eine Zeit lang etwas „Zeug“ dort hängen hatte, war dasselbe vollständig verstockt, so daß es beim Anziehen total entzwei ging. Das Bett war auch sehr dünn. Trotzdem schlief ich nach den überstandenen Strapazen sehr gut. Der folgende Tag war ein Sonntag, ich konnte mich also einen Tag ausruhen ehe es an die Arbeit ging. Als ich am Montag Morgen aufwachte, war es schon ziemlich hell. Ich zog mich flugs an, da es ziemlich kalt war. Wie ich in die Stube trat, bot sich mir ein eigenartiger Anblick. Die ganze Stube lag voll Reisig; mitten darin saßen der Tagelöhner und sein Schwiegervater, und banden aus dem Reisig Besen. Ich wünschte einen guten Morgen und ging sodann zur Küche, um mich zu waschen. In der Küche traf ich die Frau, die mir auch alles zum waschen Nöthige gab, nur fehlte die Seife. Auf meine Frage nach Seife, sah mich die Frau ganz erstaunt an und meinte dann: „Seip? ja de hebben wie allein nich! wenn du welk hebben wist, mußt Du Dir welk allein köpen! (Seife? ja, die haben wir selber nicht! wenn Du welche haben willst, mußt Du Dir welche allein kaufen.) Als ich nach einigen Augenblicken erst den Sinn recht verstand, mußte ich doch lachen. Unterdessen hatte die Frau nichts eiligeres zu thun, als ihren Mann und den nächsten Nachbarn zu erzählen, daß ich Seife verlangt hätte. „Dat is’n ganzen Fienen, der verlangt glieks Seip und hätt noch garnicks dhan“. Sie meinte damit, daß ich noch garnichts gearbeitet hätte.

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Zum Mittagessen gab es das mecklenburgische Nationalessen „tröch‘ Tüffel und Speck“ (trockene Kartoffeln). Das Kochrezept ist folgendes: „Man koche geschälte Kartoffeln bis sie gar sind, gieße sie ab und trage auf.“ Zu diesen Kartoffeln gab’s Speck. Mein Stückchen lag allein und wurde mir dasselbe gleich angewiesen. Ueber die Größe konnte ich mich nicht beklagen.

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Wie die Hofgänger behandelt werden.

Wir begrüßten uns und jeder hatte eine Frage auf dem Herzen, die ich nach besten Wissen beantwortete. Alle Hofgänger waren von Puhlmann, also entlassene Strafgefangene. Aber doch war niemand unter ihnen, den man wirklich als früheren Sträfling im gewöhnlichen Sinne dieses Wortes bezeichnen konnte. Die Ungunst der Zeit war es, die sie arbeits- und mittellos gemacht hatte. Entweder waren es Solche, die, um den nagenden Hunger zu stillen, gebettelt hatten und dabei erwischt worden, oder Solche, die von der „Palme“ „verschoben“ waren. Maurer, Maler, Glaser und überhaupt fast alle Handwerker waren vertreten, denn auf dem Gute waren 21 solche fremden Hofgänger; eingeborene waren vielleicht 6 und fast lauter Mädchen. Von den 21 Mann kamen 18 zu mir. Nachdem die erste Begrüßung vorüber, nahmen sie ohne alle Umstände Platz, wo es ihnen beliebte. Daran sind die Mecklenburger gewöhnt, machen sie es doch auch so. Der Tagelöhner und seine Frau saßen zwischen uns und hörten mit offenem Munde zu, was wir uns von Berlin erzählten.

Alle Hofgänger waren unverzagt und hofften, später wieder mal in ihrem Geschäft arbeiten zu können. Doch wie viele hatten sich getäuscht. In der Zeit, in der ich dort war, rückte über die Hälfte aus, einige, die sich nicht alles gefallen ließen, wurden fortgejagt. Nur einer blieb sein volles Jahr dort. Das Ausrücken hat seinen Grund darin, daß die meisten Hofgänger eben nicht als Menschen, sondern als Arbeitsthiere gehalten werden. Sie sind leicht zu ersetzen, liefert doch Puhlmann genug heran, wenigstens im Winter. Auch giebt es viele gewissenlose Leute die den Hofgänger nach Ablauf eines Viertel- oder Halbjahres dermaßen schlecht behandeln, daß es eben ein Ding der Unmöglichkeit ist, länger auszuhalten. Nur wer ganz entschieden ist, der setzt Grobheit gegen Grobheit, und es dauert nicht lange, so wird er fortgejagt. Er hat aber wenigstens einen Theil seines Lohnes gerettet, wenn es ihm auch so dünn wie möglich gemacht wird. Da geht ab das Reisegeld, Klebegeld und die Entschädigung für alle die Sachen, die der Hofgänger sich jemals geliehen hat, dafür wird ihm beinahe so viel abgezogen, daß er sie dafür neu bekäme. Denn der Tagelöhner sucht ja soviel Nutzen wie möglich aus seinem Hofgänger herauszuschlagen. Rückt ein Hofgänger aus, so behält der Tagelöhner das ganze dem Hofgänger zukommende Geld, welches sich dieser sehr sauer verdienen mußte. Und gerade bei den Leuten, die sich bei dem Inspektor oder Besitzer beliebt gemacht haben, hatten es die Hofgänger stets am schlechtesten. Viele von ihnen erzählten mir, daß sie Sonntags überhaupt kein Frühstück und Vesper erhielten. So mancher weinte, indem er mir seine Noth klagte. Fast alle „Ausgerückten“ mußten wieder Hofgänger-Stellen annehmen und geriethen dabei oft in noch schlechtere Hände oder gleich in die Gewalt eines Gensdarmen. Natürlich wurden sie dann wegen Arbeitsscheu gestraft, und waren sie schon einmal vorbestraft, so war es leicht möglich, daß sie ins Arbeitshaus kamen. Einige, die ich kenne, behaupteten, daß es im Arbeitshause immer noch besser wäre als Hofgänger zu spielen. Nur daß sie dann eben Sträflinge wären und keine Freiheit besäßen. Nun, was die Freiheit anbetrifft, so hat ein Hofgänger solche auch nur sehr wenig. Erst muß er auf oder für den Hof arbeiten und kommt er dann zum Tagelöhner nach Haus, so sind so vielerlei Dinge zu thun, daß man sich nach deren Erledigung gern zu Bett legt. Nur einige Wintermonate machen davon eine Ausnahme. Dafür muß man dann aber auch um so zeitiger zu Bette gehen. Wo sollte man sich auch aufhalten? Draußen ist es kalt und in der Stube kann man sich nicht aufhalten, folglich muß man zu Bett! Nur an diesem Sonntage blieben wir bis 10 Uhr Abends zusammen. Wir würden ja gern noch länger zusammen geblieben sein, wenn nicht die Leute soviel gestöhnt, es koste „zu viel Oel“.

Die Arbeit der Hofgänger.

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Endlich ertönte die Hofglocke, das Signal zum Kommen, und nun ging’s zur Arbeit. Ein Hofgänger, mit dem ich zusammen austragen mußte, fing, als er mich ansah, zu lachen an. „Menschenskind, hat denn Dein Oller keine Kniestiefeln, die er Dir borgen kann? Mit Deinen Schuhen kannst Du nichts werden lassen!“ Nun betrachtete ich ihn. Er hatte blauleinene Hosen an, welche in ein paar mächtigen Kniestiefeln staken. Wir hatten nicht lange Zeit, uns zu unterhalten, denn alles war schon nach dem Hof und wir mußten eilen, wollten wir nicht zu spät kommen. Als wir in den Kuhstall kamen, bot sich mir ein eigenartiger Anblick dar. An vierzehn, aus Stein und Zement gebauten Krippen standen immer 2 Reihen Kühe, jede Reihe zählte 15 Kühe. Im Ganzen waren es also über 200 Kühe und zirka 40-50 Kälber. Von allen diesen Kühen sollten wir nun, 6 Mann hoch, den Mist herausschleppen, und das Schönste ist, daß wir es am Vormittag schaffen sollten. Diejenigen, die es nicht schaffen, müssen am Nachmittag weiter tragen und erst wenn sie fertig sind, können sie nach Haus gehen, erhalten aber dafür nichts bezahlt. 20 Pf. erhält der Hofgänger nur von seinem Tagelöhner, aber was der Hof dem Tagelöhner bezahlt, wird abgezogen. Und dagegen ist der Hofgänger völlig machtlos. Wer etwas schwächlich gebaut ist, hat gerade genug daran zu thun, wenn er den Stall bis Mittag halb fertig hat. Kommen einmal statt der Hofgänger die Tagelöhner zum „Utmesten“, so arbeiten ebensoviele und sie arbeiten auch ebenso lange und doch steht der Lohn des Hofgängers in gar keinem Verhältniß zu dem der Tagelöhner. In der Regel wird alle Tage ausgemistet, außer Sonntags. Am Montag kommen dann zwei Hofgänger mehr zu dieser Arbeit als sonst. Aber trotzdem wird es noch ungerner gemacht als sonst. Wer solch einen Kuhstall nicht kennt, der weiß nicht, was dieses „Utmesten“ bedeutet. Selbst die Mecklenburger scheuen sich davor. Wie gesagt, ist es nach einem Feiertage am schlimmsten. Gleich wie wir anfingen, hatte ich meine Schuhe voll Jauche und was noch schlimmer: Hände, Gesicht und Kleider waren total bespritzt. Die Mecklenburger ziehen sich zu dieser Arbeit das älteste Zeug an. Aber wir? Wir mußten in dem Anzug arbeiten, den wir alle Tage anziehen. Oftmals glitschte man aus oder ließ die „Beere“ wegen ihrer Schwere fallen und stolperte nun darüber. Der Kuhdung läßt sich schwer hantiren und oftmals war die Beere so schwer, daß man sie kaum aufzuheben vermochte.

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Ueberhaupt haben es die Hofgänger durchgängig schwerer als die Tagelöhner, trotzdem diese wenigstens doppelt und bei der Dreschmaschine vierfach so viel verdienen als die Hofgänger. Die Tagelöhner erhalten beim Dreschen meistens den 20. Scheffel. Es giebt aber auch Güter, wo es nur den 25. Scheffel giebt.

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Ein Muster-Gutsbesitzer.

Dieser Herr hatte sich eine neue Dreschmaschine zugelegt. Dieselbe wurde von 8 Pferden in Bewegung gesetzt, während die frühere nur 4 Pferde erfordert hatte. Als nun die Leute etwas mehr verdienten wie bei der alten, setzte er gleich die Bezahlung vom 20. auf den 25. Scheffel. Ueberhaupt habe ich kaum Jemanden kennen gelernt, der seine Leute so auszunützen versteht und so geplagt hätte als eben dieser Herr Oberforstmeister. Und gerade auf diesem Gute sind die Leute so fromm und gottesfürchtig, daß der Herr Oberforstmeister seine wahre Freude daran haben muß. Auf vielen Gütern haben die Tagelöhner schon Manches von den Sozialdemokraten gehört und pflichten ihnen auch bei, nur wagen sie nicht, aus Furcht entlassen zu werden, es offen zu bekenne, aber gerade auf dem Gute dieses Oberforstmeisters wollen die Tagelöhner nichts von den Sozialdemokraten wissen. Wird doch auch seitens des Herrn Oberforstmeisters, des Predigers und des lieben mecklenburgischen Sonntagsblattes eifrig gegen die Sozialdemokratie gepredigt, daß man die Sozialdemokraten hassen und verabscheuen muß. Nach der Behauptung dieser Herren wollen die Sozialdemokraten den Tagelöhnern ihre sauer ersparten paar Pfennige nehmen, um sie an Nichtsthuer und Strolche zu vertheilen.

Von Kindheit auf wird ja der mecklenburgische Arbeiter in Unwissenheit groß gezogen und erhalten. In der Schule ist Religion die Hauptsache. Es giebt viele, sehr viele Arbeiter, die kaum lesen und rechnen können, aber fromme Gesänge und Sprüche und den ziemlich großen, mecklenburgischen Katechismus wissen sie auswendig. Ganze Bibelabschnitte können sie erzählen, da muß ja der Obrigkeit das Herz im Leibe lachen. Und vor dem Gensdarmen herrscht eine Furcht, die kaum glaublich ist. Der Gensdarm ist für die Landleute das Höchste.

Bei dieser Gelegenheit will ich gleich erzählen, wie in Mecklenburg noch vielfach zum Reichstag gewählt wird. Der Inspektor oder Besitzer läßt die wahlberechtigen Tagelöhner nach der Leutestube kommen. Hier hält der betreffende Herr eine kurze Rede und läßt dann Butterbrode und Branntwein vertheilen. Hierauf bekommt jeder seinen Zettel (natürlich steht der Name des Wahlkandidaten der Herrschaft drauf) und nun geht’s in des Inspektors Stube, wo der Rademacher und Statthalter als Beisitzer schon vor der Urne sitzen. Jeder steckt nun den eben erhaltenen Zettel in die Urne. Bei einigen, dem Inspektor nicht ganz sicher scheinenden Leuten wird auch wohl der Zettel geöffnet. Von Vielen habe ich gehört, daß solches Verfahren allgemein Sitte wäre.

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Vesper giebt es vom 24. Oktober bis Fastnacht nicht; es geht dann von Mittag bis Feierabend durch. Die Taglöhner nehmen sich zwar Brod mit, welches sie beim Gehen essen, auch die mecklenburgischen Hofgänger erhalten Vesperbrod mit, aber wohl selten erhält der fremde Hofgänger ein Stückchen. Kein Wunder, daß man bei der schweren Arbeit tüchtig hungert. Gegen ½ 6 war Feierabend und nun ging es nach Hause. Kurz nachdem wir zu Hause waren, gab es die vom Mittag übrig gebliebenen „tröch Tüffel“, aber ohne Speck. Hunger läßt sie aber gut schmecken. Ja, ich hatte noch Hunger, als die Kartoffeln alle waren. Nach dem Essen schälten wir wieder Kartoffeln, um dann in’s Bett zu gehen. Ausmisten wechselte mit Dreschen ab und so ging es alle Tage, bis der Schnee schmolz und die Erde auftaute, so daß jetzt das Feld zum Sommergetreide bestellt werden konnte.

Frühjahrsarbeiten.

Das Arbeiten mit den Pferden ist die beste Beschäftigung von allen. Man erhält auch für jeden Tag, an welchem man pflügt oder eggt, 10 Pf. extra. Und dann braucht man sich nicht anzustrengen. Aber meistens werden die Einheimischen vorgezogen, selbst die Mädchen müssen mit Pferden arbeiten, was sie auch ganz gerne thun. Ueberhaupt erhalten die Mecklenburger bei jeder Arbeit den Vorzug. Nur bei einer Art von Eggen kommen fast ausschließlich fremde Hofgänger zur Verwendung, es ist dies das sogenannte „Schotten“. Hierbei wird ein Strich im schnellen Schritt und der andere im Trab übereggt. Es giebt Güter, wo sich die, die eggen müssen, auf die Pferde setzen. Aber vielen Gutsbesitzern thun die Pferde leid, folglich müssen die Leute rennen. Ein Vorknecht ist dabei, er sitzt aber auf dem Pferde, die anderen sind alles „Utlänner“, und die können ja laufen, sollten sie auch schließlich niedersinken. Der Inspektor reitet zu Pferde nebenbei und treibt an. Da meist immer 4 bis 5 Mann eggen, so kommt es auch vor, daß man mitunter mit der Reitpeitsche eins übergezogen bekommt, daß es einem ganz anders zu Muthe wird. Eine leichte Arbeit ist das nicht. Die Pferde wirbeln Staub auf, daß man kaum zu sehen vermag, und oft versinkt man bis über die Knöchel im Staub; der Schweiß tropft nur immer so von der Stirn herab und das Hemd klebt fest am Leibe. Wenn es Mittag ist, so sieht man aus, als hätte man sich im Sande gewälzt. Ist mal aus Versehen ein mecklenburgischer Hofgänger dazu bestellt, so sagen die Weiber: „Min Jung hält dat nicht ut; der kann dat nich maken, kriegt hei kein anner Arbeit, so blivt hei hüt tu Hus!“

Der fremde Hofgänger darf aber nicht zu Hause bleiben, der muß arbeiten und sollte er umfallen, der kann zur Noth gehen, es giebt mehr von dieser Sorte, aber mecklenburgische Hofgänger sind knapp.

Die Tage werden immer länger und nun wird schon bis 8 Uhr gearbeitet; und wenn es mal ein bischen später wird, schadet es nichts. Die Arbeit wird mittlerweile immer schwerer, bis sie in der Erntezeit ihren Höhepunkt erreicht. Schon bei der Heuernte ist dieses der Fall. Ist auch das Heuen nicht gerade so schwer, so wird aber dabei schon ziemlich lange gearbeitet, zumal wenn eine Wiese fertig geheut werden soll. In der Regel besorgen das Heuen die Hofgänger und die Frauen. Die Männer, genannt „Manns“, mähen derweilen. Bei diesen Hofgängern ist ein Mann, welcher dieselben beaufsichtigt und den hochtönenden Namen „Statthalter“ führt. Diese sind sich ihrer hohen Würde auch wohl bewußt, sie haben aber solch eine Angst vor dem Inspektor, daß sie es kaum wagen, mit den Hofgängern pünktlich nach Hause zu kommen. Meist wird Mittags eine viertel Stunde über die Zeit und Abends noch länger gearbeitet. Hat ein mecklenburgischer Knecht einmal eine Stelle als Statthalter, so hält er sie auch fest, da es ihm nicht so leicht sein würde, eine zweite Stelle zu bekommen.

Wenn das Heu genügend trocken ist, wird es aufgeladen und eingefahren. Mitunter luden wir Abends um 9 Uhr noch auf einer ¾ Stunde von Hause entfernten Wiese, so daß wir oft genug erst gegen 10 Uhr nach Hause kamen. Hatte man dann gegessen, so war man in der Regel froh, daß man schlafen gehen konnte.

Als ich das erstemal auf der Wiese war und die Wagen laden mußte, spürte ich beim Einfahren noch nichts von zu schwerer Arbeit; erst als ich zum Abladen in die Scheune kam, spürte ich die Schwere der Arbeit. Das Heu war vorn stufenweise aufgesteckt und jede dieser Stufen heißt „Fuß“. Auf diesen Füßen standen abwechselnd je zwei Tagelöhner und zwei Hofgänger. Eigentlich sollten ein Tagelöhner und ein Hofgänger immer auf einem Fuß stehen, aber da es sich wohl besser erzählt, so haben die Manns sich zusammengestellt, auch brauchen sie dann nicht so viel zu arbeiten, da sie doch gewandter in dieser Arbeit sind als die Hofgänger. Draußen war es ziemlich heiß und in der Scheune herrschte solch drückende Hitze, daß wir schon beim Stillstehen schwitzten, trotzdem wir nur mit Hose und Hemd bekleidet waren. Bis zur Frühstückszeit war es aber immer noch einigermaßen erträglich, aber als die Sonne immer höher stieg, wurde es immer schlimmer. Wagen auf Wagen wurde abgeladen, fortwährend blieben wir in Bewegung, es blieb nicht so viel Zeit, um einmal den Schweiß abzutrocknen. Immer mußten wir die Forken mit Heu emporheben. Wehe uns, wenn wir nicht zeitig genug das heraufgegebene Heu festhielten oder nicht hoch genug langten, so daß die über uns stehenden Manns es nicht zu fassen vermochten und es wieder fallen ließen. Wir waren direkt gefangen. Von oben herab schlugen sie mit Forken und von unten herauf stachen sie mit Forken. Die anderen Hofgänger konnten uns nicht zu Hilfe eilen und wir ihnen nicht, denn die Tagelöhner ließen uns nicht vorbei. Beklagen bei dem Inspektor hilft auch nicht, da die Tagelöhner einfach sagen, sie hätten uns nicht geschlagen und übrigens wären wir faul gewesen.

Am schlimmsten war es nach 8 Uhr Abends. Bei jedem Wagen, der abgeladen ist, denkt man, nun ist Feierabend. Aber immer wieder rollt ein Wagen heran. Die Kniee zittern förmlich, der Schweiß tropft schwer ins Heu. Durst peinigt uns schrecklich. Das, was jeder zu trinken mitbekommt, ist schon zur Vesperzeit alle und man kann auch nicht mal herunter, um nur Wasser zu trinken. Der Heusamen ist uns beim Emporheben in den Nacken gefallen und verursacht auf der schweißigen Haut fortwährendes Jucken und Brennen. Die mecklenburgischen Hofgänger sind, sofern sie nicht auf der Wiese laden, schlau genug gewesen, ganz oben hinauf zu steigen, wo sie das Heu nur weiterzustoßen brauchen, und sie stehen auch so dicht zusammen, daß sie es bequem machen können. Als wir das merkten, kletterten wir am andern Tage ebenfalls nach oben, wurden aber von den Tagelöhnern heruntergeholt. Am ersten Tage war es bei der Arbeit so dunkel geworden, daß keiner den andern mehr sehen konnte, trotzdem sollten wir noch oben bleiben, aber es fiel soviel Heu herunter, daß der Inspektor endlich einsah, daß es nicht ginge.

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Getreideernte. – Ein zweiter Aufruhr. – Die Arbeitermarseillaise ein unpäßliches Lied.

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So geht’s tage-, ja wochenlang und noch schlimmer wird es bei der Getreide-Ernte. Die „Manns“ gehen voran und mähen, der Hofgänger muß hinter seinem Tagelöhner das abgemähte Getreide sofort aufbinden. Da auf vielen Gütern die Tagelöhner in Akkord mähen, so muß der Hofgänger binden, was er nur binden kann. Die ganzen Hände hat man voller Disteln, so daß man nur mit äußerstem Schmerzgefühl etwas anfassen kann; in der Regel schwären die Hände auch noch aus, trotzdem muß man so zur Arbeit. „Wir hebben dat früher auch hat!“ sagen die Tagelöhner und es bleibt nichts anderes übrig, als mit zu gehen und den Schmerz zu verbeißen.

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Poesie und Prosa in der Landwirthschaft.

So poetisch, wie die Landwirthschaft in Gedichten geschildert wird, erschien sie uns gar nicht. Wie oft haben wir Pfützenwasser aus den Gräben getrunken! Von dem vielen Bücken unter glühenden Sonnenstrahlen hatten wir oftmals solche Kopfschmerzen, daß wir glaubten, der Kopf springe entzwei. War das Binden des Getreides schon keine leichte Arbeit, das Einfahren war noch mühevoller und sogar womöglich noch schlimmer als das Heueinfahren. Hier mußte jeder seine ziemlich schwere Garbe allein weiter geben. Es gehört immerhin Uebung dazu, wenn man die Garben so schnell weiter geben will, wie man sie zugereicht erhält. Am schlimmsten war es bei der Gerste; da kamen einem die Acheln überall hin: in die Strümpfe, in die Hosen, in den Hals, kurz, man konnte sich davor nicht wehren.

Einiges Getreide wurde auch gleich auf freien Felde gedroschen. Da es in der schwersten Arbeitszeit war, mußten die Frauen der Tagelöhner helfen. Um nun so wenig wie möglich Frauen zu nehmen, mußten die Hofgänger die schwersten Posten ausfüllen und für Zwei arbeiten. Der schlimmste Posten war am Stroh-Elevator, genannt „Stoaker“. Hier mußte ein Hofgänger stehen und das wegbesorgen, was zwei Mann mit aller Gewalt in die Maschine hinein bekommen konnten. Dieses war wohl überhaupt die schwerste Arbeit, die ich gemacht hatte, noch dazu, wenn die Sonne heiß vom Himmel brannte.

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Mecklenburgische Landschulbildung.

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Wir Hofgänger sollten im Accord Kartoffeln buddeln, konnten aber nicht erfahren, wie viel wir für den Scheffel bekämen. Der Statthalter theilte uns mit, daß der Inspektor gesagt hätte, wir sollten soviel erhalten, daß wir täglich 1,50 Mk. verdienten. Nun wußten wir nicht, ob wir diesen Lohnsatz bekämen, gleichgiltig ob wir 1 Scheffel oder 10 Scheffel buddelten. Nachdem wir 8 Tage gebuddelt hatten, erhielten wir erst Bescheid, wieviel wir bekämen. Offenbar wollten sie erst sehen, was wir zu leisten im Stande wären.

Wir erhielten für jeden Korb eine kleine, und für 8 kleine eine große Marke. Abends wurde von jedem die Markenzahl notirt. Nun passirte es Einem eines Abends, daß er sagte: 6x8=72 und zählte dann noch 3 kleine Marken zu, so daß er im ganzen 75 Körbe aufgeschrieben erhielt. In Wirklichkeit hatte er aber nur 51, erhielt also 24 Körbe mehr. Er erzählte dieses seinen Kameraden, was zur Folge hatte, daß auch Andere solche Rechenkunststückchen öfters probirten. Und sie gelangen. Ich hatte Mühe, mich zurückzuhalten, wenn ich sah, mit welcher Unverfrorenheit da Dinge angegeben wurden, welche bei uns zu Hause kein Kind durchgehen lassen würde. 5x8=90, gab hier einer an. Ein anderer sagte aber nun 6x8=82, und das wurde nun alles so notirt; als die Kartoffeln aus der Erde waren, erhielten sie es auch ausgezahlt. Wie staunten da die Mecklenburger, daß wir soviel gebuddelt hätten, wogegen ihre Kinder kaum die Hälfte hatten. Daß die Hofgänger Unrecht gethan haben, entschuldigten sie damit, daß auch ihnen gegenüber so oft Unrecht geschah, sie sagten sich: Wir haben uns nur mit List genommen, was uns von Rechtswegen zukam.

Herbst- und Winterarbeiten. Erntefest.

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Wenn nun alles vom Felde eingebracht ist, so wird bei Tanzmusik, Braunbier und mit Wasser verdünntem Korn das Erntefest, genannt Auskost, gefeiert. Auch Zigarren giebt es bei dieser Gelegenheit, diese werden aber nach Rang vertheilt. Die Tagelöhner und Knechte erhalten je 4 Zigarren, die Hofgänger als letzte im Range nur 2. Also nicht mal bei dieser Gelegenheit ist der Hofgänger gleichberechtigt. Getanzt wird entweder in der Scheune, auf dem Kornboden oder im Milchkeller. Das Fest beginnt gegen 3 Uhr Nachmittags, um 5 Uhr sind die Knechte meist schon betrunken, juchzen und schlagen mit den Beinen aus wie die Pferde. Morgens gegen 2 oder 3 Uhr hat das Fest sein Ende. Auf manchen Gütern giebt es im Jahre viermal, auf manchen nur einmal Tanzmusik: es könnte am Ende zu viel kosten und der Arbeiter zu genußsüchtig werden.

Gleich nach Neujahr giebt es 2-3 große Fuder Holz, das gesägt und gespalten werden muß. Da stehen wir nach Feierabend bei Lampen- oder Mondenschein und sägen, daß es eine Art hat. Sonntags wird es gespalten. Ist diese Arbeit gethan, bei welcher verschiedene Wochen draufgehen, so wird angefangen, Dung nach dem Garten zu karren. Mitunter ist der Garten über eine Viertelstunde vom Hause entfernt. Darüber gehen auch einige Wochen hin. Dann beginnt das Umgraben des Gartens, das Kartoffelpflanzen, Unkrauthacken und so weiter. Ist man nicht auf dem Gutshof beschäftigt, so hat man für seinen Taglöhner zu arbeiten, Tag für Tag. Nur wenige Sonntage im Jahre giebt es, an denen man von Arbeit frei ist und auch dann sind es nur wenige Stunden.

Hofgängers Weihnacht.

Der Winter war ins Land gekommen und mit ihm die Weihnachtszeit. Am 24. Dezember ist in der Regel, unter Ausfall der Mittagspause um 2 Uhr Feierabend. Nach dem Essen und nach allerlei Zurüstungen zu dem Fest geht’s an die Ausschmückung des Weihnachtsbaumes, eines ungefähr ½ Meter hohen Tannenbaums. Einige Aepfel, Nüsse, etwas Backwerk und 3-4 Lichter machen den ganzen Putz aus. Die Geschenke für die Kinder, bestehend aus bunten Tüchern und sonst nützlichen Kleinigkeiten, werden zwischen die Zweige gelegt und dann das Ganze mitten in der Stube an einen, in der Decke befindlichen Haken gehängt. Die Kinder kennen die Geschenke zur Genüge und freuen sich auch daher nicht besonders darüber. Um 5 Uhr fängt der Gottesdienst in der benachbarten Kirche an und dahin strömt alles, was noch laufen kann. Sogar uns wurde angeboten, mitzukommen, wir lehnten aber dankend ab. Wir heizten uns unterdessen das Schnitterhaus und feierten unsere Weihnachten. Kommen die Leute aus der Kirche zurück, so wird Abendbrot gegessen. Zur Feier des Tages kalte Küche, das erste Mal in dem ganzen Jahre. Kurz vorher ist ein Schwein geschlachtet worden, und kann daher heute Jeder in gekochtem Schinken, Speck und dergleichen schwelgen. Einige Nachbarn finden sich zusammen und nun wird von den Swinen oder Kühen geredet, bis vom Hof die Knechte kommen. Einer von ihnen ist als Schimmel verkleidet und nun werden Zoten gemacht. Die Kinder heulen und schreien und die Alten lachen. Dann holt der Hausherr die Branntweinflasche, aus der jeder einen kräftigen Hieb holt. „Drink man Otto! Hüt is Wihnacht! Holl tüchtig en rut!“ Das war meine ganze Weihnachtsbescherung, von einigen wenigen Aepfeln abgesehen. Der heimische Hofgänger erhält, auch wenn er nicht bei den Eltern ist, einen Thaler, aber wir Fremden sind Kroppzeug, wir würden den Thaler doch blos ausgeben. Und doch glaubten wir vom Tagelöhner wenigstens etwas verdient zu haben, hatten wir doch das ganze Jahr hindurch für ihn gearbeitet.

Der Lohn des Hofgängers.

Was erhält nun der Hofgänger für all‘ solche Arbeit am Schlusse des Jahres wirklich an Lohn? Als ich abging, erhielt ich 16,32 Mk. ausgezahlt. Das Uebrige war abgerechnet worden für Auslagen, bzw. Sachen, die schon längst wieder zerrissen waren. Nichts von alledem konnte ich mitnehmen, außer 2 alten Hemden und 2 Paar alte Strümpfe!

Was sollte ich beginnen? Ich mußte wieder als Hofgänger gehen, denn mit dem, was ich jetzt erworben hatte, stand ich auf demselben Standpunkt wie früher. Und wie vielen Hofgängern geht’s noch schlechter, die überhaupt nur einige Pfennige ausbezahlt erhalten.

Sechzehn Mark und zweiunddreißig Pfennige! Das war also der Lohn für so lange und so mühevolle Arbeit! Im Arbeitshause hätte ich ebensoviel verdient, hätte nicht so angestrengt arbeiten müssen und wäre – weniger verachtet gewesen denn hier, als „freier“ Mann bei ehrlicher Arbeit.

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Quelle: Hofgängerleben in Mecklenburg. Selbsterlebtes und Selbsterschautes von einem Berliner Arbeitslosen, mit einem Vorwort von A. Bebel. Berlin: Vorwärts Verlag 1896, S. 14–24, 26–29, 31–35. Online verfügbar unter: http://purl.uni-rostock.de/rosdok/ppn769915744

Vernon Lidtke, The Alternative Culture: Socialist Labor in Imperial Germany. New York und Oxford: Oxford University Press, 1985.

Franz Rehbein, „Landarbeiter“ (ca. 1890), in German History in Documents and Images, https://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=1750&language=german (letzter Zugriff 29. April 2021)

Hofgängerleben in Mecklenburg (1896), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-232> [05.12.2024].