Gustav Hochstetter übersetzt „Dichter und Denker“ in „Richter und Henker“ (1914)

Kurzbeschreibung

Gustav Hochstetter (1873–1944) war Redakteur der Lustigen Blätter und mobilisierte für den Ersten Weltkrieg. In diesem Gedicht vom Herbst 1914 pries er die „Dichter und Denker“ als „Richter und Henker“. Die Sammlung Wir sind wir bot mit deutschen Helden wie Goethe, Moltke, Bismarck oder Wagner allen kämpfenden deutschen Soldaten eine symbolisch hoch besetzte Ahnengalerie an. Hochstetter selbst wurde wegen seiner jüdischen Herkunft 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er 1944 starb.

Quelle

Das Volk der Dichter und der Denker.

Wir sind das Volk der Dichter und der Denker?
Wohl wahr! Doch auch ein andres Wort ist wahr:
Wir sind das Volk der tapfren Schlachtenlenker,
Der kühnsten, die das Weltall je gebar.

Wir sind das Volk der Denker und der Dichter?
Wir waren es. So lang uns Friede blieb.
Wir sind das Volk der Wächter, der Vernichter,
Das sich die Wege bahnt mit grimmem Hieb.

Was sich in langen vierundvierzig Jahren
Des Generalstabs „Dichter“ ausgedacht –
Das sollen unsre Feinde nun erfahren,
Da reimt sich „Tag“ auf „Schlag“ – und „Schlacht“ auf „Pracht“!

Und wir, das Volk der Dichter und der Denker,
Wir schreiben’s hin, mit starker, fester Hand:
Wir sind das Heldenvolk der Schlachtenlenker,
Das nur ein Höchstes kennt: ein Vaterland!

Die Denkerfäuste schultern die Gewehre,
Das Dichterauge zielt mit sichrem Blick,
Es leuchtet hell – so wie Alldeutschlands Ehre,
Und der Poet schafft so sein Meisterstück . . .

Wir Dichter wissen’s vor den andern allen,
Daß jedes Schicksal sich erfüllen muß:
Der Feind ist reif. Was reif ist, das muß fallen.
Das ist des großen Dramas rechter Schluß.

Wir sind das Volk der Dichter und der Denker;
Ja, Freunde, alles wo es hingehört:
Wir sind das Volk der Richter und der Henker
Für jeden Schurken, der den Frieden stört.

Quelle: Gustav Hochstetter, Wir sind wir. Ernstes und Frohes aus der Weltkriegszeit. Berlin: Concordia Deutsche Verlags-Anstalt, G.m.b.H, 1914, S. 15–16.

Martina Kessel, Gewalt und Gelächter. „Deutschsein“ 1914–1945. Stuttgart: Steiner, 2019.

Gustav Hochstetter übersetzt „Dichter und Denker“ in „Richter und Henker“ (1914), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-236> [05.12.2024].