Eine Rangliste deutscher Künstler: Joachim von Sandrart, Teutsche Akademie (1675)

Kurzbeschreibung

Das dreiteilige Werk Teutsche Akademie von Joachim von Sandrart war die erste enzyklopädische Kunstgeschichte in deutscher Sprache. Sie konzentrierte sich auf die deutsche Kunst und war somit grundlegend für den Kanon der deutschen Meister. Sandrart (1606–1688) hatte enge Verbindungen zu vielen europäischen Adelshöfen und wurde 1676 Mitglied der bedeutenden Fruchtbringenden Gesellschaft. Die 1617 von Herzog Ludwig von Anhalt-Köthen nach dem Vorbild der Accademia della Crusca in Florenz gegründete Fruchtbringende Gesellschaft war maßgeblich an der Herausgabe der Teutschen Akademie beteiligt. Dieses deutsche Schlüsselwerk, das eine Reihe von aus anderen Sprachen, insbesondere aus dem Niederländischen, Französischen und Italienischen, übersetzter Fachliteratur enthält, ist von gesamteuropäischen Aspekten durchzogen. Nach dem Vorbild von Vasaris Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten (1550) zeigt die Teutsche Akademie, wie die Deutschen versuchten, ihre eigene künstlerische Legitimität zu begründen, indem sie sich in eine „italienische“ Tradition einordneten. Die Aufnahme Dürers in die Biografien veranschaulicht sein Ansehen unter den deutschen Künstlern eineinhalb Jahrhunderte nach seinem Tod. Der vorgestellte Auszug deutet darauf hin, dass Sandrart, wie viele andere auch, Dürer als den Inbegriff der deutschen Druckkunst betrachtete.

Quelle

Das XVI Capitel.
Von Der Chineser Mahlerey/ dem Form oder in Holz-Schneiden / und der schwarzen Kunst in Kupfer.

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Bevor wir unsern Discurs beschließen/ ist noch etwas weniges zu sagen/ von dem Form- und in Holz-Schneiden: welche schöne Wissenschaft/ besonderlich in den Druck-Büchern/ mit den Anfangs-Buchstaben große Zier gibet. Diese Kunst-Arbeit beschihet auf Birnbäumen-hölzernen Stöcken/ erstlich mit der Feder/ durch einen guten Zeichner/ und alsdann vom Formschneider: welcher mit subtilen Instrumenten/ aus dem Stock alles Nebenholz herausschneidet/ also daß/ bloß der Handriß und was gezeichnet worden/ erhoben und übrig bleibet. Hierauf wird/ dieser geschnittene Stock/ in die Druck-Form an die Buchstaben gesetzet/ und also/ in die Rame eingeschraubt/ durch die Preße auf das Papier mit aufgedrucket. Die Ehre der Erfindung dieser schönen Kunst/ haben unsere Teutschen: aus welcher folgends das Buchdrucken entstanden/ und A. 1440 zu Straßburg und Mainz seinen anfang genommen. Maßen/ wie bekant/ ehe man die Buchstaben gießen gelernet/ eine ganze Schrifft-Form auf Holz geschrieben/ hernach ausgegraben/ und folgends abgedruckt worden: wie noch in den allerersten Büchern/ als dem Belials-Process A. 1487, der Nürnbergischen Reformation A. 1488 und mehr andern/ zu ersehen ist.

Solche Holzschnitte waren bey den alten Teutschen/ als ersten Erfindern/ in großen Würden: denen nachmals in den Niderlanden/ der Schwarze Jan aus Frießland/ Lucas von Leyden in Holland/ und endlich auch in Italien Marco Antonio und Hugo da Carpi, nachgefolget. Unter den Teutschen/ hat der arbeitsame Dürer selbst etliche Stöcke geschnitten. Ihm folgte Tobias Stimmer/ und demselben sein Bruder Christoph Stimmer/ ein vortrefflicher Formschneider. Also waren/ nicht allein zu Nürnberg/ sondern auch zu Augsburg/ Basel und Straßburg/ viel gute Meister dieser schönen Wissenschaft: wie in Dürers/ Grünwalds und Pirkheimers auch Holbeins Schriften und Werken ruhmwürdig zu ersehen. Ich hätte gern derer Meistere allhier mit Lob erwehnen wollen/ welche die ausbündige und fürtreffliche Holzschnitte und Figuren in den Schriften Petrarchae Anno 1551, auch Ciceronis A. 1540 gedruckt/ des zu Nürnberg edirten Kirchen-Calenders/ auch in nähern Zeiten vieler Teutsch- und Lateinischen Bibeln/ Operum Homeri, Virgilii und Ovidii, verfärtigt: habe aber ihre Namen nirgends finden noch erfragen können.

Die also genannte Schwarze Kunst in Kupfer zu arbeiten/ deren hierbey auch billig zu erwehnen/ ist eine Kunst/ vermittels scharffer spitziger Instrumente von Stahl und Eisen/ auf den gepallirten Kupfern zu fahren/ reiben/ drucken und rollen: da dann/ durch die Härte des Zeugs/ ein Bild oder Figur in das linde Kupfer hinein geritzet wird. Diese Arbeit/ gibt etwan 50 oder 60 saubere Abdrücke/ hernach aber schleift es sich bald ab/ weil es nicht tieff ins Kupfer gehet. Sie wird für keine große Kunst gehalten/ und ist nur eine zierliche Ubung. Die ganze Arbeit bestehet allein in der Zeichnung: wer diese in Hand und Verstand hat/ deme sind diese und andere dergleichen Wissenschaften/ nur ein Spiel.

Der erste Erfinder dieser Kunst ware Anno 1648, nach beschlossenem Teutschen Krieg/ ein Hessischer Obrist-Leutenant/ Namens von Siegen: welcher auf solche weise Ihro Durchl. der regirenden Frau Wittib von Hessen-Cassel Contrafät in halb Lebens-Größe/ wie auch den Prinzen von Oranien/ gebildet. Nach solchem haben Ihr. Durchl. Prinz Robert, Pfalzgraf bey Rhein/ als die in der Zeichen- und Mahlerey Kunst perfect erfahren/ diese Wissenschaft herrlich und zu solcher Vollkommenheit erhoben/ daß darinn ein mehrers nicht zu erfinden ist: wie unterschiedliche Werke von deren fürtrefflicher Hand/ als eine Magdalena/ etliche Contrafäte/ ein sich umsehender Soldat mit seinem glänzenden Harnisch/ Schild und Spieß/ alles unverbesserlich/ vorzeigen. Hiernächst hat W. Vaillant, als ein guter erfahrner Mahler/ in der Zeichnung meisterhaft beschlagen/ diese Manier fortgesetzt/ und eine Menge herrlicher Werke davon in Kupfer zu bringen angefangen/ diezu erzehlen gar zulang fallen würde: welcher durch continuirliche Ubung und Fleiß hierinn fast wunder thut. Es ist aber diese Art den zierlichen Schraffirungen und andern Mühsamkeiten/ die zum Kupferstechen erfordert werden/ nicht untergeben/ sondern wann der Umriß/ neben dem Schatten und Liecht/ accurat ist/ die Schraffirung/ Striche oder Tüpfel mögen gehen wie sie wollen/ so ist der qualitet dadurch nichts benommen. Sonsten gibet diese Arbeit an die Hand/ eine überaus große lieblich Natürlichkeit/ Kräfte des Liechts und Schattens/ dermaßen hoch und angenehm in allen Theilen/ besonderlich in den Bildern/ daß dergleichen/ weder mit dem Grabstichel/ noch durch Aetzen/ im Kupfer zu erhalten ist.

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Quelle: Joachim von Sandrart, Teutsche Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste. Nürnberg 1675 / 1679 / 1680. Wissenschaftlich kommentierte Online-Edition, herausgegeben von Thomas Kirchner, Alessandro Nova, Carsten Blüm, Anna Schreurs und Thorsten Wübbena, 2008–2012, S. 101. Online verfügbar unter: http://ta.sandrart.net/en/facs/191

Babette Bohn und James M. Saslow, Hrsg., A Companion to Renaissance and Baroque Art. Chichester: Wiley-Blackwell, 2013

Susie Nash, Northern Renaissance Art. Oxford und New York: Oxford University Press, 2008.

Sandrart.net: A Net-based Research Platform on the History of Art and Culture in the 17th Century, http://sandrart.net/en/ (letzter Zugriff 11. November 2021)

Larry Silver und Jeffrey Chipps Smith, Hrsg., The Essential Dürer. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2010.

Eine Rangliste deutscher Künstler: Joachim von Sandrart, Teutsche Akademie (1675), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-266> [06.12.2024].