Joachim Heinrich Campe über die Verdeutschungen von Fremdwörtern (1801, 1813)

Kurzbeschreibung

Joachim Heinrich Campe (1746–1818) war Pädagoge, Sprachforscher und Verleger, der unter anderem mehrere Wörterbücher herausgab. Er sah in diesen Werken ein zeitgemäßes Instrument der „Volksbildung“. Er konzentrierte sich dabei auf die „Reinigung“ der deutschen Sprache von Fremdwörtern und französischen Einflüssen. Ein von ihm 1801 herausgegebenes Wörterbuch beschäftigt sich ausschließlich mit der Verdeutschung fremder Ausdrücke und Wörter: So wird beispielsweise aus „Karikatur“ ein „Zerrbild“, aus „Katholik“ wird „Zwanggläubiger“, „Protestanten“ werden bei ihm hingegen mit „Freigläubigen“ übersetzt. Aber auch für so alltägliche Wörter wie „Friseur“ findet Campe eine „deutsche“ Entsprechung, nämlich den „Haarkräusler“. Die folgenden Auszüge stammen aus einer erweiterten Ausgabe des Campe-Wörterbuchs von 1813.

Quelle

Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Wörter

Vorrede zur ersten Ausgabe

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Das Wort Vollständigkeit soll hier keinesweges in seiner strengen und unbedingten Bedeutung genommen, sondern – wie es für Jeden, der von Arbeiten dieser Art einen Begriff hat, sich schon von selbst versteht – nur dahin gedeutet werden, daß der Verfasser Alles gethan und geleistet zu haben glaubt, was von Eines fleißigen Mannes unverdrossener Thätigkeit billiger Weise nur immer gefodert werden kann, um diese Sammlung so vollständig als möglich zu machen. Ich habe zu diesem Behuf nicht nur seit zwölf Jahren Alles, was mir von fremden und fremdartigen Wörtern in Gesprächen und in Schriften, so wie auch beim eigenen Herumschweifen meiner Gedanken in den weiten Gebieten unserer Kenntnisse und Sprache verkam, sorgfältig aufgezeichnet; sondern auch noch zuletzt, da meine Sammlung schon weit über die Vollständigkeit ähnlicher Werke angewachsen war, die langweilige und beschwerliche Mühe nicht gescheut, sowol alle mir bekanntgewordene ähnliche Sammlungen fremder Wörter, als auch das ganze Adelungsche Wörterbuch, Jakobson’s technologisches Wörterbuch, Sulzer’s allgemeine Theorie der schönen Künste in alphabetischer Ordnung, Heynak’ens Antibarbarus u.s.w., zuletzt sogar auch noch Delavaux Französisches und Hederich’s Lateinisches Wörterbuch, sammt dem von Catel mit Verdeutschungen versehenen Wörterbuche der Französischen Akademie, so weit dasselbe schon abgedruckt war, Blatt für Blatt in der Absicht durchzugehn, alle mir etwa noch entgangene fremde Wörter, welche als Deutsche gebraucht zu werden pflegen, daraus zu schöpfen und einzutragen. Nach Vollendung aller dieser mühsäligen Arbeiten, fand ich, nun schon seit mehr als Einem Jahre, meine Arbeit zu einem solchen Grade der Vollständigkeit gediehen, daß mir sowol bei mündlichen Unterhaltungen mit Andern, als auch beim Lesen solcher Schriften, in welchen es von fremden Ausdrücken wimmelt, nur noch selten Wörter auffließen, die in meiner Sammlung nicht schon enthalten waren. Darauf gründet sich meine Meinung von der Vollständigkeit dieses Werkes[1].

Was nun aber die, den fremden Wörtern beigefügten Verdeutschungen betrifft, so habe ich zwar bei jedem neugebildeten Worte, so oft ich konnte, abermahls bestimmt und deutlich angegeben, ob es von mir selbst, oder von einem Andern herrührt; aber das wird, ich sehe es vorher, auch dismahl, wie bei meinen frühern Versuchen, nicht hindern, daß sich Leute finden werden, die, ohne dieses Werk jemahls selbst anzusehen, alle darin enthaltene, entweder wirklich neue, oder ihnen nur noch nicht bekannte und daher neuscheinende Ausdrücke, auf bloßes Hörensagen hin, meiner eigenen Erfindung zuschreiben werden. Ich kann hiebei weiter nichts thun, als bedauern, daß man mir dadurch in einer Rücksicht zu viel, in einer andern zu wenig Ehre erzeigt; zu viel, weil bei weitem der größte Theil jener Wörter nicht von mir, sondern von Andern, mitunter von den ersten Männern Deutschlandes, herrührt; zu wenig, weil man dabei Etwas übersieht, was billigere Zeitgenossen und eine dankbarere Nachkommenschaft mir vielleicht zu einigem Verdienste anrechnen werden, ich meine die große vieljährige Mühe, die ich mir gegeben habe, unsere vorzüglichsten alten und neuen Schriften, besonders solche, welche von Adelung unbenützt geblieben waren, in der Absicht durchzulesen, um Wörter aus ihnen herzorzusuchen, welche dazu dienen können, unsere arme gemißhandelte Sprache von dem ihr angezwungenen fremden Lappenwerke, worin sie – die reichste unter allen ihren Schwerstern – als eine armselige Bettlerinn erscheint, zu befreien, und sie dadurch nach und nach wieder in ihrer ursprünglichen Reinheit und anständigen Wohlhabenheit hervortreten zu lassen. – Bei Wörtern, von welchen es mir zweifelhaft blieb, ob sie von mir selbst oder von einem Andern gebildet wären, habe ich natürlicher Weise auch keinen Urheber angeben können.

Daß die Nachlese zu Adelung’s Wörterbuche, die ich in diesem Werke vollbracht habe, gar nicht unbeträchtlich sei, sondern mich vielmehr vollkommen berechtigte, meinem Werke auch in dieser Hinsicht den Titel eines Ergänzungsbandes zu jenem Wörterbuche zu geben, davon wird man sich durch das am Ende beigefügte Wortverzeichniß, und durch den Anblick der vielen Anführungen von Schriftstellernamen und Schriften, die Ad. entweder nicht kannte oder – gar verschmähte, leicht überzeugen können. Ich bin stolz darauf, hier so manchem, um die Bereicherung und Ausbildung unserer Sprache wohlverdienten Schriftsteller diejenige Gerechtigkeit erwiesen zu haben, welche das Adelungsche Wörterbuch ihm versagt hatte; und ich würde es daher eher für eine Schmählerung, als für eine Vergrößerung meines eigenen etwanigen Verdienstes halten, wenn man sich abermahls die Ungerechtigkeit erlauben sollte, das Verdienst dieser Männer, aus ungroßmüthiger Großmuth, auf meine Rechnung zu schreiben. Es thut mir übrigens aufrichtig leid, daß ich auch dismahl, wie schon ehemahls, bei meinen frühern Versuchen, nicht umhin konnte (ohne, meinen Begriffen nach, Hochverrath an einem der heiligsten Gemeingüter, an unserer Sprache, zu begehen), mit dem verdienten Adelung so oft in Widerspruch zu kommen. Nur für Diejenigen, welche mich persönlich nicht kennen, und die mir daher leicht mehr Dünkel und Zanklust zutrauen könnten, als ich, bei einer unparteiischen Beobachtung meiner selbst, in mir wahrzunhemen vermag, muß ich hier noch einmahl wiederholen, was ich schon ehemahls, in einer meiner frühern Schriften, mit aller Aufrichtigkeit darüber geäußert habe: „Daß ich einem, um unsere Sprache, und dadurch um unsere ganze Völkerschaft, so hochverdienten Manne, als Hr. Ad. wahrlich auch in meinen Augen ist, hier abermahls häufig widersprechen mußte, wird er selbst – wie ich seinem reinen und edlen Eifer für unsere Sprache nothwendig zutrauen muß – mir an wenigsten verargen wollen. Auch der bloße Handlanger darf ja dem trefflichen Baumeister, unter dem er arbeitet, bei allem, auch noch so großen Abstande von ihm, mit bescheidener Freimüthigkeit unter die Augen treten und sprechen: hier, lieber Herr, ist ein Stein, den ihr, als einen untauglichen auf die Seite geworfen, oder übersehen hattet, der mir aber doch noch brauchbar zu sein scheint; hier ein Nagel, der mir bessere Dienste zu versprechen scheint, als jener da, den ihr einschlagen lassen wolltet. Seht beide an, und gebraucht oder verwerft sie, je nachdem ihr, eurer bessern Einsicht nach, das Eine oder das Andere für rathsam halten werdet. – Und nur dieses, weder mehr noch weniger, habe ich mit allen meinen, Hrn. Ad. betreffenden, Erinnerungen sagen wollen.“

Der nächste Zweck dieses Werkes ist nun zwar freilich nur: unsere Sprache von dem ihr unbefugter Weise beigemischten fremden Wortkrame reinigen zu helfen, und dadurch ihre, beinahe schon verloren gegangene Wesenheit (Existenz) zu sichern. Aber dieser Zweck ist selbst nur Mittel zu höhern Zwecken. Und welche sind diese?

Folgende Erfahrungssätze enthalten die Antwort auf diese Frage:

1) Ohne Reinheit der Sprache, d. i. ohne eine, für ein ganzes Volk verständliche, also durch ihre eigene Ähnlichkeitsregel begrenzte, und alles Fremde, dieser Ähnlichkeitsregel widerstrebende, ausschließende Sprachen, findet keine allgemeine Belehrung, keine Volksaufklärung oder Volksausbildung, in irgend einem beträchtlichen Grade der Allgemeinheit, Statt. Man sehe hierüber die nachfolgende Abhandlung, besonders Seite 10-24, wo ich diesen Satz so erwiesen zu haben glaube, daß kein Zweifel und kein Einwand dagegen möglich zu sein scheinen.

2) Ohne eine reine Sprache (in der Abhandlung ist deutlich auseinandergesetzt worden, was hier darunter verstanden wird) findet keine reine Vernunftwissenschaft (Philosophie), sondern nur jene vernunftverwirrende und vernunfttödtende Schulweisheit (scholastische Philosophie) Statt, welche ihre Armuth an wirklichen Begriffen und Sachen hinter hohlen, barbarischen, Griechisch-Lateinischen Wörtern versteckt, und nur dann erst in ihrer ganzen Dürftigkeit dasteht, wann diese Wortlarven ihr abgezogen werden.

Deutschland – es öffne doch endlich die Augen darüber! – hat in seiner Bildungsgeschichte diesen doppelten unläugbaren Erfahrungssatz in zweien, gleichauffallenden Beispielen vor sich liegen – in dem Beispiele der sogenannten scholastischen und der markscheidenden (critischen) Philosophie, und in den Wirkungen beider auf die Volkserleuchtung. Welchen Einfluß hatten beide, konnten beide möglicher Weise auf diese haben? Nicht bloß gar keinen – das wäre noch der glücklichere Fall gewesen – sondern einen entgegenwirkenden. Die Vernunftwissenschaft, nach allen ihren Theilen, selbst nach denen, welche recht eigentlich für Jedermann gehören, wurde dem Gesichtskreise des Volks, selbst den der gebildeten, nur nicht Griechisch und Latein verstehenden Klassen, mehr als jemahls entrückt; und statt einer Erweiterung des allgemeinen Volksverstandes und der allgemeinen Volksvernunft durch wirkliche Begriffe und neubemerkte fruchtbare Wahrheiten, erfolgte eine wirkliche Verengung beider, eine Überladung des einen und eine Verwirrung der andern durch leere Schattenwörter und überfeine Hirngespinste ohne wirklichen Gegenstand. Wie ganz anders war der Erfolg, als Thomasius [2], Leibnitz und besonders Wolf die Vernunftwissenschaften in eine reine, mit sich selbst übereinstimmende, menschliche Sprache – gleichviel in welche – zu kleiden sich beflissen: Wie erhellten sich da die Köpfe rings umher! Wie fingen Volksvorurtheile und Volksaberglaube an zu verschwinden! Wie verbreitete sich der Forschgeist und die hellere und schärfere Bestimmung der Begriffe durch alle Wissenschaften, durch alle Zünfte der Gelehrsamkeit, ja, man darf sagen, durch alle Stände der Gesellschaft, von der Bauerhütte bis zum Throne hinauf; weil wir unter Friedrich’s Zeitgenossen sogar Landbauer gesehen haben, die bei aller, ihrem Stande ziemenden Einfachheit der Kenntnisse und der Sitten, ihre Berufsarbeiten mit Beobachtungsgeiste und Nachdenken trieben. Wer kennt nicht z. B. den Schweizer Kleinjogg: und wer kann uns einen ähnlichen Mann zeigen, der aus irgend einer andern Schule, die ihre Sätze in eine Griechisch-Lateinisch-Deutsche Zwittersprache kleidete, hervorgegangen wäre, oder durch das Lesen ihrer Schriften sich zu einem solchen gebildet hätte? – „Wodurch, fragt Herder, schritt die Philosophie vor? Dadurch, daß sie einen neuen Calcul (eine neue Bezifferungsart) gewann, die Landessprachen. So lange man in ihr ein Griechisch-Latein redete, das weder Aristoteles noch Cicero hätten vestehen mögen, schleppte man den alten Trödelkram mißverstandner Abstractionen (abgezogener Grübeleien) fort, und zwang den Geist in verlebte Wortformen. Sobald man aber in seiner Sprache zu denken wagte, ließ sich der gesunde Verstand nicht überwältigen; er warf die fremden Wortlarven ab, erkennend seine Begriffe in seiner Sprache. Auch hier war Luther für uns Deutsche ein hochverdienter Mann. In einer männlichen Verstandessprache machte er der Philosophie Raum; er stürzte auf dem Felde, das er tapfer bearbeitete, die Scholastik. (Was würde es nicht erst gewesen sein, wenn Luther’s, und in der Folge Wolf’s Nachkommen auf dem Wege reiner Deutschheit, den diese, um unsere Sprache so hochverdienten Männer, der eine in der Gotteslehre, der andere in den Vernunftwissenschaften und in der Größenlehre, einschlugen, fortgeschritten wären!)

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Cathòlīc, Catholicismus, cathólisch, der Allgemeingläubige, der Allgemeinglaube, allgemeingläubig. Der Catholic ist ein Krist, der seinen Kirchenglauben für allgemein verbindlich ausgibt, und sich berechtiget hält, jeden zur Anerkennung dieser Verbindlichkeit, selbst durch Gewalt, wenn sie in seinen Händen ist, anzuhalten. Der Name Gemeingläubiger druckt dieses freilich nicht bestimmt aus; aber das thut die Griechische Benennung, Catholic eben so wenig. Hoffentlich wird die Zeit – Gott gebe bald! – kommen, wo die mündiggewordene Menschheit sich über die kindische, unvernünftige und verderbliche Glaubenzünftelei erheben wird. Dann wird es auch keiner auszeichnenden Benennungen mehr dafür bedürfen. (Zus.) Statt Allgemeinglaube habe ich in der Folge Gemeinglaube für Catholicismus gebraucht: „Der größte Theil der Einwohner bekennt sich zum Römischen Gemeinglauben. Wenn die von mir vorgeschlagenen Benennungen Freigläubiger, Freiglaube und freigläubig für Protestant, Protestantismus und protestantisch (S. d.) genehmiget werden sollen: so könnte man gegensätzlich, nach Trapp’s Vorschlage, Zwangsglaube, Zwangsgläubiger und zwangsgläubig für Catholicismus, Catholic und catholisch sagen. Der Catholic soll ja, bei Verlust seines zeitlichen und ewigen Wohls, glauben, was die Kirche zu glauben befiehlt. Ich habe seit einigen Jahren auf gut Glück hin gewagt, diese Ausdrücke zu gebrauchen. Diejenigen, welche selbst keine Zwanggläubige sind, pflegen für Catholic auch Päpstler, für catholisch päpstisch, für Catholicismus Papstthum zu sagen, welche Wörter aber immer gehässige Nebenbegriffe mit sich führen. Selbst Zwangglaube und zwanggläubig sind von diesem Nebenbegriffe nicht ganz rein. Will man also ein Wort ohne denselben, so gebrauche man Gemeinglaube, gemeingläubig und der Gemeingläubige. Auch Brumleu ist auf diese Verdeutschung verfallen.

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Friseur (spr. Frisöhr), der Kräusler oder Haarkräusler. Moritz machte über diese Verdeutschung folgende, zwar sinnreiche, aber nicht völlig gegründete Anmerkung: „Der fremde Ausdruck Friseur ist von C. durch Haarkräusler übertragen. In der komischen Poesie (scherzenden Dichtart), wo von geringfügigen Dingen oft mit einer gewissen angenommenen Feierlichkeit die Rede ist, würde dieser Ausdruck sehr gut zu gebrauchen sein. Wenn man aber im gemeinen Leben, statt Friseur, sich des Ausdrucks Haarkräusler bedienen wollte: so würde es anfänglich immer scheinen, als wolle man den Lockenzauberer zum Besten haben, weil man sein Geschäft mit einem neuen, ungewöhnlichen Namen benennte, der sogar, um es recht vollständig zu bezeichnen, aus zwei Wörtern zusammengesetzt ist; dahingegen das ausländische Friseur der Geringfügigkeit der Sache angemessen zu sein scheint, weil man sich bei den Bestandtheilen dieses Worts nichts deutlich denkt, sondern nur im (in) Ganzen und gleichsam obenhin den Begriff damit bezeichnet.“ Ich bemerke hiebei: 1. daß der Deutsche Ausdruck nicht von mir erst erfunden ist. Schon Stieler hat beide, Kräusler und Haarkräusler; 2. daß es nicht nöthig ist, diese Deutschen Wörter, bevor sie das Ungewöhnliche abgelegt haben werden, gegen den Haarkräusler selbst zu gebrauchen; es ist anfangs genug, wenn es nur gebraucht wird, wann wir zu Andern von ihm reden; 3. daß die Regel unsers Verfassers, welche unwichtige Gegenstände nicht mit langen, zusammengesetzten und in ihren Bestandtheilen Bedeutung habenden Wörtern zu bezeichnen verbietet, durch tausend und mehr entgegengesetzte Beispiele, welche in unserer Sprache vorkommen, umgestoßen wird; indem wir oft die größten und erhabendsten – Gott, Welt, Meer, Geist u. s. w. durch einsilbige, für uns, die wir das Entstehen derselben nicht mehr kennen, höchstens nur vermuthen, ganz bedeutungslose Wörter, und hingegen die niedrigsten und kleinsten Gegenstände, – z. B. Wandlaus, Fliegenschnepper, Lumpensammler, Abtrittsreiniger u. s. w. – durch lange und bedeutende Wörter bezeichnen. Und endlich 4. daß bei dem ausländischen Worte Friseur nur Derjenige, der kein Französisch versteht, und dem die Abstammung des Worts unbekannt ist, nichts deutlich denken kann, dahingegen Alle, welche jener Sprache überhaupt und der Herleitung dieses Wortes insbesondere kundig sind, recht wohl wissen, daß es zunächst von friser, kräuseln, so wie dieses von dem Deutschen Stammworte Fries, kraus herkömmt, also einen Kräusler bedeutet. Übrigens ist Kräusler schon von vielen Schriftstellern gebraucht worden. „Der Kräusler blieb aus.“ Marcus Herz. Will man von dem Friseur als von einem edleren Wesen reden, so nenne man ihn, wie Wieland, Haarkünstler, oder mit Kinderling, Haarschmücker. (Zus.) Will man aber eine Benennung für den Friseur, die der Geringschätzigkeit seiner Kunst angemessen ist: so schlägt B. Haarputzer (wie Bartputzer und Schuhputzer), auch Haarstutzer dazu vor. Da Fries Deutsch ist, so fragt Lenz: ob wir nicht befugt sein sollten, auch Friesler für Friseur zu sagen? Dieses Wort würde vor allen übrigen den Vorzug haben, daß es weder zu vornehm, noch erniedrigend klänge. Ich selbst habe für den Friseur und Raseur auch Haar- und Bartpfleger gebildet.

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Germanismus oder Germanism, eine Eigenheit der Deutschen Sprache, oder Deutsche Spracheigenheit, die man fehlerhafter Weise einfließen läßt, indem man eine fremde Sprache redet oder schreibt. Je nachdem nun diese fremde Sprache entweder die Lateinische, oder Französische, oder Englische u. s. w. ist, kann man Deutsch-Lateinisch, Deutsch-Französisch oder Deutsch-Englisch dafür sagen.

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Protestánt. Dieser Name, welcher anfangs nur den Lutheranern beigelegt wurde, seit dem Westfälischen Frieden aber auch die Reformirten unter sich begreift, entstand, als jene auf dem Reichstage zu Speier 1529 gegen die Beschlüsse der Katholiken eine Verwahrung einlegten oder protestirten. In allgemeinen bezeichnet diese Benennung einen Kristen, der sich, wie Kant sagt, gegen die Ansprüche (Anmaßungen) anderer Glaubensgenossen, die ihren Kirchenglauben für allgemein verbindlich ausgeben, verwahrt. Man kann auch sagen: er verwahrt sich gegen jede Verpflichtung etwas zu glauben, was nicht auf einer übereinstimmenden Aussage der Vernunft und der Bibel beruht. Man könnte sie die Freigläubigen nennen; denn sie sind in Bezug auf die kirchliche Gesellschaft, was der Freibürger in Bezug auf die bürgerliche ist. Der Katholik hingegen ist ein Zwanggläubiger. Ich habe beide Ausdrücke zu gebrauchen kein Bedenken getragen. „Ehemahlige Klöster, von Freigläubigen verweltlichet.“ Der Grundsatz der Zwanggläubigen, daß ec.“ Da indeß die Katholiken die Benennung Zwanggläubige wol nicht gern hören möchten, so kann man, wenn man mit und zu ihnen redet, sie auch nach einer buchstäblichen Übersetzung des Worts Catholisch, Gemeingläubige nennen.

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Anmerkungen

[1] Wie sehr indeß diese Vollständigkeit noch vergrößert werden konnte, zeigt die gegenwärtige neue Ausgabe dieses Werks.
[2] Nicht als wenn Thomasius schon ganz reines Deutsch geschrieben hätte, sondern weil er einer der Ersten war, die den Muth hatten, unsere damahls noch so rohe Landessprache der zwar auch barbarischen, aber allgemein beliebten Griechisch-Lateinischen Schulsprache vorzuziehen, und sie zu einer wissenschaftlichen Sprache zu erheben. Deßwegen wird er hier neben Wolf genannt.

Quelle: Joachim Heinrich Campe, Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke: ein Ergänzungsband zu Adelung’s und Campe’s Wörterbüchern. Braunschweig: Schulbuchh., 1813, S. V–VII, 179, 328, 338, 505. Online verfügbar unter: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10523274

Joachim Heinrich Campe über die Verdeutschungen von Fremdwörtern (1801, 1813), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-286> [01.12.2023].