Heiratsverbindungen in europäischen Eliten: Samuel Hartlib an John Worthington (1660)

Kurzbeschreibung

Samuel Hartlib (ca. 1600–1662), ein in Preußen geborener Gelehrter, der sich nach seinem Studium an der University of Cambridge in England niedergelassen hatte, unterhielt ein enormes Korrespondenz-Netzwerk. In diesem Brief an den Akademiker John Worthington (1618–1671) beschreibt Hartlib seine eigene Familiengeschichte, einschließlich der mehrfachen Eheschließungen seines Vaters. Er schrieb diesen Brief als Reaktion auf Gerüchte darüber, dass er seine Tochter Anna mit dem wohlhabenden Kaufmann Johannes Roder aus Utrecht verheiratet habe, um von dessen Wohlstand zu profitieren, da seine Tochter selbst keine Mitgift in die Ehe einbrachte. Deutschsein kommt sowohl bei der Diskussion über die Ehe als auch bei der Beschreibung ins Spiel, wie kaufmännische Aktivitäten in den Augen des deutschen Adels dem sozialen Status schaden.

Quelle

Axe Yard, den 3. August 1660.

Sehr geehrter Herr,

Letzten Freitag konnte ich die mich selbst betreffenden Punkte nicht beantworten. Ich schickte lediglich den Trauschein meiner Tochter und das Patent, welches der Kurfürst mir einst bereitwillig ausstellte und welches ein wenig zeigt, was für eine Art von Person ich zu der Zeit war. Ich muss Ihnen erneut danken für Ihre treue Verteidigung meiner selbst und der meinigen. Dass ich diese Heirat gewünscht hätte ist zutiefst unwahr, und mein Schwiegersohn selbst kann dies ausreichend aufklären. Wenn Sie wüssten, welche Mühe es für mich und den Rest meiner Verwandten und Freunde war, meine Tochter dazu zu überzeugen, ihre Einwilligung zu geben, so wären die Münder derjenigen, die sich in dieser Angelegenheit geöffnet haben, leicht zugestopft. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Ihnen bereits berichtet, wie sie seinen Liebespfand zurückschickte und ihm sagte, sie könne ihn nicht lieben; doch dass er in seiner Zuneigung zu ihr beständig war, was mich mehr und mehr darin bestätigte, dass es reine göttliche Vorsehung war, die dieses Band zustande bringen wollte. Es stimmt, dass mein Vater ein Kaufmann war, doch kein gewöhnlicher, sondern der des Königs von Polen, welcher eine Kirche in Posen in Polen stiftete, und als die Jesuiten in diesem Königreich die Oberhand gewannen, war er geneigt, sich nach Preußen zu begeben, wo er nach Elbing zog, wo bislang noch kein Kredithaus aufgebaut worden war, doch er und ein anderer Patrizius aus Breslau in Schlesien bauten zwei herrschaftliche Häuser, welche noch immer in Elbing stehen und die ersten Häuser dieses Ortes sind und deren Bau meinen Vater in jenen billigen Zeiten viele Tausend Reichsthaler kostete. Unmittelbar darauf errichtete er dort eine Färberei, und mein Großvater, der Deputierte der English Company in Danzig, brachte die English Company nach Elbing, und so kam [Stichwort: kam] dieser Ort durch Handel zu jenem Ruhm und Wohlstand, den er seit vielen Jahren besitzt. Mein Vater hatte zuvor schon zweimal polnische Damen adliger Abstammung geheiratet, beide von ihnen ehrbare Damen nach den Gebräuchen dieser Länder, eingedenk wessen er sie erwarb. Seine dritte Ehefrau war meine Mutter. Wie viele Mengen Gold und Ehrenpfeiler meinem Vater und Großvater sowohl von Danzig als auch Elbing angeboten wurden, bleibt lediglich im Gedächtnis einiger sehr alter Leute in Preußen. Meine Mutter hatte zwei Schwestern, die beide sehr ehrenhaft heirateten, eine den Sohn eines Lord Majors in London, Mr. Clarcke, und später einen sehr reichen Ritter, Sir Richard Smith, Mitglied des Kronrats des Königs, sie brachte ihm eine Mitgift von 10000 Pfund Sterling. Dies ist meine Tante, Lady Smith, die später, nachdem sie Sir Edward Savage heiratete, eine der Hofdamen unserer Königinmutter wurde. Die andere Schwester heiratete einen jüngeren Bruder, Mr. Peake, dessen Sohn heute ein Vermögen von 300 Pfund Sterling jährlich an Erblanden besitzt und der noch lebt. Unsere deutsche Cousine oder die Tochter meiner Tante Lady Smith, heiratete Sir Anthony Erbes in Boston, einen Ritter mit 4 oder 5000 Pfund Sterling Einkommen im Jahr, der noch lebt und Mitglied des jetzigen und vorigen Parlaments ist, welches Sie ebenfalls anführen können, sollten sich weitere Gelegenheiten ergeben. Aber vor alldem sollte ich Ihnen gesagt haben, dass ich gerügt worden bin für die Vernachlässigung meiner Abstammung und mir gesagt wurde, dass meine Familie sehr alter Abstammung im Deutschen Reich sei, gab es doch zehn Brüder mit Namen Hartlieb, von denen einige Geheimräte des Kaisers und andere bei geringeren Fürsten waren, einige in Augsburg und Nürnberg. Doch später wurden sie im Reich nicht gerade als Edelleute angesehen, als einige von ihnen Kaufleute wurden, welches, wie Sie wissen, vom deutschen Adel missbilligt wird. Ein anderer rügte mich und fragte, ob ich nie die Passage in Fris[c]hlins Arbeit gelesen hätte – Quis non novit Hartlibiorum familiam? – etc. Doch jetzt werfe ich mir vor, dass ich nie in diese Richtung geblickt habe. Und ich kann wahrhaft mit reinem Gewissen sagen, dass ich in meinem gesamten Leben nie ernsthaft über meine Abstammung nachgedacht habe; wenn ich dies getan hätte, so denke ich, dass ich eine andere Geschichte gemacht hätte, indem ich meine himmlische Geburt solchen Eitelkeiten vorgezogen hätte, und hernach bis heute mehr studiert hätte, um Gottes Geschöpfen nützlich zu sein und seiner Kirche zu dienen anstatt reich oder ehrbar zu sein. Was Handelseinkünfte [common sales] betrifft, so hatte ich nie solche wie sie behaupten, wie Sie teilweise wissen, und lassen Sie es sich nicht als paradox erscheinen, wenn ich Ihnen sage, dass ich solange ich durch wunderbare Vorsehung in England lebe, ich jährlich von meinem eigenen Vermögen zwischen 3 oder 400 Pfund Sterling ausgegeben habe, und als ich öffentliche Einkünfte erhielt, bekam ich von Parlament und dem Kronrat eine Pension von 300 Pfund Sterling pro Jahr, welche ich ebenso freimütig für deren Dienste und das Wohlergehen der Allgemeinheit ausgab. Wenn sie wüssten, welche Art von Handelseinkünften ich hin und wieder hatte, so würden sie sich schämen, diese anzuführen. Einige von ihnen gehörten zu denen, für deren Bewirtung ich ohne das Wissen meiner Frau selbst aufkam, und die jetzt große Männer von Welt sind, einige Adlige, Patrone und Kinder ehrbarer Eltern, welche mich drängten, es zu dulden, dass sie mit mir an meinem Tisch leben, etc. etc. Ich könnte ganze Seiten damit füllen, in welcher Zuneigung und welchem Ansehen ich die letzten 30 Jahre in England gelebt habe und eng vertraut war mit den Besten unter den Erzbischöfen, Bischöfen, Grafen, Viscounts, Baronen, Rittern, Junkern, Gentlemen, Ministern, Professoren beider Universitäten, Kaufleuten und allen möglichen gelehrten oder ansonsten nützlichen Männern etc. etc. und dass ich in allen drei Königreichen unter allen Umbrüchen, die sich ereignet haben, vor und im Parlament gelobt wurde, mir Bücher an verschiedenen Orten und Ländern gewidmet wurden etc. etc. Doch es ermüdet mich, solche Eitelkeiten zu verfolgen. Wahrhaft würden 6000 Pfund Sterling insgesamt in England nicht als großer Reichtum gezählt, lassen Sie sie wissen, dass meine Tochter viele Verehrer hatte, darunter einige Grundbesitzer, denen ich nicht meinen Segen verweigerte, da mir ihr Vermögen jedoch nicht ihre Person gefiel wie mir die Manieren und das Betragen meines Schwiegersohns bis zum heutigen Tag gefallen. Wenn der Herr aus dieser Vorsehung einen Bund machen will, der ihnen und mir zum Segen gereicht, so ist es dies insgesamt, woran ich mich erfreuen will, denn dann werden alle anderen Dinge, was immer sie auch sein mögen, sich zu ihrem und meinem Wohl wenden Amen Amen./

Quelle: Samuel Hartlib an John Worthington, 3. August 1660, 26/1/1A-2B (https://www.dhi.ac.uk/hartlib/view?docset=main&docname=26A_01) in Greengrass, M., Leslie, M. and Hannon, M. (2013), The Hartlib Papers. Published by The Digital Humanities Institute, University of Sheffield. Online verfügbar unter: https://www.dhi.ac.uk/hartlib

Übersetzung: Insa Kummer

Samuel Hartlib an John Worthington (3. August 1660)

Quelle: Samuel Hartlib to John Worthington, August 3, 1660, 26/1/1A-2B, https://www.dhi.ac.uk/hartlib/view?docset=main&docname=26A_01, in Greengrass, M., Leslie, M. and Hannon, M. (2013), The Hartlib Papers. Published by The Digital Humanities Institute, University of Sheffield. Available online at: https://www.dhi.ac.uk/hartlib

The Digital Humanities Institute, University of Sheffield

Heiratsverbindungen in europäischen Eliten: Samuel Hartlib an John Worthington (1660), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-295> [09.12.2024].