Plünderung der Judengasse in Frankfurt (1614)

Kurzbeschreibung

Das jüdische Ghetto in Frankfurt wurde am 22. August 1614 von Handwerksgesellen gestürmt und die Häuser geplündert. Die Randalierer rechtfertigten ihre Aktion mit den vermeintlich unlauteren Geschäftspraktiken der Juden. Die überlebenden Juden flohen aus der Stadt. Infolgedessen wurde das Ghetto in Frankfurt unter besonderen Schutz gestellt.

Quelle

Wahrhafftige Zeittung deß Verlauffs zu Franckfurt am Mayn/von der Plünderung der Juden Gassen/Im Jahr /1614.

Zu Franckfurt in der werthen Statt/Ein grosse meng der Juden hat/Beyde Arm/Reich/Mann/Weib und Kind/Ungefahr vier oder fuenf tausent sind/Ein Gaß und Sinagog sie hatten inn/Mochtens verwaren nach ihrem Sinn/Mit Wucher sie groß Gut bekamen/Durch betrug der Christen das ihr namen/Im Jar/als nach Christi Geburt/Tausent sechshundert unnd vierzehn gezehlt wurd/Den 22. Augusti ich vernam/Ein groß Anzahl Handswercks Bursch kam/Die hatten einander versprochen der maßn/Zu stuermen und blündern der Juden Gaßn/Darbey wolln sie auff seßn Leib und Blut/Welchs es auch etliche kosten thut/Den 22. Augusti zwischen 6. und 7. stund/Vor der Judn Pfort groß Lermn entsprung/Die Judn namens Ubel bald in acht/Haben ihr Gaß in grosser eyl zugemacht/Lehre Faeß/Tisch und Benck sie hervor/Verbolwerckten inwendig ihr Thor/Und hubn die Stein auß dem Pflaster auff/Trugen sie in ihr Haeuser hinauff/Zu werffn auf die Handwerks Geselln/Theten sich dapffer zu Wehre stelln/Aber die Geselln werdens bald innen sein/Hawen Stossn/schlagen mit gwalt das Thor ein/Die andern rennten das vorderst Hauß ein/Die dritten stiegn auff Laitern hinein.

Die Finster Nacht uberfiehl sie zuhand/Windliechter und Pechfannen man brand/Brachen also auß eim/ins ander Hauß/Namen die Beut den Juden/triben sie auß/Doch wann ein Jud an eim kund Maister sein/Must er mit ihm ein Zaichen tragen heim/Einer ward gestochen/gschlagn/gworffen zwar/Eim Schneider ward abgschnitten sein Ohr/Vom 22. Augsti an biß auffm 23. ist kund/Das Plündern hat gewehrt bey 13. stund/Nach dem sich nun etlich mued geplündert hetten/Deß Weins sie auch nicht verschonen theten/Aus Eymer/zueber/gelten/haefen/sie theten sauffn/Verschuette vil/Erbarmen moechts ein stainhauffn/Die Burgerschafft erbarmet sich zur stunt/Mit mueh sie den Unheil wehren kund/Als nun der 23. August kam zuhand/Auß Befelch kamen die Soldaten allsandt/Darzu die Burger mit starck gewoehrter Hand/Die Reuter mit Küriß kamen gerandt/Zu woehren und widerstehen disen Unraht/Welches groß Mueh und Ernst gekost hat/Kein Jud noch Juedin warn in ihrem Hauß/Warn geflohn auff ihr Begraebnuß nauß/Nebn ihrm Begraebnuß auffm Wollgraben/Dreytaegig Kindbetterin sie getragn haben/Vil schwangere und waysen Kinderlein/Lagen Trostloß/solt das nicht jammer sein/Darnebn sagt man ihn auff ihr Endt/Das sie sollen Saeck/Paeck machen behendt/Und nemen zu ihn ihr Weib und Kindt/Und auß der Statt ziehen gschwindt/Damit nicht etwann durch sie moecht/Ein groessers Unglück werden erregt/Wie es man nun ihn verkuendigt hat/Das leyder/leyder bey ihn wolfeil wardt/Bitten die Burger unnd Obrigkeit/Daß man ihn auß der Statt gebe sicher Gleidt/Stellen sich darnach gar willig ein/Begern ihr ubrigs Gut zu beschuetzen fein/Und sollens die Burger in ihr Haeuser nemen/Biß das sie sehen/wo sie under kaemen/Wie dann auch geschehn ist zur stund/Wenig sies umb die Christen verdient hond/Als nun der Mittag hat ein end/Die 1. und 2. Uhr vorhanden seind/Hat man ihn geoeffnet das Uischer Thoerlein/Mit Wachten wars wol bestellet fein/Gab mancher Jud eim Burger die Hand/Sagt gute Nacht/im Hertzen flucht und schand/O wey/O wey/O leyder wey/schry manch Juedin/Wo soll ich mit mein Kindern hin/Groß Schiff und Nauen zugericht waren/Darinn etlich hinauff/etlich hinunder fahren/Glaubhafftig ich bin berichtet frey/Das 1800 Mann/Weib und Kinder sey/Den 23. Augst/zu Wasser und zu Landt/Auß Franckfurt gezogen manchen Mann bkand/Der weise Mann Syrach also spricht/Wol dem/der mit frembden schaden warnet sich.

Zu Augspurg/bey Andreas Gentzsch/Kupfferstecher bey Barfusser Kirchen gegenuber.

Quelle: Flugblatt zur Plünderung der Judengasse in Frankfurt, kolorierter Kupferstich von Andreas Gentzsch, Augsburg 1614. Frankfurt am Main, Historisches Museum, Inv.-Nr.N 42766; abgedruckt in Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. 962 bis 1806. Altes Reich und Neue Staaten 1495 bis 1806. Katalog, herausgegeben von Hans Ottomeyer, Jutta Götzmann und Ansgar Reiss. Dresden 2006, S. 391.

© Historisches Museum Frankfurt am Main. Fotograf: Horst Ziegenfusz

Wolfgang Treue, Geschichte der jüdischen Gemeinde in der Reichsstadt Frankfurt am Main zu Beginn der Frühen Neuzeit 1520–1650 (erscheint innerhalb der Germania Judaica IV) (in Vorbereitung).

Plünderung der Judengasse in Frankfurt (1614), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:image-232> [01.12.2023].