Wie sich ein Teutscher Monsieur All’modo Kleiden soll (ca. 1630)
Kurzbeschreibung
Frankreichs politische Vormachtstellung im 17. Jahrhundert drückte sich auch in einer kulturellen Hegemonie aus, die wiederum in vielen deutschen Ländern zu patriotischen Gegenreaktionen führte. Diese mündeten unter anderem im sogenannten „Alamode-Streit“, einer Kontroverse um angemessene „patriotische“ Kleidung, in deren Verlauf verschiedene Flugblätter entstanden. Über französische und höfische Modeneuheiten und das Imitieren dieser Kleidermoden durch Deutsche wurde sich lustig gemacht und dieses kritisiert. Damit wurden in diesen Drucken nationalunterschiedliche Kleidungsstile gegeneinander abgegrenzt und das Nachahmen „fremder“ Moden kritisiert. Dieses humorvolle Flugblatt aus der Zeit des Alamode-Streits beschreibt, was ein modischer deutscher Herr zu tragen hat und was seine Kleidung vermitteln soll.
Quelle
Wie sich ein Teutscher Monsieur All’modo Kleiden soll
Er soll vor allem haben / undauch selbsten seyn:
1. Imagniation, Les Cheveux oder alla confusion Haar.
Hieher gehört Fortunati
A. All’modo.
Ein starck Imagination erfordert wird/
Die Melodey.
Transkription: Elisabeth Mait
2. Favorit Zöpff.
3. Patientz oder alla miniarde Barth.
4. Respondent oder alle Pantofle Hut.
5. Indifferent oder Colorent Hutschnur.
6. Legation, La plume oder volante Feder.
7. Variat oder variable Kragen.
8. Multiplicat Kragennestel.
9. Inter mediis oder alla Bisarde Handschuch.
10. Ligato oder les manchettes Handtetzlein.
11. Mal content oder alla commodite Wammes.
12. alla garnouille oder les boutons Knöpff.
13. Accordant oder la Camisole Camsol.
14. Diffident unnd Pendent oder alla gimbarde Nesteln.
15. Acommodat Gürtel.
16. Poenitent oder a’pendas Degen.
17. Commendant Stäblein.
18. All’modo oder allapurge Hosen.
19. alla Reputation Hosenbänder.
20. Aggobbato od alla fantasie Strümpf.
21. all‘ Occasion oder les bottes Stifel.
22. Necessitet oder alla gentile Schuch.
23. Sentinelle Chaloschen.
24. Resonans oder les esperons Sporen.
25. Respect Schuhrosen.
26. Nervolo Hembd.
27. Guarderobbe unmenschliche Nägel.
28. Diligent unnd Pinal oder alla volage Mantel.
29. Stultissimo oder alla gimbarde Gang.
30. Pravissimo, le gest de la teste oder sur les espaules Gebärden.
31. La courtesie oder au pied Ehrerbietung.
Seckel.
Und seynd die Trachten:
B. Bravadisch.
C. Cavallirisch.
D. Damosellisch.
E. Edelmännisch.
F. Frantzösisch.
G. Gravitetisch.
H. Haserisch.
J. Jägerisch.
K. Kriegsmännisch.
L. Leimstänglerisch.
M. Monsieurisch.
N. Newfaßtionisch.
O. Oder diß oder jenes.
P. Pasquillantisch.
Q. Quacksalberisch.
R. Rodomontatisch.
S. Stoltzerisch.
T. Trotzig
U. Unruhig.
W. Wärniebisch.
X. Xantippisch.
Y. Yleontisch.
Z. Zanbrecherisch.
Daß ein zötigtes wildes Haar soll seyn ein zierd/
Was für ein Patientz ist das nach frembder art?
Daß man sich ziert mit eim gespizten Böckleins-Bart/
Der Aff thuts nach/ und meynt er treff es eben gut/
Wanns darzu kompt/ Responsion muß thun der Hut/
Indifferent die Hutschnur ist mit andern schon/
Die Feder abr so lang wie ein Legation,
Das Kröß muß seyn lang krauß und immer variat,
An dessen statt ein Überschlag/ wann er keins hat/
Wie Accordant ist doch das Wams mit dem Camsohl/
Dern eins im Sommr/ das andr im Wintr man tragen soll/
Ein solch zerfetzet Wamms / glaub mir / dich gar behend
Umb Weyhnachtzeit/im weissen Feld macht mal content,
Sih mir aber recht an die wolbelappte Ho-
Die langen wolbelappte Hosen all‘ modo,
Wer der Monsieur in seine Strümpff nicht diffident,
So macht er nicht dran soviel Nestel und Gebänd/
Die Hosenbändr erst bringen Reputation,
Weils ja umb Lappenläpplein fetzen ist zu thon/
Die Schuh erfordert werden auß Necessitet,
Galoschen auch bißweilen/ nach dem das Wetter steht/
Abr auff Occasion allzeit die Stifeln gehen/
Doch weder Hengst noch Klepper han am Baaren stehn/
Schellende Sporn tragen mit grossem Resonant,
Als wolt man gleich odr käm so bald fern über Land/
Dergleichen Cavallieros mehr/doch ohn Cavall
Man nunmehr viel in Teutschland siehet überall/
Schau wie der Gürtel steht so fein accommodat,
Schau wie der Degen auff dem Miltz zur seiten staht/
Gleich als wann er wer selbst darüber Poenitent,
Den Mantel doch fein nach dem Wind helt diligent,
Pro inter mediis er kan sein Händschuh brauchn/
Biß daß der Baur widr in die Händ anfängt zu hauchn.
Wer nun so reputtirlich will ein Monsieur seyn/
In diesen Ritters Ordn zu Fuß mag tretten ein/
So wird dann gantz der neugebachn Leimstängler zahl/
Deren man findet ohne das gnug überal.
Quelle: Wie sich ein Teutscher Monsieur All’modo Kleiden soll, ca. 1630. Kupferstich. Signatur: H61/EINBLATTDRUCK.A-X 11, Handschriftenabteilung, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg. Abgedruckt in Wolfgang Harms, Hrsg., Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Band I (Wolfenbüttel Teil 1). Tübingen, 1985, S. 259.
Handschriftenabteilung, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg
Weiterführende Inhalte
Ulinka Rublack, Dressing Up. Cultural Identity in Renaissance Europe. New York: Oxford University Press, 2010.
Claudia Ulbrich und Richard Wittmann, Hrsg., Fashioning the Self in Transcultural Settings: The Uses and Significance of Dress in Self-Narratives. (Istanbuler Studien und Texte 17) Würzburg, 2015.