Europäische Nationen und ihre „nationalen“ Charaktere: Völkertafel (18. Jahrhundert)
Kurzbeschreibung
Seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts gehören schriftliche Auflistungen nationaler Stereotype und Klischees zum Repertoire der ethnographischen Literatur Europas. Sie kamen auch in Kunstwerken zum Ausdruck, wie zum Beispiel in dem folgenden Ölgemälde mit dem Titel „Kurze Beschreibung der In Europa Befintlichen Völckern Und Ihren Aigenschafften“. Das Gemälde zeigt zehn männliche Figuren, die jeweils eine bestimmte europäische Nation oder ein Volk repräsentieren und entsprechend national und standesgemäß gekleidet sind (hier: Oberschicht). Aufgeführt sind (v.l.n.r.) „Spanier“, „Frantzoß“, „Wælisch“, „Teutscher“, „Engerländer“, „Schwœth“, „Boläck“, „Unger“, „Muskawith“, und „Tirk oder Griech“ (in der gleichen Kategorie).
Das Ölgemälde listet in knappen Schlagworten angebliche Eigenschaften (z. B. „Sitten“) von den zehn Nationen auf. Das Raster der Beurteilung rekurriert zu einen auf die gängige Klima- und Stufentheorie und zum anderen noch auf ältere, vormoderne Ordnungssysteme, wie die Humorallehre. Auch religiöse Ideen werden einbezogen. So werden in dieser Tabelle auch sieben Todsünden angeführt. Übermäßiges Trinken als Laster der Deutschen und das Nachahmen in Modesachen werden hier als typisch deutsche Eigenschaften aufgeführt. Dennoch schneiden die Deutschen im nationalen Vergleich gut ab.
Quelle
Quelle: „Kurze Beschreibung der In Europa Befintlichen Völckern Und Ihren Aigenschafften“; genannt „Völkertafel“ oder „Steirische Völkertafel“. Volkskundemuseum Wien, Signatur: ÖMV/30.905. Online verfügbar unter: https://volkskundemuseum.at/onlinesammlungen/oemv30905
CC BY-NC-SA
Weiterführende Inhalte
Thomas Nutz, „Varietäten des Menschengeschlechts“: die Wissenschaften vom Menschen in der Zeit der Aufklärung. Cologne: Böhlau Verlag, 2009.
Ute Planert, “Nation und Nationalismus in der deutschen Geschichte,” Aus Politik und Zeitgeschichte 39 (2004), pp. 11–18.
Ute Planert, “Wann beginnt der ‚moderne‘ deutsche Nationalismus? Plädoyer für eine nationale Sattelzeit,” in Jörg Echternkamp and Sven Müller, eds., Die Politik der Nation. Deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen, 1760–1960 (Studien zur Militärgeschichte, Schriftenreihe des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Bd. 56), Munich 2002, pp. 25–59.
Georg Schmidt, ed., Die deutsche Nation im frühneuzeitlichen Europa. Politische Ordnung und kulturelle Identität? (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 80), Munich 2010.