Verdrängung der Nazi-Vergangenheit in Westdeutschland: Briefmarken des Deutschen Widerstandes (1964)

Kurzbeschreibung

Die westdeutsche Nachkriegsregierung musste das deutsche Militär nicht nur unter den NATO-Verbündeten, sondern auch innerhalb der eigenen Bevölkerung rehabilitieren. Zu diesem Zweck kultivierte sie eine Form des Patriotismus mit rehabilitierender Wirkung, der das deutsche Militär mit dem deutschen Widerstand und nicht mit dem Vernichtungskrieg assoziierte. Zum zwanzigsten Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 in der Wolfsschanze in Ostpreußen wurde zum Beispiel eine Reihe von Gedenkmarken herausgegeben, die den Umsturzversuch würdigten. Die Serie umfasste den umstrittensten Protagonisten des fehlgeschlagenen Attentats, Oberst Claus Graf von Stauffenberg (1907-1944), der am folgenden Tag hingerichtet wurde. General Ludwig Beck (1880-1944) wurde wegen seiner Beteiligung an der Verschwörung vom 20. Juli verhaftet und noch am selben Tag erschossen. Zu der Serie gehörte auch Helmuth James Graf von Moltke (1907-1945), ein deutscher Jurist und Gründungsmitglied des Kreisauer Kreises, einer einflussreichen Gruppe im deutschen Widerstand gegen Hitler. Als Mitglied einer der angesehensten deutschen Adelsfamilien war der jüngere Moltke auch der Urgroßneffe von Helmuth von Moltke d. Ä. (1800-1891), dem sagenumwobenen preußischen Feldmarschall aus dem Deutsch-Französischen Krieg, der die Tradition des deutschen Militarismus repräsentierte.

Weitere bekannte Persönlichkeiten waren die junge Münchner Universitätsstudentin Sophie Scholl (1921-1943), die 1943 zusammen mit anderen Mitgliedern der studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ hingerichtet wurde, und der lutherische Pastor und Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945). Zu den anderen Figuren gehörten verschiedene politische und religiöse Dissidenten. Die acht Personen, denen gedacht wurde, wurden alle von den Nationalsozialisten ermordet. Indem die Briefmarkenserie verschiedene Gruppen des Widerstandes zu einer übergreifenden, undifferenzierten deutschen Widerstandsbewegung zusammenfasste, stellte sie militärische Widerständler auf die gleiche Stufe mit anderen allgemein verehrten Mitgliedern des studentischen und kirchlichen Widerstandes.

Quelle

Quelle: Reproduktion: Peter Steinbach, Der 20. Juli 1944 – mehr als ein Tag der Besinnung und Verpflichtung, Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39636/der-20-juli-1944?p=all

Bundeszentrale für politische Bildung

Jörg Echternkamp, Soldaten im Nachkrieg: Historische Deutungskonflikte und westdeutsche Demokratisierung 1945-1955. Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2014.

Philipp Gassert und Alan E. Steinweis, Hrsg., Coping with the Nazi Past. West German Debates on Nazism and Generational Conflict, 1955-1975. New York: Berghahn Books, 2013.

Christina Morina. Legacies of Stalingrad: Remembering the Eastern Front in Germany since 1945. Cambridge und New York: Cambridge University Press, 2011.

Maja Zehfuss, Wounds of Memory: The Politics of War in Germany. Cambridge und New York: Cambridge University Press, 2007.

Verdrängung der Nazi-Vergangenheit in Westdeutschland: Briefmarken des Deutschen Widerstandes (1964), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:image-3> [06.12.2024].