Rolf Thiele, Mamitschka (1955)

Kurzbeschreibung

Rolf Thieles Film von 1955 war einer der wenigen satirischen Filme in Westdeutschland in der Nachkriegszeit. Er karikierte die zeitgenössische Erzählung von der erfolgreichen Integration der Vertriebenen und fiel dabei krachend an der Kinokasse durch. Laut dem Historiker Andreas Kossert wollte das Kinopublikum „aktuelle Probleme und die Schrecken der Erinnerung […] lieber verdrängen als auf der Leinwand sehen“. Der Film kritisierte die westdeutsche Bevölkerung und die Vertriebenen gleihermaßen. Allerdings stellte er nicht nur die Westdeutschen als misstrauische und ablehnende Kleinstadtmenschen dar, die erst dann auftauten, als die achtköpfige Familie Navratil aus Böhmen durch einen Lottogewinn zu Geld kommt. Auch die Navratils selbst erschienen als dysfunktionale Familie, die entweder zu modern (Sexualmoral) oder zu unmodern sei (Haushaltsführung), um in die Bundesrepublik zu passen. Nachdem sie sich schwertun, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden und es schließlich nicht schaffen, sich zu integrieren, beschließt die Familie mithilfe eines aus Ost-Preußen Vertriebenen, der als US-Soldat wieder nach Deutschland gekommen war, einen neuen Anfang in den USA zu wagen.

Das hier gezeigte Filmplakat zeigt die Titelfigur Mamitschka (Mitte) umgeben von anderen Mitgliedern der Familie Navratil: ihrem Ehemann Tatinek (unten rechts) sowie ihrer Tochter Rosa (Mitte unten, gespielt von Jester Naefe). Der hochnäsige Vermieter der Navratils, Herr Samthaber (Paul Henckels) blickt unten links im Bild durch seine Stielbrille.

Quelle

Quelle: Filmplakat von Mamitschka (1955). Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main.

Michaela S. Ast, „Flucht und Vertreibung im bundesdeutschen Spielfilm der 1950er-Jahre“, Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/74912/flucht-und-vertreibung (letzter Zugriff: 26. Juni 2021)

Klaus J. Bade, Neue Heimat im Westen: Vertriebene, Flüchtlinge, Aussiedler. Münster: Westfälischer Heimatbund, 1990.

Mathias Beer, Martin Kintzinger und Marita Krauss, Hrsg., Migration und Integration: Aufnahme und Eingliederung im historischen Wandel. Stuttgart: Steiner, 1997.

Andreas Kossert, Kalte Heimat: Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945. München: Siedler, 2009.

Martina Kessel, „Keine Heimat für Hybrides – Mamitschka und die Politik der Gefühle im Film der 1950er Jahre“, in Politische Leidenschaften: zur Verknüpfung von Macht, Emotion und Vernunft in Deutschland, herausgegeben von José Brunner. Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 38. Göttingen: Wallstein, 2010, S. 183-98.

Rolf Thiele, Mamitschka (1955), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:image-87> [29.11.2023].