Heinrich Heine, „Die schlesischen Weber“ (1844)

Kurzbeschreibung

Heinrich Heine (1797-1856) war einer der bedeutendsten deutschen Dichter und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Seit Anfang der 1830er Jahre war Heine als erfolgreicher Dichter in Deutschland und Europa bekannt. Sowohl seine jüdische Herkunft als auch seine Kritik an der Politik des Deutschen Bundes machten ihn allerdings zum angefeindeten Außenseiter. Seine politischen Ansichten, vor allem aber auch die strenge Zensur seiner Werke veranlassten ihn schließlich, 1831 Deutschland zu verlassen und nach Paris zu gehen, wo er sich zunehmend auch journalistischen Arbeiten widmete. Was als Emigration begonnen hatte, sollte jedoch als Exil enden, als seine Werke 1835 in den Staaten des Deutschen Bundes verboten wurden. Heines Ballade „Die schlesischen Weber“, welche auf den Weberaufstand von 1844 Bezug nimmt und das soziale Elend der Weber beschreibt, gilt als beispielhafter Text für die politische Lyrik des Vormärz.

Quelle

(Vom Dichter revidiert.)

Im düstern Auge keine Träne
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt -
Er hat uns geäfft, gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!

Quelle: Heinrich Heine, „Die schlesischen Weber“, in Album. Originalpoesien, herausgegeben von H. Püttman. Borna: Reiche Verlag, 1847, S. 145–46.

Heinrich Heine, „Die schlesischen Weber“ (1844), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/migration/ghis:document-124> [04.12.2023].