Edikt von Potsdam (29. Oktober 1685)

Kurzbeschreibung

1685 erließ Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg (1620-1688) das Edikt von Potsdam, welches den aus Frankreich geflohenen Hugenotten die Einwanderung nach Brandenburg ermöglichte. Nachdem der französische König Ludwig XIV. das Edikt von Nantes von 1598 widerrufen hatte, flohen die Hugenotten in großer Zahl aus Frankreich. Die „Glaubensgenossen“, die sich in der Folge in Brandenburg niederließen, hatten wesentlichen Anteil am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung Brandenburgs. Insbesondere in durch den Dreißigjährigen Krieg entvölkerten und verwüsteten Landstrichen sollten die Hugenotten mit kurfürstlicher Unterstützung den Wiederaufbau vorantreiben.

Quelle

Wir Friedrich Wilhelm/von Gottes Gnaden Marggraf zu Brandenburg/des Heil. Röm. Reichs Erz-Cammerer und Chur-Fürst/in Preußen/zu Magdeburg/Jülich/Cleve/Berge/ Stettin/Pommern/der Cassuben und Wenden/auch Schlesien/zu Crossen und Jägerndorff Herzog/ Burggraf zu Nürnberg/Fürst zu Halberstadt/Minden und Camin/Graff zu Hohenzollern/der Marck und Ravenzberg/Herr zu Ravenstein/und der Lande Lauenburg und Bütow/ec.

Thun kund und geben Männiglichen hiemit zu wissen/ Nachdem die harten Verfolgungen und rigoureusen proceduren/womit man eine zeithero in dem Königreich Franckreich wider Unsere der Evangelische-Reformierten Religion zugethane Glaubens-Genossen verfahren/viel Familien veranlasset/ihren Stab zu versetzen/und aus selbigem Königreich hinweg in andere Lande sich zu begeben/daß Wir dannenher aus gerechten Mitleiden/welches Wir mit solchen Unsern/wegen des heiligen Evangelii und dessen reiner Lehre angefochtenen und bedrengten Glaubens-Genossen billig haben müssen/bewogen werden/vermittels dieses von Uns eigenhändig unterschriebenen Edicts denenselben eine sichere und freye retraite in alle Unsere Lande und Provincien in Gnaden zu offeriren/und ihnen dabeneben kund zu thun/was für Grechtigkeiten/ Freyheiten und Prärogativen Wir ihnen zu concediren gnädigst gesonnen seyn/umb dadurch die grosse Noth und Trübsal/womit es dem Allerhöchsten nach seinem allein weisen unerforschlichem Rath gefallen/einen so ansehnlichen Theil seiner Kirche heimzusuchen/auf einige Weise zu subleviren und erträglicher zu machen.

1. Damit alle diejenige/welche sich in Unsern Landen niederzulassen resolviren werden/desto mehrere Bequemlichkeit haben mögen/umb dahin zugelangen und überzukommen/so haben Wir unserem Envoyé extraordinaire bey denen Herren General Staten der vereinigten Niederlande/dem von Dienst, und Unserm Commissario Romßwinckel in Amsterdam anbefohlen/allen denen Französischen Leuten/von der Religion, welche sich bei ihnen angeben werden/Schiffe und andere Nothwendigkeiten zu verschaffen/umb sie und die ihrige aus Holland bis nach Hamburg zu transportiren/allwo Unser Hoff-Rath und Resident im Nieder-Sächsischen Cräyse der von Gericken/ihnen ferner alle facilität und guten Gelegenheiten an Hand geben wird/deren sie werden benöthiget seyn/umb an Ort und Stelle/welche sie in Unsern Landen zu ihrem établissement erwählen werden zu gelangen.

2. So viel diejenigen betrifft/welche über Sedan, aus Champagnen, Lothringen/Burgundien und aus denen nach Mittag belegenen Französischen Provincien, ohne durch Holland zu gehen nach Unsern Landen sich werden begeben wollen/selbige haben ihren Weg auf Franckfurt am Mayn zu nehmen/und sich daselbst bey Unserem Rath und Residenten Merian/oder auch zu Cölln am Rhein/bey Unserem Agenten Lely, anzugeben/gestalt Wir denn denenselben beyderseits anbefohlen/ihnen mit Gelde/Passeporten und Schiffen beforderlich zu seyn/und sie den Rhein hinunter bis in Unser Herzogthum Cleve fort zuschaffen/ woselbst Unsere Regierung Sorge tragen wird/damit sie entweder in Unseren Clev: und Märckischen Landenétabliret/oder/da sie weiter in andere Unsere Provicien zu gehen willens/mit aller deßfalls erforderten Nothdurfft versehen werden mögen.

3. Weilen Unsere Lande nicht allein mit allen zu des Lebens Unterhalt erforderten Nothwendigkeiten wol und reichlich versehen/sondern auch zu établirung allerhand Manufacturen/Handel und Wandels zu Wasser und zu Lande sehr bequem/als stellen Wir denen die darinn sich werden setzen wollen/allerdings frey/denjenigen Ort welchen sie in Unserm Herzogthum Cleve/den Graffschafften Marck und Ravenzberg/Fürstenthümern Halberstadt und Minden/oder auch in dem Herzogthum Magdeburg/Chur-Marck-Brandenburg und Herzogthümern Pommern und Preussen zu ihrer Profesion und Lebens-Art am bequemsten finden werden/zu erwählen; Und gleich wie Wir dafür halten/daß in gedachter Unserer Chur-Marck-Brandenburg die Städte Stendal/Werben/Rathenow/Brandenburg und Franckfurt/und in dem Herzogthum Magdeburg die Städte Magdeburg/Halle und Calbe/wie auch in Preussen die Stadt Königsberg/so wol deßhalb/weil daselbst sehr wolfeil zu leben/als auch/wegen der allda sich befindenden facilität zur Nahrung und Gewerb vor sie am bequemsten seyn werden/  Als haben Wir die Anstalt machen lassen/befehlen auch hiemit und Krafft dieses/so bald einige von erwehnten Evangelisch-Reformierten Französischen Leuten daselbst ankommen werden/daß alßdan dieselben wol auffgenommen/und zu allemdem so zu ihrem établissement nöthig/ihnen aller Müglichkeit nach verholffen werden soll.     Wobei Wir gleichwol ihrer freyen Wahl anheim geben/auch sonsten außer oberwehnten Städten alle und jede Orte in Unsern Provincien zu ihrem établissement zu erwählen welche sie in Ansehung ihrer Profession und Hanthierung vor sich am bequemsten erachten werden.

4. Diejenige Mobilien/auch Kauffmanns- und anderer Waaren/welche sie bey ihrer Ankunfft mit sich bringen werden/sollen von allen Auflagen/Zoll/Licenten und andern dergleichen Imposten, sie mögen Nahmen haben wie sie wollen/gäntzlich befryet seyn/und damit in keinerley Weise beleget werden.

5. Daferne in denen Städten/Flecken und Dörfern/wo mehrgedachte Leute von der Religion sich niederlassen/und ihr domicilium constituiren werden/einige verfallene/wüste und ruinirte Häuser verhanden/deren Proprietarii nicht des Vermögens wären dieselben wieder anzurichten/und in guten baulichen Stand zu setzen/so wollen Wir selbige gedachten Unsern Französischen Glaubens-Genossen/für sie/ihre Erben und Erbens-Erben eigenthümlich anweisen und eingeben /dabey auch dahin sehen lassen/ daß die vorigen Proprietarii wegen Werths sothaner Häuser befridiget/und selbige von allen oneribus, hypothequen, Contributions-Resten und allen andern dergleichen Schulden/welche vorhin darauff gehafftet/ gänzlich beriret und frey gemacht werden sollen. Gestalt Wir ihnen denn auch Holz/Kalck und andere materialien, deren sie zu reparirung der gleichen wüsten Häuser benöthiget/unentgeltlich anschaffen lassen/ und ihnen eine Sechs-Jährige Immunität von allen Auflagen/Einquartierungen und anderen oneribus publicis, wie selbige Nahmen haben mögen/verstatten/auch die Verfügung machen wollen/daß deren Einwohner nichts als die bloße Consumptions-Accise wärender solcher Sechs-Jährigen Freyheit davon abzutragen haben sollen.

6. In denjenigen Städten und andern Orten/woselbst sich einige wüste Plätze und Stellen befinden/ wollen Wir gleicher gestalt die Versehung thun/daß dieselbe samt allen dazugehörigen Gärten/Wiesen/ Ackern und Weiden gedacht Unsern Evangelisch-Reformierten Glaubens-Genossen Französischer Nation nicht allein erb- und eigenthümlich eingeräumet/sondern auch daß dieselbe von allen oneribus und Beschwerden/welche sonst darauf gehafftet/gänzlich liberiret und loß gemachet werden sollen/gestalt Wir denn auch diejenigen materialien deren gedachte Leute zu Bebauung dieser Plätze bedürffen werden/ihnen ohnntgeltlich anschaffen/und die von ihnen neu-erbauete Häuser sampt deren Einwohnern in denen ersten zehen Jahren mit keinen oneribus außer der obangeregten Consumtions-Accise belegen lassen wollen. Und weilen Wir auch gnädigst gemeynet seyn/alle mügliche facilität beyzutragen/damit gedachte Unsere Glaubens-Genossen in Unseren Landen untergebracht und établiret werden mögen/Als haben Wir denen Magistraten und andern Bedienten in erwehnten Unseren Provicien gnädigsten Befehl ertheilen lassen/in einer jeden Stadt gewisse Häuser zu miethen/worin gedachte Französische Leute bey ihrer Ankunfft aufgenommen/auch die Hausmiethe davon für sie und ihre Familien 4. Jahr lang bezahlet werden soll/ Jedoch mit der Bedingung/daß sie diejenige Pläze/welche ihnen auf obberührte conditiones werden angewiesen werde/mit der Zeit zu bebauen ihnen angelegen seyn lassen.

7. So bald sich obgedachte Unsere Evangelisch-Reformierte Gelaubens-Genossen Französischer Nation in einer Stadt oder Flecken niedergelassen/sollen ihnen die daselbst hergebrachte jura civitatis & opificitorum ohnentgeltlich und ohne Erlegung einiger Ungelder concediret/und eben die beneficia, Rechte und Gerechtigkeiten verstattet und eingeräumet werden/deren andere Unsere an solchen Orten wohnende und gebohrne Unterthanen geniessen und fähig seyn. Allermassen Wir sie den auch von dem so genannten Droit d’Aubaine und anderen dergleichen Beschwerden/womit die Frembde in andern Königreichen/Landen und Republiquen beleget zu werden pflegen/gänzlich befreyt/auch durchgehends auf gleiche Art und Weise wie Unsere eigene angehörige Unterthanen/gehalten und tractiret wissen wollen.

8. Diejenige welche einige Manufacturen von Tuch/Stoffen/Hüten oder was sonsten ihre Profesion mit sich bringet/anzurichten willens seyn/wollen Wir nicht allein mit allen deßfals verlangeten Freyheiten/ Priviligiies und Begnadigungen versehen/sondern auch dahin bedacht seyn und die Anstalt machen/daß ihnen auch mit Gelde und anderen Nothwendigkeiten/deren sie zur Fortsezung ihres Vorhabens bedürffen werden/so viel müglich assistiret und an Hand gegangen werden sol.

9. Denen so sich auf dem Lande sezen/und mit dem Ackerbau werden ernehren wollen/sol ein gewiß Stück Landes uhrbar zu machen angewiesen/und ihnen alles dasjenige/so sie im Anfang zu ihrer Einrichtung werden nöthig haben gereichet/auch sonst überall ebener gestalt begegnet und fortgeholffen werden/wie es mit verschiedenen Familien, so sich aus der Schweiz in Unsere Lande begeben und darinnen niedergelassen/bis anhero gehalten worden.

10. So viele die Jurisdiction und Entscheidung der zwischen offt gedachten Französischen Familien sich ereigender Irrungen und Streitigkeiten betrifft/da sind wir gnädigst zu frieden/und bewilligen hiemit/daß in den Städten/woselbst verschiedene Französische Familien verhanden/dieselbe jemand ihres Mittels erwählen mögen/welcher bemächtiget seyn sol/dergleichen differentien, ohne einige Weitläuffigkeit/in der Güte zu vergleichen und ab zuthun.

Daferne aber solche Irrungen unter Teutschen an einer/und Französischen Leuten anderer Seite sich ereugnen/so sollen selbige durch den Magistrat eines jeden Orts und diejenige welche die Französische Nation zu ihrem Schieds-Richter erwählen wird/zugleich und gesamter Hand untersuchet/und summariter zu Recht entschieden und erörtert werden/welches denn auch alsdan stat haben soll/wann die unter Franzosen allein vorfallende differentien, dergestalt wie oben erwehnet/in der Güte nicht beygeleget und verglichen werden können.

11. In einer jeden Stadt wollen Wir gedachten Unsern Französischen Glaubens-Genossen einen besonderen Prediger halten/auch einen bequemen Ort anweisen lassen/woselbst das exercitium Religiones Reformata in Französischer Sprachen/und der Gottesdienst mit eben denen Gebräuchen und Ceremonien gehalten werden sol/wie es bißanhero bey den Evangelisch-Reformierten Kirchen in Franckreich bräuchlich gewesen.

12. Gleichwie auch diejenige von der Französischen Noblesse, welche sich bis anher unter Unsere Protection und in Unsere Dienste begeben/eben der Ehre/Dignitäten und Prärogativenals andere Unsere Adeliche Unterthanen geniessen/Wir auch deren verschiedene zu den vornehmsten Chargen und Ehren-Aemptern an Unserm Hoffe/wie auch bey unserer Miliz würcklich employret/Allso sind Wir auch gnädigst geneigt/ebenmäßige Gnade und Beforderung denen Französischen von Adel/so sich ins künftige in Unsern Landen werden sezen wollen/zu erweisen/und sie zu allen Chargen, Bedingungen und Dignitäten/wozu sie capabel werden befunden werden/zu admittiren/gestalt denn auch dieselbe/wann sie einige Lehen- und andere Adeliche-Güter in Unsern Landen erkauffen und an sich bringen/dabey eben der Rechte/ Gerechtigkeiten/Freyheiten und Immunitäten/deren andere Unsere angebohrne Unterthanen geniessen/ sich gleichergestalt in allewege zu erfreuen haben sollen.

13. Alle Rechte/Privilegia und andere Wohlthaten deren in obstehenden Puncten und Articulen erwehner worden/sollen nicht allein denen so von nun an ins Künfftige in Unsern Landen anlangen werden/sondern auch denjenigen zu gute kommen/welche vor publication dieses Edicts der bißanherigen Religions-Verfolgungen halber aus Frackreich entwichen/und in gedachte Unsere Lande sich retiriret haben/die aber/so der Römisch-Catholischen Religion zugethan/haben sich deren in keinerley weise anzumassen.

14. In allen und jeden Unsern Landen und Provicien wollen Wir gewisse Commissarien bestellen lassen/zu welchen offtgedachte Französischen Leute so wohl bey ihrer Ankunfft als auch nachgehends ihr Zuflucht nehmen/und bey denenselben sich Rath und Beystandes sich erholen sollen/Inmassen Wir denn auch allen Unsern Stathaltern/Regierungen und andern Bedienten und Befehlshabern/in Städten und auf dem Lande/in allen Unsern Provincien, so wol vermittels dieses Unseres offenen Edicts, als auch durch absonderliche Verordnungen/gnädigst und enstlich anbefehlen wollen/daß sie offterwehnte Unsere Evangelisch-Reformierte Glaubens-Genossen/Französischer Nation, so viel sich derer in Unsern Landen einfinden werden/samt und sonders unter ihren absonderlichen Schuz und protection nehmen/bey allen oberwehnten ihnen gnädigst concedirten Privilegiies sie nachdrücklich mainteniren und handhaben/auch keineswegs zugeben sollen/daß ihnen das geringste Ubel/Unrecht oder Verdruß zugefüget/sondern vielmehr im Gegentheil alle Hülffe/Freundschafft/Liebes und Gutes erweisen werden. Urkundlich haben Wir dieses Edict eigenhändig unterschrieben/und mit Unserm Gnaden-Siegel bedrucken lassen.

So geschehen zu Potsdam/den 29. Oktober 1685.
Friderich Wilhelm/Churfürst

Quelle: Christian Otto Mylius, Corpus Constitutionum Marchicarum, Oder Königl. Preußis. und Churfürstl. Brandenburgische in der Chur- und Marck Brandenburg, auch incorporirten Landen publicirte und ergangene Ordnungen, Edicta, Mandata, Rescripta [et]c. : Von Zeiten Friedrichs I. Churfürstens zu Brandenburg, [et]c. biß ietzo unter der Regierung Friederich Wilhelms, Königs in Preußen [et]c. ad annum 1736. inclusivè / ... colligiret und ans Licht gegeben von Christian Otto Mylius. Berlin und Halle, Zu finden im Buchladen des Waysenhauses, [1737]-1755, [Theil 2, Abth. 1, No. LXV], S. 183-88.

Eine Emigrantenfamilie wird vom brandenburgischen Kurfürsten in Empfang genommen (ca. 1732)

Quelle: Gabriel Uhlich, Emigrantenfamilie aus Salzburg unter dem preußischen Adler. Kupferstich 1732. Handschriftenabteilung, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz.

© bpk/Staatsbibliothek zu Berlin/Ruth Schacht

Edikt von Potsdam (29. Oktober 1685), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/migration/ghis:document-34> [10.12.2024].