Bekanntmachung des Norddeutschen Lloyd (1901)

Kurzbeschreibung

Die Schifffahrtsgesellschaft Norddeutscher Lloyd, auf deren Schiffen im 19. und 20. Jahrhundert hunderttausende Auswanderer die Überfährt von Hamburg und Bremerhaven in die USA wagten, nimmt hier die Wirte von Unterkünften für junge, allein reisende Frauen in die Pflicht, der Gefahr des Mädchenhandels vorzubeugen. Schauergeschichten über junge Frauen, die nach ihrer Ankunft in die Prostitution gezwungen wurden, waren häufig in der Presse zu lesen. Besonders jüdische Frauen aus Osteuropa, die mittellos und ohne Verbindungen in die USA reisten, waren dieser Gefahr ausgesetzt. 1910 unterzeichneten 14 Staaten, darunter auch das Deutsche Reich, ein internationales Abkommen gegen den Mädchenhandel.

Quelle

An sämmtliche Herren Auswandererwirthe, Bremen.

Unlängst ist es vorgekommen, dass alleinreisende junge Mädchen als Dienstboten nach Übersee, von Kupplern angenommen, zur Beförderung gelangen sollten.

Wenn auch die Gesetze in Bezug auf Fahrlässigkeit keine Strafen über die Personen verhängen können, die an der Beförderung und Unterkunft betheiligt gewesen sind, so ist es doch vom allgemein menschlichen Standpunkte aus dringend erforderlich, dass insbesondere die Herren Gastwirthe und deren Personal stets ihr Augenmerk darauf richten, ob junge, alleinreisende unerfahrene Mädchen nicht durch verwerfliche Versprechungen verrufener Personen in Unglück und Elend gebracht werden könnten. Ein verständiger bremischer Wirth wird bei seiner Erfahrung, natürlich mit dem erforderlichen Takt und Anstand, sicher alsbald solche Reisebestimmungen ausfindig machen können.

Unter Umständen kann übrigens in dieser Beziehung Fahrlässigkeit und Indolenz schwere Straftaten nach sich ziehen, insbesondere wenn der Rath des Wirthes um eine Vertrauensperson angesprochen und der Bitte aus Nachlässigkeit nicht Folge gegeben ist. Wir wünschen deshalb dringend, dass die Herren Wirthe alleinreisende junge Mädchen zu ihrer eigenen Beruhigung, wenn sie evangelischer Konfession sind, stets an den Vertrauensmann Herrn Pastor Büttner, Alberstraße 13, Bremen, und solche katholischer Konfession, stets an den Vertrauensmann des St. Raphael-Vereins Herrn Pastor Prachar, Falkenstraße 49, Bremen, verweisen.

Beide Herren besitzen die ausgebreitetsten Beziehungen und können ihren Glaubensgenossen mit Empfehlungen und Schutz bieten.

Ferner sollte jeder der Herren Wirthe sofort das Nachweisungsbuereau am Bahnhof aufmerksam machen, wenn ihm in Bezug auf das Reiseziel und die demnächstige Unterkunft allein vereisender weiblicher Personen Bedenken kommen.

Bremen, 30. November 1901.

Norddeutscher Lloyd
Abteilung Passage.

Quelle: Bekanntmachung des Norddeutscher Lloyd 1901: „An sämtlichen Herren Auswandererwirthe, Bremen“, Staatsarchiv Bremen; abgedruckt in 300 Jahre Auswanderung in die USA, 1683-1983, S. 415.

Aufruf des Norddeutschen Lloyd zum Schutz alleinreisender junger Mädchen (1901)

Quelle: Norddeutscher Lloyd, „An sämtliche Herren Auswandererwirthe, Bremen“, 1901, Staatsarchiv Bremen. Abgedruckt in: 300 Jahre Auswanderung in die USA, 1683-1983, S. 415.

Bekanntmachung des Norddeutschen Lloyd (1901), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/migration/ghis:document-42> [07.12.2024].