Schreiben der Ehefrauen der Offiziere und Soldaten der russischen „Befreiungsarmee“ an Herrn Generalleutnant Shilenkoff (6. Mai 1944)

Kurzbeschreibung

Im Zweiten Weltkrieg kämpften neben deutschen Soldaten auch Freiwillige aus der Sowjetunion für das nationalsozialistische Deutschland und gegen den Bolschewismus an der Ostfront. Wie dieses Dokument zeigt, wurden deren Ehefrauen, nachdem sie nach Deutschland gebracht wurden, jedoch ebenso unmenschlich behandelt wie die zahlreichen als „Ostarbeiterinnen“ bezeichneten Frauen aus den besetzten Gebieten in Osteuropa und der Sowjetunion, die zur Zwangsarbeit verschleppt wurden. In diesem Fall mussten die Frauen im Siemens Glaswerk in Freital (Sachsen) arbeiten.

Quelle

Dresden, den 6.5.44.

Schreiben der Ehefrauen der Offiziere und Soldaten der russischen „Befreiungsarmee“ an Herrn Generalleutnant Shilenkoff.

Herr Generalleutnant!

Wir alle Ehefrauen wenden uns persönlich an Sie mit der grossen Bitte, und beschreiben Ihnen unser augenblickliches Leben. Herr Generalleutnant, schon 6 Monate arbeiten wir auf einer Papierfabrik und haben in dieser Zeit grossen Hunger ertragen müssen und ertragen ihn auch jetzt. Gewiss, eine kleine Ausnahme in diesem Zustand gab es, wo wir 14 Tage Lebensmittel, wenn auch in kleinen Mengen, erhielten, doch jetzt bekommen wir nur 200 gr. Brot, 50 gr. Margarine und 1 x täglich 1 Liter Kohlrübensuppe. Bei dieser Ernährung arbeiten wir 11 ½ Stunden täglich und viele von uns sind krank geworden, auch die Kinder. Die Werkleitung unserer Fabrik behandelt uns sehr schlecht. Wenn unsere Frauen vor Hunger in Ohnmacht fallen, werden sie, statt zum Arzt gebracht, geschlagen. Dies verbittert uns äusserst. Warum wurden wir und unsere Männer von der militärischen Führung betrogen, d.h. von unserem Regiment Koretti? Als man uns zusammen mit unseren Männern mitnahm, versprach die Führung, dass wir die gleichen Rechte wie Angehörige deutscher Soldaten haben werden, und Lebensmittelkarten bekommen, die allen zustehen. Hier sahen wir aber nur 200 gr. Brot und 1 Ltr. Elende Wassersuppe täglich; ungeachtet dessen, dass wir 11 ½ Stunden arbeiten. Einige von uns haben zwei Säuglinge und müssen auch auf dem Werk arbeiten. Die Kinder bleiben allein im Lager ohne Aufsicht und ohne Essen.

Unser Oberst Koretti fühlt nicht unseren Hunger und beantwortet nicht unsere Briefe, auch unsere Männer bekommen keine Aufklärung. Unsere Männer besuchten uns hier und konnten sich von unserem Leben überzeugen, aber sie können uns nicht helfen, weil die Führung selbst zu helfen nicht gewillt ist. Obwohl, wir betonten es nochmals, als wir hierher fuhren, sagte man uns, dass wir gut leben werden. Herr Generalleutnant, wir alle Frauen flehen Sie an, helfen Sie uns Unglücklichen in irgend einer Weise.

Wir sind bereit, Tag und Nacht zu arbeiten, nur um nicht vor Hunger zu sterben. Die russische Frau fürchtet sich keinerlei Schwierigkeiten.

Herr Generalleutnant, viele von uns halfen unseren Männern und auch dem ganzen deutschen Heer, welches uns verwandt geworden ist. Zusammen mit unseren Männern gingen wir des Nachts gegen die Banditen vor und nahmen teil an der schnellsten Ausrottung der Banden. Jetzt aber kann keiner uns Hilfe leisten, weder unsere Männer, noch die deutsche Führung. Aus diesem Grunde flehen wir Sie an, uns in unserem Leben zu helfen, damit wir nicht hungern oder bringen Sie uns irgend wohin, wo wir für unser Geld etwas zu essen kaufen könnten.

Mit grosser Bitte und Hoffnung

Die Ehefrauen der „Russ. Befreiungsarmee“.

Freital i.Sa. bei Dresden
Obere Dresdenerstr. 26
Siemens-Glss [Glaswerke]

F.d.R.d.A
Sdf.

Quelle: Schreiben der Ehefrauen der Offiziere und Soldaten der russischen „Befreiungsarmee“ an Herrn Generalleutnant Shilenkoff; in BArch, R 55/21347.

Sowjetische Frauen und Mädchen als zwangsverpflichtete „Ostarbeiterinnen“ (12. Dezember 1942)

Quelle: Sowjetische Frauen und Mädchen als zwangsverpflichtete ‚Ostarbeiterinnen‘ im Durchgangslager Wilhelmshagen bei Berlin, 12. Dezember 1942. Deutsches Historisches Museum, BA109913.

© Deutsches Historisches Museum

Schreiben der Ehefrauen der Offiziere und Soldaten der russischen „Befreiungsarmee“ an Herrn Generalleutnant Shilenkoff (6. Mai 1944), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/migration/ghis:document-68> [06.12.2024].