Dialog zwischen einem Salzburger „Exulanten“ und einem Waldenser (1732)

Kurzbeschreibung

Der Salzburger Erzbischof Leopold Anton von Firmian steht hinter dem sogenannten Emigrationserlass von 1731, laut dem die nichtkatholische Bevölkerung Salzburg binnen einer gegebenen Frist zu verlassen hatte. Den größten Anteil der Nichtkatholiken im Erzbistum bildeten die Protestanten mit ca. 20.000 Personen. Der Kurfürst von Brandenburg Friedrich Wilhelm I. versuchte, die Salzburger Protestanten mittels des 1732 erlassenen Immigrationspatents in sein Land zu holen. Die in Dialogform gehaltene Darstellung der Ausweisung aus Salzburg und der Zuwanderung nach Brandenburg bringt das Schicksal der Salzburger mit dem der Waldenser (= Hugenotten) in Verbindung, die nach dem Edikt von Fontainebleau Frankreich verlassen hatten.

Quelle

Waldenser: Saget mir doch, geliebter Bruder, wie lange ist es denn nunmehro, daß ihr aus eurem Vaterlande seyd, und was spricht denn die Welt zu alle demjenigen, was in diesem eurem Lande vorgeht?

Saltzburger: Es sind nunmehro etliche Monathe schon verflossen, daß ich mein Vaterland, welches mich gebohren und erzogen, verlassen müssen. Ich bin einer mit von denen ersten gewesen, welche zu Ausgang des vorigen jahres im monath December zu einer sehr harten und ungelegenen Zeit fortgehen müssen. Indessen ist das Erz-Bischoffthum Saltzburg izo dasjenige land, von welchem in allen Zeitungen Meldung geschiehet, und das zu denen meisten Reden Anlaß giebet, die in der Welt geführet werden. Die Sache ist auch so beschaffen, daß sie wohl eine besondere Aufmercksamkeit verdienet. Denn es kommen hier den uns solche Umstände vor, welche nicht füglich in den Wind geschlagen werden können. Man siehet heiraus, wie die Römisch-Catholische Saltzburger gegen uns Evangelische gesinnet sind, und was wir von ienen zu erwarten haben. Der Religions-Friede, welcher A. 1555. Zu Augsburg ißt geschlossen worden, und der Westphälische Friedens-Schluß, sind bißher zwey Stützen gewesen, auf welche sich die Einigkeit derer Rechs-Stände und die Wohlfahrt des ganzen Römisch-deutschen Reichs gegründet hat. Beyde machet man wanckend. Und solches geschicht, wie alle Evangelische sagen, von einem geistlichen Fürsten, der andern mit gutem Exempel vorgehen, und alle beschwohrne Vorträge desto besser halten soll. Es geschiehet von einem kleinen Herren, dessen Gebiethe sich nicht so gar weit erstrecket, wenn man es gegen die Länder anderer Reichs-Fürsten rechnet, und der keine grosse Armee zu unterhalten pfleget. Es geschicht schon so lange Zeit, indem bereits drey Jahre verflossen seyn, da man uns Lutheraner drücket, verfolget, und aus dem Lande jaget. Wir werden vor dem gesezten Termin ausgetrieben, der uns doch in denen Reichs-Gesetzen mit ausdrücklichen Worten bestimmet ißt. Wir durfften dasjenige nicht mit uns nehmen, was uns doch als unser Eigenthum gehöret. Es ist uns öffters nicht einmal vergönnet worden, unsere gerechte Klagen an höheren Orten anzubringen, und die rechtmäßige Obrigkeit um Gerechtigkeit anzuflehen. Alle Pässe sind besezet, daß neimand aus- oder einziehen kan. Alle Briefe werden an den Gräntzen erbrochen, welche aus- oder eingehen. Alle Personen werden gefangen genommen, und als Rebellen angesehen, die an andern Orten Hülffe suchen wollen, ja die Emigranten werden auf hundert Art beschwehret. Solches alles ist denen Reichs-Gesetzen zuwider. Die Evangelische bitten vor uns, aber man antwortet ihnen nicht einmahl darauf. Sie thun die allerbündigste Vorstellungen, und legen die deutlischste Worte der Grund-Gesetze vor Augen, aber man siehet nicht einmahl darauf; Sie drohen mit Repressalien, welche ihnen die Gerechtigkeit zu brauchen befiehlet, aber man achtet nichts darauf. Fast ganz Europa reget sich, und will die Unbilligkeit nicht vertragen, aber man fraget nichts darnach. Man bittet so sehnlich um eine Local-Commission, welche alles genau untersuchen, und die Wahrheit ans Licht bringen soll, aber auch diese kann man nicht erhalten. Die Gesandte haben an ihren Principalen berichtet, daß, wo sie diese handgreiffliche Verletzung der so theuer beschwohrnen Friedens-Schlüsse nicht ahnden wollten, so könnte es nicht anders seyn, die Feinde der Evangelischen Religion würden weiter gehen, und alles über einen Hauffen werffen. Niemand weiß, was sie hierauf beschliessen werden. Und dieses nun ist, mein lieber Bruder, das Urtheil, welches man insgemein Protestantischer Seits von uns fället, ob wir gleich, was unsere Personen betrifft, gerne das Unrecht ertragen, und niemahls Böses mit Bösen, auch in unseren Reden zu vergelten pflegen.

Quelle: Die Seufftzende Saltzburger/ Oder Besondere Unterredung Im Reiche der Lebendigen, Zwischen einem der Religion halben aus dem Lande emigrirenden Saltzburger Und einem gleichfalls wegen des Glaubens aus Italiänischen und Frantzösischen Gräntzen vertriebenen Waldenser/ Darinnen beyder Schicksale und Verfolgungen, insonderheit aber die Historie der emigrirenden Saltzburger vollständig beschrieben wird. Magdeburg 1732, S. 5f. Online verfügbar unter: http://data.onb.ac.at/rep/10A788E0

Dialog zwischen einem Salzburger „Exulanten“ und einem Waldenser (1732), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/migration/ghis:document-75> [05.12.2024].