Fremde in der Reichsstadt Köln im 18. Jahrhundert (1793)
Kurzbeschreibung
Die Chronik des Anno Schnorrenberg (1667-1715) beschreibt die Umstände in Köln während des Ersten Koalitionskriegs (1792-1797). Die Stadt war in dieser Zeit Quartier für eine große Zahl französischer Auswanderer, aber auch für zahlreiche französische Kriegsgefangene. Auswanderern und Kriegsgefangenen war es erlaubt, sich innerhalb Kölns frei zu bewegen, wobei es den Kriegsgefangenen im Unterschied zu den Auswanderern selbstverständlich verboten war, die Stadt zu verlassen. Der tägliche Anstieg der Brotpreise wird von Schnorrenberg auf die Anwesenheit der zahlreichen Fremden zurückgeführt. Wie der Kölner Stadtrat dieser Teuerung entgegenwirkte, ist ebenfalls in der Chronik zu lesen.
Quelle
April 1793.
Am 1. morgens 6 Uhr wurden etwa 1000 von den Kaiserlichen gefangene Franzosen, die in Klöstern, Zunfthäusern und anderen geräumigen Gebäuden unserer Stadt untergebracht waren, nach Namur geführt. 145 von ihnen hatte der Rat Wohnung in unserem Kloster angewiesen. Es waren Menschen, deren Entartung und Zügellosigkeit auf ihrer Stirn zu lesen war, genug, Franzosen waren sie ohne Gesetz und ohne Gott.
15. und 16. Unser Kloster wurde 53 Artilleristen als Quartier angewiesen, die heute früh am 17. zum Heere abgingen. Gleichzeitig gingen aus dem Kölner Zeughaus entnommene Geschütze, mit neuen Lafetten versehen, nach dem gleichen Bestimmungsort ab.
In diesen Tagen reisten sehr viele Priester aus dem französischen Grenzgebiet, die wegen der Verfolgung sich in unsere Stadt geflüchtet hatten, wieder nach Frankreich nächst gelegenen Ort ab, wo sie Pfarrer oder Benefiziaten sind oder aus anderem Grunde gewünscht werden, da der Sieg Österreichs ganz Belgien die ehemalige Sicherheit wiedergegeben hat.
Am 18. morgens 14 Uhr kam Dumurier (Dumouriez), der ehemalige französische Oberbefehlshaber, nach Köln und reiste, nachdem die Pferde gewechselt waren, wie es heißt, weiter nach Wien. . . Seinem Beispiel folgend verließen Offiziere und nicht wenige ganze französische Regimenter das Lager und gingen zum österreichischen Heere über. Verschiedene Generale, denen das Kriegsglück nicht günstig gewesen war, wurden ins Gefängnis geworfen, als Verräter des Vaterlandes erklärt, hingerichtet. Unerhörte Dinge, die aus diesem unseligen anarchischen Regiment entspringen.
Da Gottes unerschöpfliche Güte und Barmherzigkeit Köln vor dem wütenden Angriff der verbrecherischen Franken bewahrt hat, wurde eine feierliche Dankandacht mit 13 stündigem Gebet und Tedeum gehalten. Sie begann am 28. Im Dom und wird an den folgenden Tagen in den übrigen Kirchen fortgesetzt werden. Gleiche Verfügung erging an die Landpfarrer. Mit Recht wurde diese eucharistische Andacht verfügt, denn furchtbar war der Sturm und nahe uns, und wenig fehlte, so wären wir alle zugrunde gegangen.
Alle Kaiserlichen haben jetzt Köln verlassen. Dafür sind 500 kurfürstlich-trierische Soldaten gekommen, welche das zurückgebliebene Getreide, die Spitäler und was sonst zum kaiserlichen Heer gehört, bewachen sollen.
Mai 1793.
[…]
Täglich steigen die Lebensmittelpreise, denn unsere Stadt wimmelt von französischen Auswanderern und Gefangenen. Letztere werden täglich unter Begleitung kaiserlicher oder pfälzischer Soldaten zum Markt geführt, um das zum Leben notwendige zu kaufen, und zahlen ohne zu handeln den von den Verkäufern verlangten Preis. Infolgedessen müssen die Bürger sich das Notwendige zu höherem Preise verschaffen.
In Köln herrscht ansteckende Dysenterie. Viele sterben daran…
[…]
October 1793.
Am 3. Kamen unter kurfürstlich-kölnischer Bewachung 2700 gefangene Franzosen. Wir erhielten 50, wieder lauter Offiziere. Täglich folgen sich Durchzüge von Gefangenen. Da die Franzosen Gefangenen-Austausch verweigern, werden sie zu Arbeiten nach Ungarn geschafft.
Am 18. Kamen wieder 700 gefangene Franzosen unter hamburgischer Bewachung. Am gleichen Tage zog das nach seinem Führer Michalowitsch genannte Regiment durch die Stadt, wilde Männer, in Serbien angeworben. Sie raubten überall und konnten von Ausschreitungen nicht zurückgehalten werden.
Am 30. Kamen 2500 hessische Soldaten nach Köln, von denen 140 unserem Kloster zugewiesen wurden. Sie hatten drei Ruhetage, dann marschierten sie weiter zum Prinzen von Coburg. Es waren alles tüchtige, tapfere, kräftige Leute, von gefälligen Sitten, in soldatischer Zucht Keinem nahestehend, auch gut gekleidet. Die Quartiergeber konnten sie nur loben.
November 1793.
Unser Rat veröffentlichte in unserer bedrängten Zeit, in welcher die Brottheuerung den Bürger schwer peinigt, das Folgende. Folgt deutscher Text des Ratsbeschlusses vom 15. November, durch welchen die im vorigen Jahre gebildete Theuerungs-Commission bestätigt und zu weiterer Unterstützung derselben aufgefordert wird, unterzeichnet von J.J. Cardauns, Dr. Secretarius. Zur Herabsetzung der Brotpreise konnte der Rat nur zwischen zwei Mitteln wählen: Entweder Auflegung einer außerordentlichen Steuer, oder freiwillige Beisteuer der Stadt und ihrer Bewohner geistlichen oder weltlichen Standes. Er wählte das letztere, da er das fromme Mitleid der Einwohner und ihren bewährten Eifer im Wohlthun kannte.
Wiederholte Diebstähle und Einbrüche veranlaßten den Rat zur Einrichtung nächtlicher Streifwachen und zu dem Verbot, abends nach zehn Uhr ohne Licht die Straßen zu betreten; Zuwiderhandelnde seien ohne Ansehen der Person zu verhaften.
Quelle: Hermann Cardauns, Hrsg., Köln in der Franzosenzeit. Aus der Chronik des Anno Schnorrenberg 1789-1802. Bücherei der Kultur und Geschichte, herausgegeben von Dr. Sebastian Hausmann, Band 30. Bonn und Leipzig: Kurt Schroeder Verlag, 1923, S. 53-58.
Weiterführende Inhalte
Astrid Küntzel, Fremde in Köln: Integration und Ausgrenzung zwischen 1750 und 1814. Böhlau Verlag: Köln/Weimar/Wien 2008.