Margarethe Schütte-Lihotzky, „Die Frankfurter Küche und neuzeitliches Hausgerät“ (1927)

Kurzbeschreibung

Die Frankfurter Küche war Teil des vom Stadtbaurat Ernst May initiierten Projekts „Neues Frankfurt“ während der 1920er Jahre. Die Küche selbst hatte die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000) entworfen. Sie gilt als erste moderne Einbauküche. Beim Design achtete Schütte-Lihotzky darauf, dass alle Tätigkeiten kraft- und zeitsparend ausgeführt werden konnten.

Quelle

Die Zusammenhänge von Rationalisierung der Hausarbeit und den neuen Bauten werden heute nicht nur von Hausfrauen, sondern auch von vielen Baufachleuten als außerordentlich wichtig erkannt. Deshalb wurde der Bauausstellung „Die neue Wohnung und ihr Innenausbau“, die anschließend an die Frühjahrsmesse in Frankfurt stattfand, eine Sonderabteilung des Frankfurter Hausfrauenvereines, betitelt „Der neuzeitliche Haushalt“, angegliedert.

Diese Ausstellung förderte vor allem die so wichtige Zusammenarbeit von Architekt, Industrie und Hausfrau. Besonders erfreulich war es zu bemerken, wie sehr sich die Industrie heute schon auf die praktischen Forderungen der Hausfrauen einstellt. Allerdings vorläufig mehr in rein technischen Dingen, wie Kücheneinrichtungen, hauswirtschaftliche Apparate und Maschinen. Überall wo Geschmacks- und Gefühlswerte mitsprechen, wie bei Zimmermöbeln, Lampen usw., glaubt die Industrie vielfach noch immer verschnörkelte, dekorierte und staubsammelnde Modelle anfertigen zu müssen, um nicht geschäftlichen Schaden zu erleiden. Diese Ausstellung aber, die zum Unterschied von anderen Messen nach ganz bestimmten Gesichtspunkten juriert war, sollte besonders den Frauen vor Augen führen, daß sie eben nicht alles, was in den Handel kommt, gedankenlos hinnehmen dürfen.

Die größte Sorgfalt wurde auf die Darstellung vorbildlicher Kücheneinrichtungen gelegt.

Als für die Hausfrau besonders lehrreiches Beispiel für Schritt- und Griffersparnis wurde eine Originalspeisewagenküche von Mitropa mit kompletter Einrichtung gezeigt. Die äußerst durchdachte Raumausnützung dieser Küche ist 2,90 m lang und 1,90 m breit. Der Gang zwischen Herd und Küchentisch ist 90 cm breit. Auf Borden, Regalen und in Fächern stehen und an Haken unter der Decke hängen die Kochgeräte; in Vorratsverschlägen und Kühlschränken sind die Rohstoffe wie Fleisch, Kartoffeln, Eier, Butter, Brot usw., aus denen die Gerichte hergestellt werden, untergebracht. Schränke, Kästen und Fächer bergen Weine, Biere, Mineralwässer, Liköre, Limonaden. Wieder andere das Tafelgeschirr in einer für den Laien erstaunlich großen Menge und Zahl. Auf 15stündiger Fahrt werden weit über 400 Gäste bedient. Es ist klar, daß die Bediensteten, die in diesen beiden Räumen von zusammen 8m² eine derartige Arbeitsleistung nie vollbringen könnten, wenn sie dauernd in einem großen Raum hin- und herlaufen müßten. Unsere Küchen sind in der Regel 14 bis 16m² groß. Warum benötigen wir für einen geringen Teil dieser Arbeitsleistung den doppelten Raum?

Auf dieselben Grundsätze der Schritt- und Griffersparnis sind die Einrichtungen der „Frankfurter Küche“ aufgebaut.

Die komplett eingerichteten, ausgestellten drei Grundtypen der Frankfurter Küche des städt. Hochbauamts (Entwurf Grete Lihotzky) sollten verschiedensten Bedürfnissen Rechnung tragen. Sie sind 1. für den Haushalt ohne Hausgehilfen, 2. für den Haushalt mit einer Hausgehilfin, 3. für den Haushalt mit 2 Hausgehilfinnen gedacht.

Die erste ist als Kochraum anschließend an den Wohnraum geplant. Durch eine breite Schiebetüre kann die Hausfrau während der Arbeit in der Küche die Kinder im Wohnraum beaufsichtigen. Die Küche enthält Topf-, Vorrats- und Geschirrschrank, Gasherd mit Wrasenfang, Kochkiste, entlüfteten Speiseschrank, Arbeitstisch mit Abfallrinne, zweiteiliges Spülbecken mit Abtropfbrett, herabklappbares Bügelbrett, Gewürzgestell, Tellertropfgestell und 19 Schubladen. Eine fahrbare Lampe ermöglicht das genaue Einstellen des Lichts zum Arbeitsplatz.

Die zweite Küche für eine Hausgehilfin hat statt der Türe zum Wohnraum nur eine Durchreicheöffnung zum anschließenden Eßzimmer; außer den oben angeführten Einrichtungsgegenständen noch einen Sitzplatz für das Mädchen.

Der Wirtschaftsteil für den Haushalt mit 2 Hausgehilfinnen war in Küche und Anrichte geteilt. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, daß auch für großen Haushalt nicht eine große Küche, in der sich die Wege des darin arbeitenden Personals kreuzen müssen, angelegt werden soll. Jede Arbeitskraft hat ihr eigenes abgegrenztes Arbeitsgebiet zu erhalten, in diesem Fall Küche und Anrichte, die durch einen durchgehenden Geschirrschrank mit Durchreicheöffnung getrennt sind.

Da ein Arbeiten von Holzmöbeln in Neubauten unvermeidlich ist, ist das Hochbauamt der Stadt Frankfurt bemüht, eingebaute Einrichtungen aus anderen Materialien herzustellen. Daher wurde eine Küche aus Metall in Form einer Kochnische für Ledigenwohnungen gezeigt. Auch ein Versuch, eine Kücheneinrichtung aus Kunststeinplatten (D. R. P.) aufzubauen, zeigte, wie sehr Architekt und Industrie bemüht sind, technisch vollkommene Lösungen für die Hausfrau zu finden.

Die Bewegung der Rationalisierung der Hauswirtschaft ist aber keineswegs auf Deutschland beschränkt. An erster Stelle steht hier Amerika, dessen Schränke und Tische bei technisch vollkommener Präzisionsarbeit außerordentlich vorbildliche Muster an Arbeitsersparnis darstellen. Leider konnten diese und die amerikanischen Geschirrspülmaschinen, die dort in Spülsteinen in Mittelstandswohnungen eingebaut sind, nur im Bild gezeigt werden. In Deutschland werden solche Maschinen bis jetzt nur für große Hotelbetriebe hergestellt. Bilder schwedischer, norwegischer und Wiener Küchen zeigten, daß die Entwicklung parallel geht und auch dort die gleichen Probleme aufgeworfen werden.

Der Wert der Normung wurde durch Bilder und Tabellen besonders hervorgehoben, um die Frauen auf die dadurch bedingte Arbeitsersparnis und bessere Preisgestaltung zu verweisen. Genormte, glatte, leicht zu reinigende Türgriffe wurden den alten staubsammelnden Messinggriffen gegenübergestellt; eine Tabelle des Normenausschusses erklärte die Wichtigkeit genormter Einsiedegläser, hauswirtschaftlicher Maschinen usw.

Der Elektrizität, der im Haushalt unbedingt die Zukunft gehören wird, war ein besonderer Raum gewidmet. In Frankfurt ist der Strompreis über einer vom Elektrizitätswerk festgesetzten Lichtgrenze 10 Pf. für die Kilowattstunde, es wird also sozusagen auf Verbrauch von Strom eine Prämie gesetzt, vor allem um den Gebrauch elektrischer Apparate zu fördern. Die Firma Siemens zeigte auf der Ausstellung einen neuen Herd, der bei dem 10-Pfennig-Preis im Verbrauch nicht teurer ist als Gas. Der Herd mit 2 Kochlöchern und einem Backrohr kostet im Einzelhandel 150 RM.

Auf richtige Beleuchtung von Wohn- und Arbeitsplätzen wurde durch die neuen, nach jeder Richtung verstellbaren Mitgarlampen verwiesen. Diese stellen bei knappster Form eine Ideallösung von Platzbeleuchtung dar.

Unter den zahlreichen arbeitsparenden Geräten seien einige neue hervorgehoben. Eine in den Arbeitstisch eingeschobene emaillierte Rinne für Küchenabfälle (D. G. M.), Mehltrichter (D. R. P.), verschiedene Arten von Tellerabtropfgestellen (D. G. M.), verstellbare Küchendrehstühle, medizinische Eimer für Küchenabfälle, neuartige Kühlschränke usw. Ein neuer Schrank für elektrische Maschinen und moderne elektrische Eisschränke stellten gute Erzeugnisse der Industrie dar, die leider momentan nur für Bemitteltere erschwinglich sind.

Die Buchführung im Haushalt, durch die so viel Ärger, Zeit und Geld gespart werden kann, ist heute, vor allem aus Mangel an geeigneten Büchern noch sehr im Rückstand. Ein sehr gutes neues Haushaltungsbuch nach dem System amerikanischer Buchführung (bearbeitet von Frau Pfannes, Frankfurt) wurde von den Hausfrauen sehr begrüßt.

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß dem Hochbauamt der Stadt Frankfurt, sowohl auf Grund seiner großzügigen Durchführung von arbeitsparenden Küchen, als auch durch Anregung der Ausstellung, deren Leitung in den Händen des Hochbauamts lag, ungezählte Anfragen aus dem In- und Ausland zugehen. Aus diesem Grunde hat die Stadt eine Beratungsstelle für arbeitsparende Küchen eingerichtet, die Planung und Durchführung derartiger Küchen übernimmt, sowie auch über den Verkauf verschiedener neuer hauswirtschaftlicher Einrichtungsgegenstände, die zum Teil vom Hochbauamt selbst geschützt sind, an andere Stadtverwaltungen, Siedlungsgenossenschaften, Architekten und Private Mitteilung macht.

Mit der hier beschriebenen Ausstellung aber hoffen wir, den Frauen viel Anregung gegeben zu haben. Die ganzen Fragen arbeitsparender Haushaltführung sind ja mit denen des Wohnungsbaus innig verknüpft. Es ist wichtig, daß sich die Baufachleute mehr wie bisher auf diese Zusammenhänge einstellen, es ist aber auch wichtig, daß die Frauen langsam technisch so weit geschult werden, daß sie wissen, was sie verlangen können. Es ist von größter Bedeutung, daß sie erkennen, daß das Problem des neuen Bauens, sowohl von Häusern als auch von Möbeln und Geräten, darin besteht, nach jeder Hinsicht genau durchdachte und geprüfte Standardmodelle zu schaffen, die durch größte Rationalisierung der Erzeugung auch dem Minderbemittelten und somit der Masse zugute kommen können.

Quelle: Margarethe Schütte-Lihotzky, „Die Frankfurter Küche und neuzeitliches Hausgerät“, Neue Frauenkleidung und Frauenkultur 7, Karlsruhe (1927), S. 196–97.

Margarethe Schütte-Lihotzky, „Die Frankfurter Küche und neuzeitliches Hausgerät“ (1927), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:document-14> [05.12.2024].