Schreiben des Gouverneurs von Ostafrika, Julius von Soden, an den Präsidenten des Deutschen Kolonialvereins, Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (1891)

Kurzbeschreibung

Dieser Bittbrief führt die Verbindungen zwischen der Bürokratisierung des Wissens, der Instrumentalisierung der Bildung, der Entstehung einer bürgerlichen Gesellschaft und dem Verfolgen nationalistischer Ziele vor Augen – alles wichtige Elemente der Wissensgeschichte des 19. Jahrhunderts. Der Gouverneur von Ostafrika möchte in Dar-es-Salam eine Schule eröffnen, um die nächsten Generationen von untergeordneten Beamten auszubilden, die in den Büros der deutschen Kolonialbehörde einsetzbar wären. Um die dafür nötige Finanzierung aufzubringen, wendet er sich an den Deutschen Kolonialverein, eine bürgerliche Interessengruppe, die den Staat mehrfach zur Einmischung in ausländische Angelegenheiten drängte, was sich sowohl innen- wie außenpolitisch als problematisch erweisen sollte. Hier wird deutlich, was für eine wichtige Bedeutung dem Wissen für das deutsche Großmachtstreben beigemessen wurde.

Quelle

Kaiserlicher Gouverneur von Deutsch-Ostafrika
An
den Präsidenten des Deutschen Kolonialvereins Hohenlohe-Langenburg,

30.3.1891

Gnädigster Fürst!

Euere Durchlaucht wollen entschuldigen, wenn ich schon jetzt, noch bevor ich am Orte meiner Bestimmung nur angekommen, mit Bitten und Plänen hervortrete, die ich allerdings schon früher auf dem Herzen hatte, in der Kürze der Zeit jedoch, die ich mit Euerer Durchlaucht zusammen zu sein die Ehre hatte, nicht Vorbringen konnte.

Schon bei meinem ersten Besuche in Ostafrika faßte ich den Entschluß, wenn irgend möglich in Dar es Salaam eine Regierungsschule zu gründen, um in dieser hauptsächlich einen Stamm von Eingeborenen heranzuziehen, der mit der Zeit einmal im Subalternendienste des Gouvernements als Schreiber, Polizeidiener, Zollerheber u.s.w. u.s.w. Verwendung finden sollte. Die Schule dachte ich mir ähnlich wie in Kamerun einzurichten, insbesondere auch konfessionslos, indem es den Missionaren überlassen bleiben sollte, ihre Opfer unter den Schülern zu wählen, falls die Eltern damit einverstanden sind. Um die Sache in die Wege zu leiten wäre zunächst erforderlich l) Schulhaus, 2) Wohnung für den Lehrer, 3) dieser selbst und 4) dessen Gehalt, das von 4500 M beginnend mit jährlichen Zulagen von 500 M etwa auf 6000 M als Höchstbetrag zu steigen hätte. Leider mußte ich bei meiner Rückkehr nach Berlin sehr zur Erkenntnis kom­men, daß bei der gebotenen Sparsamkeit hierzu keine Mittel vorhanden seien und es sinn- und zwecklos wäre, eine Summe hierfür in den Etat ein­zusetzen, weil angesichts der zu erwartenden Einnahmen der Plan damit eben doch bloß auf dem Papier stehen, dagegen nie in die Wirklichkeit getreten wäre. Ich mußte deshalb auf andere Mittel und Wege sinnen, die hierzu erforderliche Summe aufzubringen; nach Rücksprache, die ich an Ort und Stelle mit Eingeborenen und solchen Europäern, welche die Eingeborenen und ihre Verhaeltnisse kennen, genommen, ist gegründete Aussicht vorhanden, daß die zur Erbauung eines Schulhauses und einer Lehrerwohnung notwendigen Mittel von reicheren Indiern oder aber überhaupt von den Einheimischen aufgebracht werden können, jedenfalls werde ich sofort in dieser Richtung thätig sein; somit bliebe nur noch der Lehrer selbst und dessen Entsendung und Besoldung übrig, und in dieser Beziehung ist nun meine Hoffnung auf Euere Durchlaucht und den Deutschen Kolonial-Verein gerichtet, ob nicht vielleicht durch dessen Bemühungen wenigstens für die ersten 3 oder 4 Jahre die durch die Lehreranstellung erwachsenden Auslagen gedeckt werden könnten. Meine in Kamerun gemachten Erfahrungen sprechen für die Wahl eines Württembergers und dürfte derselbe nicht den Muckerkreisen angehören; an Bewerbern dürfte es wohl nicht fehlen, und ich glaube, daß Euere Durchlaucht die Auswahl hätten, wobei allerdings Vorsicht geboten, vor allem müßte es ein frisch frei fröhlicher Junge sein, und die Frömmigkeit käme jedenfalls erst in vierter Linie in Betracht; auch dürfte es sich empfehlen, den Mann vor seiner Entsendung auf 1/2 Jahr das Orientalische Seminar in Berlin besuchen zu lassen, damit er bei seiner Ankunft wenigstens mit der Grammatik der Suaheli-Sprache schon hinreichend vertraut ist.

Sollte Euere Durchlaucht sich dieser Sache annehmen wollen, garantiere ich meinerseits die Schule und Lehrerwohnung; auf die eine oder andere Weise werde ich diese schon zustande bringen und könnte der Kolonialverein diese Bedingung als meinerseits erfüllt betrachten; ich behalte mir vor, Euerer Durchlaucht im Laufe der nächsten Monate hierüber ganz Bestimmtes mitzuteilen, doch kann auch ich keine endgültigen Maßnahmen treffen ohne die Gewißheit einer Unterstützung seitens des Kolonial- Vereins.

Ich möchte nur gleich hier einem Einwand begegnen, der vielleicht gegen meinen Plan erhoben werden könnte, nämlich den, daß es Sache der Missionen sei, die hier gestellte Aufgabe zu erfüllen. Selbst den Fall vorausgesetzt, daß die Missionen ihren Angehörigen eine derartige Erziehung zu Teil werden lassen, wie sie durch den in Rede stehenden Zweck bedingt wird, immerhin würden sie dann voraussichtlich noch auf Jahrzehnte hinein ihre Schüler für sich und ihre Zwecke, d.h. im Dienste der Missionen selbst verwenden und keinen oder doch jedenfalls nicht den brauchbareren Teil an die Regierung abtreten.

Indem ich somit diese Idee der wohlwollenden Erwägung Euerer Durchlaucht empfehle und damit die Bitte verbinde, mich sobald als möglich über die Stellung, welche der Deutsche Kolonial-Verein zu derselben einnimmt, verständigen zu wollen, verharre ich mit der Versicherung aufrichtigster Ehrerbietung als Euer Durchlaucht gehorsamster

von Soden,
K. Gouverneur

Quelle: Bundesarchiv R 8023 / 968, Bl. 6f; abgedruckt in Christel Adick und Wolfgang Meinert, Hrsg., unter Mitarbeit von Thea Christiani, Deutsche Missions- und Kolonialpädagogik in Dokumenten. Eine kommentierte Quellensammlung aus den Afrikabeständen deutschsprachiger Archive 1884-1914. Frankfurt am Main: IKO-Verl. für Interkulturelle Kommunikation, 2001 (Historisch-vergleichende Sozialisations- und Bildungsforschung 2), Nr. 122, S. 379–81. Online verfügbar unter: http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-116941

Schreiben des Gouverneurs von Ostafrika, Julius von Soden, an den Präsidenten des Deutschen Kolonialvereins, Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (1891), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:document-140> [30.11.2023].