Preussisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, „Notwendige Reformen im höheren Schulwesen“ (August 1933)

Kurzbeschreibung

Der Textausschnitt legt die Ansichten des Preußischen Ministeriums für Wissen und Bildung zu der Frage dar, wie das höhere Schulwesen reformiert werden müsse. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht dabei die Ansicht, dass im Schulunterricht das Bewusstsein der Jugend für „ihr deutsches Wesen und ihre Volksverbundenheit“ geschärft werden müsse. Zu den diskutierten Maßnahmen zählen insbesondere die Verbreitung „rassen-biologischer Kenntnisse“ und der Bedeutungszuwachs der „Körper- und Willensbildung“ sowie der „deutschkundlichen Fächer“. Damit zeigen sich die Intentionen der rassenideologisch geprägten nationalsozialistischen Bildungspolitik spätestens zum August 1933 deutlich.

Quelle

Die liberalen Ideen von dem absoluten Wert des Einzelmenschen, von der kommenden übervölkischen Menschengemeinschaft, von der Allmacht des Verstandes und der Notwendigkeit einer formalen und stofflichen Allgemeinbildung haben in unserem Schulwesen zu der theoretisierenden Lebensfremdheit, der inneren Verworrenheit und äußeren Zerrissenheit geführt, die die besten Schrittmacher völkischer Zersetzung waren und schließlich auch wirtschaftlich unerträgliche Formen angenommen haben.

Jede Zeit schafft sich die ihren Anschauungen entsprechenden Bildungsanstalten. So entstand in der Zeit des Neuhumanismus das altsprachliche Gymnasium aus der Überzeugung, die vermeintlich übervölkische Kultur der Antike durch geistigen Erwerb der lateinischen und griechischen Sprache und Literatur für sich gewinnen zu können. Die Jahrzehnte der naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritte schufen sich die Realanstalten, und die kulturell richtungslosen Zeiten gegen Ausgang des vorigen Jahrhunderts konstituierten „als goldene Mittelwege“ die verschiedenen Arten der Realgymnasien, bis schließlich das wiedererwachende Kulturbewußtsein sich in den deutschen Ober- und Aufbauschulen Geltung zu schaffen suchte. Keine Zeit aber fand den Entschluß, eine Schulart vergangener Zeit auszuschneiden; denn alle diese Zeitabschnitte bauten ja letzten Endes auf demselben liberalen Grundgedanken auf und besaßen daher nicht den Maßstab, an dem sie Wert oder Unwert eines Stoffes, einer Methode oder Schulart hätten messen können. Demgegenüber verkündet die völkische Weltanschauung im Sinne der von ihrem Führer in seinem Kampfbuch ausgesprochenen Grundsätze, daß auch auf dem Gebiete der Erziehung biologisch-organisches Denken und Handeln die Grundlage bilden müssen.

Weder Einzelmensch noch Menschheit können danach den Maßstab für die Erziehung abgeben, sondern nur die rassen-biologisch gesehene Volksgemeinschaft. Ihr hat alle Erziehungsarbeit zu dienen. Alle Erziehung muß daher über die Ausbildung des Einzelnen hinaus stets den Blick auf die Volksgemeinschaft richten. Wer dieser dient, frommt auch dem Einzelnen. Ein Volk aber kann nur bestehen, wenn seine Glieder gleich gesund an Körper, Seele und Geist sind, und wenn nicht durch Einpumpen bloßen Wissens und durch formale Geistesschulung die beiden anderen, für die Erhaltung des Volkes wichtigeren Seiten seiner Glieder verkümmert werden.

Ob und wieweit ein Bildungsstoff an den Schulen getrieben wird, hängt davon ab, wieweit er geeignet ist, unserer Jugend ihr deutsches Wesen und ihre Volksverbundenheit bewußt zu machen und in Tatwillen umzusetzen. Erst in zweiter Linie darf ihre Bedeutung für einen bestimmten Beruf und ihre formalbildende Kraft berücksichtigt werden. Infolgedessen werden alle dem Hauptziel nur wenig oder nur den Nebenzielen dienenden Stoffe an der neuen deutschen Schule zurückge­drängt werden müssen und können nicht den Anspruch erheben, Lehranstalten eigener Form in größerer Anzahl zu gestalten.

Im einzelnen müssen folgende Grundsätze durchgeführt werden:

1) (s. Sofortmaßnahmen I u. II) Wichtigste Grundlage aller Schulerziehung bilden die rassen-biologischen Kenntnisse. Sie sind den Schülern zu unverlierbarem Besitz zu machen und müssen alle anderen Fächer als Unterrichtsgrundsatz durchdringen.

Körper- und Willensbildung – besonders in den Leibesübungen – erhalten damit gegenüber der bisher fast allein herrschenden Geistesschulung die ihnen gebührende Stellung, und über der Erziehung des Einzelnen steht fortan als höchstes Ziel die Erziehung zur Volksgemeinschaft. Hierbei wird die Schule mit anderen, gleichstrebenden Erziehungsgemeinschaften, wie vor allem den nationalsozialistischen Jugendverbänden, Hand in Hand arbeiten müssen.

2) (s. Sofortmaßnahmen III u. IV) In der geistig seelischen Ausbildung stehen an sämtlichen deutschen Schulen fortan neben der Biologie die deutschkundlichen Fächer Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Zeichnen, Singen, als für alle Schüler in sämtlichen Klassen verbindliche Kernfächer im Mittelpunkt. In ihnen ist zurückzugreifen auf die germanisch-deutsche Vor- und Frühzeit, in der das uns artgemäße Wesen noch frei von stärkerer Verbildung durch fremdvölkische Einflüsse gestaltet war. Andererseits hat alle Beschäftigung mit der Vergangenheit nur dann Wert, wenn sie auf die unmittelbare Gegenwart bezogen und angewandt wird und Willen zur Gemeinschaft fördernder Tat weckt. Auch für die Fremdstoffe gilt dieser Grundsatz. Es kommen danach nur die Kulturen und Sprachen der uns rassisch verwandten Völker als Bildungsstoffe ernstlich in Frage.

3) (s. Sofortmaßnahmen V) Das deutschvölkische Gut muß möglichst lange alleiniger Bildungsstoff sein, so daß es in der Seele der Jugendlichen bereits als unverlierbare Kraft vorhanden ist, wenn ihr Blick auf nichtdeutsche Dinge gelenkt wird. Die Fremdstoffe treten erst allmählich hinzu und sind nach dem Grade ihrer Verwandtschaft mit der deutschen Kultur auszuwählen und erst in zweiter Linie nach ihrem allgemein verstandesbildenden oder ihrem beruflichen Wert. Sämtliche höheren Schulen müssen daher in den Klassen VI-IV (1-3) völlig beherrscht sein von dem deutschkundlichen Bildungsgut, und es tritt nur das Eng­lische als uns rassisch und kulturlich am nächsten stehenden Welt-Volkes in mäßi­gem Umfange (4 Wochenstunden) hinzu. Dieser Zustand wird an den weitaus meisten höheren Schulen bis zur Reifeprüfung bleiben können und müssen, so daß es an dieser Hauptschulform „der Oberschule“ möglich ist, die Hochschulreife mit nur einer Fremdsprache zu erwerben. Denn es ist ein Vorurteil zu glauben, daß vertiefte, zu wissenschaftlicher Leistung befähigende Bildung nur durch besonders eingehende Beschäftigung mit mehreren Fremdsprachen erworben werden könne.

[]

Um die hiernach notwendigen Änderungen im höh. Schulwesen einzuleiten, halten wir folgende

Sofortmaßnahmen für dringend geboten:

I) Biologische Grundlegung:

1) In allen Klassen der höh. Schulen sind 2 Stunden Biologie zu erteilen, nötigenfalls auf Kosten der Mathematik oder der übrigen Naturwissenschaften oder der Fremdsprachen. Vererbungslehre, Rassenkunde, Einzel-, Volks- u. Rassenhygiene, sowie Familien- und Bevölkerungskunde sind besonders in den 4 oberen Klassen bevorzugt zu betreiben.

2) In den Abschlußklassen ist sofort darauf Bedacht zu nehmen, daß die Schüler die Grundlagen dieser biologischen Gesetze u. ihre Erscheinungsformen eingeführt werden. In der kommenden Reifeprüfung zu Ostern 34 wird von jedem Prüfling die Kenntnis dieser wichtigen Lebensgrundlagen nachgewiesen werden müssen.

II) Körperliche Ertüchtigung:

1) An allen Schulen sind die Monatswanderungen ausnahmslos durchzuführen. In jedem Halbjahr findet eine zwei- bis dreitägige Wanderung statt. Die Wanderungen sollen weniger Lehrzwecken dienen, als vielmehr der Körperpflege u. der persönlichen u. nationalen Willensbildung. Größte Einfachheit, Selbsthilfe und Gemeinschaftsleben sind daher dringendes Gebot. Da sich in der S.A., S.S., H.J. u. ihrem Jungvolk jugendlicher Gemeinschaftsgeist u. nationalpolitisches Streben in hervorragendem Maße einen, so sind die Wanderungen, vor allem die mehrtägigen, in enger Verbindung mit diesen Gruppen durchzuführen. Dabei kann diesen weitgehende Freiheit in der Anlage u. Durchführung der Wanderungen gelassen werden.

2) Die Freiheit von sämtlichen Hausarbeiten für den auf die arbeitsfreien Nachmittage und die Wandertage folgenden Schultag ist strengstens durchzuführen. Auch soll dabei auf Veranstaltungen der unter 1) genannten Gruppen nach Möglichkeit Rücksicht genommen werden. Den entstehenden Ausfall an Hausarbeit durch entsprechende Mehrbelastung anderer Tage auszugleichen, ist ein Verstoß gegen den Sinn dieser Bestimmung u. daher unter keinen Umständen zulässig.

3) Betätigt sich ein Schüler als Mitglied oder gar als Führer in einer der oben genannten Gruppen, mit Eifer und Erfolg, so ist das bei der Gesamtbewertung seiner Persönlichkeit (Versetzung, Reifeprüfung, Schulgelderlaß, Beihilfen usw.) als besondere Leistung zu werten.

III) Pflege des Germanisch-deutschen Bildungsgutes:

1) In allen Klassen und Fächern ist das uns überlieferte altgermanische Gut (vorgeschichtliche Zeugen, Sagen, Märchen, Glauben, Volksbräuche, Flurnamen usw.) besonders zu pflegen, vor allem müssen auch die überlieferten Werke der frühen nordischen Literatur der Jugend nahe gebracht werden.

2) Bei jedem Gang durch die Geschichte ist von der Vorgeschichte auszugehen u. zwar in der Weise, daß die Ursitze, das Wesen u. das Leben des indogermanischen Kernvolkes behandelt u. von der nordischen Heimat aus die ganze übrige Geschichte durchschritten wird. Die Geschichte des Orients, Griechenlands u. Italiens ist also in Zukunft nicht von diesen Ländern u. ihren Völkern selbst aus zu betrachten, sondern als die Auseinandersetzung erobernder nordischer Herrenvölker mit den fremden Rassen u. Völkern darzustellen. Damit fällt dann auch noch der vom völkischen Standpunkt aus unerträgliche Bruch in unserem Geschichtsunterricht fort, der zu Unrecht beim Übergang von der römischen zur deutschen Geschichte bestand.

3) In betonter Pflege deutscher Eigenart ist fortan in sämtlichen Fächern – außer bei den Ausarbeitungen in fremder Sprache – nur noch die deutsche Schrift zu benutzen u. der Gebrauch von Fremdwörtern in Rede u. Schrift zu meiden. Die Lehrerschaft wird auch hier mit gutem Beispiel vorangehen, und sich bemühen, in dienstlichen Aufzeichnungen jeder Art – auch bei der Verbesserung von Schülerarbeiten – u. im Klassenunterricht die deutsche Schrift u. fremdwortfreie Sprache anzuwenden.

[]

Berlin, August 1933.

Stuckart. Benze

Quelle: Preussisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, „Notwendige Reformen im höheren Schulwesen“ (August 1933); zitiert nach Harald Scholtz, Schule unterm Hakenkreuz, in Schule im Dritten Reich, herausgegeben von Reinhard Dithmar. Neuwied: Hermann Luchterhand Verlag, 1989, S. 15–20.

Preussisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, „Notwendige Reformen im höheren Schulwesen“ (August 1933), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:document-150> [23.10.2024].