Herbert Backe, „Bauerntum im Kampf um Deutschlands Nahrungsfreiheit“ (1939)
Kurzbeschreibung
Der Staatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Herbert Backe (1896–1947), war für die Planung der Kriegsernährungswirtschaft und im Rahmen des nationalsozialistischen Vierjahresplans für Ernährungsfragen zuständig. In diesem Text diskutiert er die Rolle der Landwirtschaft in der „Erzeugungsschlacht“ und wie deren Produktivität erhöht werden könne. Zudem stellt er Maßnahmen vor, um die und „Fettlücke“ zu schließen. Die Züchtung bestimmter Futterpflanzen wie der eiweißreichen Süßlupine sei dabei eine wichtige Grundlage für die Tierhaltung, so Backe. Zudem könne die „Fettlücke“ durch Walfang und die Vergrößerung der Anbaufläche für Raps und Rüben verkleinert werden. Backes Text zu „Deutschlands Nahrungsfreiheit“ ist damit als Teil der nationalsozialistischen Autarkiepolitik zu verstehen.
Quelle
Nur wenige Wochen nach der Verkündung des Vierjahresplanes durch den Führer in Nürnberg wurde im November 1936 auf dem 4. Reichsbauerntag das Programm des Vierjahresplanes für die Landwirtschaft bekanntgegeben. Die Parole war: „Noch mehr leisten als bisher“. Der Beauftragte für den Vierjahresplan sprach selbst zu den deutschen Bauernführern und forderte sie auf, das Sturmbataillon des Vierjahresplanes zu werden.
Bereits im Herbst 1934 war die deutsche Landwirtschaft zur Erzeugungsschlacht aufgerufen worden. Während die gewerbliche Wirtschaft sich erst den Aufgaben des Vierjahresplanes entsprechend formieren mußte, marschierte Ende 1936 das Bauerntum bereits zwei Jahre in Reih und Glied, um Deutschlands Ernährung in möglichst großem Umfange aus eigener Erzeugung zu sichern. Ohne die frühzeitige Einleitung der Erzeugungsschlacht wäre zur Deckung des stark steigenden Verbrauchs an Nahrungsmitteln eine so starke Steigerung der Lebensmitteleinfuhr nötig geworden, daß es bei der knappen Devisendecke unmöglich gewesen wäre, gleichzeitig die für die Aufrüstung und für den Aufbau der neuen Vierjahresplanindustrien aus dem Ausland benötigten Rohstoffe in dem erforderlichen Umfange einzuführen. Es ist daher unmöglich, die Leistungen des Vierjahresplanes von denen der Erzeugungsschlacht zu trennen.
Zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung forderten wir auf dem Reichsbauerntag 1936 in erster Linie eine Gruppe von Maßnahmen, die die landwirtschaftliche Nutzfläche erweitern sollten. Dazu gehörten Aktivierung der Meliorationsarbeiten, Beschleunigung der Flurbereinigung und die Umwandlung eines Teiles von Wiesen in Ackerland. Die Forderung nach dem Wiesenumbruch ging von der Tatsache aus, daß die Grünlandfläche Deutschlands bisher etwa 30 Prozent der ackerbaulich genutzten Fläche umfaßte, aber nur mit 10 Prozent am Gesamtertrag der Landwirtschaft beteiligt war. Die Erträge hatten sich beim Ackerbau im letzten Jahrhundert annähernd verdoppelt, beim Grünland waren sie jedoch höchstens um ein Drittel größer geworden. Um hier beschleunigt Abhilfe zu schaffen, wurden seit dem 1. Mai 1937 die Verbesserung und der Umbruch von bisher schlechtem Grünland und die Einzäunung und Unterkopplung von schlechtem Grünland durch Gewährung von Reichszuschüssen gefördert. Ferner wurden Mittel zur Beschaffung der zur ordnungsmäßigen Durchführung des Umbruchs und der Pflegearbeiten erforderlichen Geräte bereitgestellt.
Von 1937 bis Ende Dezember 1938 wurden an Grünland umgebrochen rund 273 000 Hektar, eingezäunt und unterkoppelt rund 280 000 Hektar. Fast 10 Prozent unserer gesamten Wiesenfläche sind also in noch nicht zwei Jahren zum Teil der Ackernutzung, zum Teil einer Doppelnutzung als Wiese und Weide zugeführt worden.
[…]
Neben der Verstärkung des Zwischenfruchtbaues und der Verstärkung des Baues von Gärfutterbehältern forderten wir weiterhin, durch verstärkten Anbau von Süßlupinen die Silagefrage für die leichten Böden des Ostens zu lösen und damit eine gesunde Grundlage für die Viehhaltung zu schaffen. Die Landwirtschaft ist auch diesen Weg gegangen. Die Süßlupine war vor 10 Jahren in Deutschland noch eine unbekannte Pflanze. Inzwischen entwickelte sich ihr Anbau aus den kleinsten Anfängen heraus wie folgt:
Anbau von Süßlupine:
1935 …………………………………12 000 ha
1936 ………………………………… 25 000 ha
1937 ………………………………… 48 000 ha
1938 ………………………………… 78 000 ha
Zwei Drittel des gesamten deutschen Lupinenanbaues entfallen demnach heute schon auf die Süßlupine.
[…]
Das schwierigste Problem der deutschen Ernährung ist das Fettproblem. Diese vor zwei Jahren getroffene Feststellung gilt auch heute noch. Wir müssen auch heute noch große Mengen an Fett und Fettrohstoffen einführen, zumal mit der Steigerung des Volkseinkommens und der Volkszahl auch die Zahl der Fettverbraucher und der Bedarf des Einzelnen zunahm. Angesichts der Schwere der hier zu lösenden Aufgabe wurde auf den verschiedensten Wegen versucht, die Inlandserzeugung an Fett zu steigern. Dies geschah vor allem durch die Wiederaufnahme des Walfangs durch Deutschland, die Verstärkung des Anbaus von Raps und Rübsen, den Ausbau des Molkereiwesens und der molkereimäßigen Verarbeitung der Milch, Ausbau der Leistungskontrolle beim Milchvieh und nicht zuletzt durch Förderung der Mast von Fettschweinen. Der Ausbau des deutschen Walfangs brachte Deutschland
im Jahre 1936/37 ………………………………… 35 000 t Walöl
im Jahre 1937/38 ………………………………… 89 000 t Walöl
im Jahre 1938/39 voraussichtlich 100 000 bis 110 000 t Walöl
Demnach ist es möglich, heute schon rund 20 Prozent der für die Margarineversorgung benötigten Rohstoffe durch den deutschen Walfang zu decken.
Auch beim Anbau von Raps und Rübsen haben wir vom Standpunkt unserer Fettversorgung erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen.
Anbaufläche von Raps und Rübsen:
1933 ………………………………… 5 000 ha
1934 ………………………………… 27 000 ha
1935 ………………………………… 47 000 ha
1936 ………………………………… 55 000 ha
1937 ………………………………… 50 000 ha
1938 ………………………………… 62 000 ha
Die Ernte an Raps und Rübsen betrug 1938 bereits 128 000 Tonnen gegen nur 7 000 Tonnen im Jahre 1933. 1938 wurden demnach aus dem deutschen Rapsanbau bereits 44 500 Tonnen Öl und 75 500 Tonnen Ölkuchen gewonnen. Dieser Ölanfall aus dem deutschen Rapsanbau entspricht etwa 8 Prozent der gesamten pflanzlichen Ölerzeugung in Deutschland. (Aus einheimischen und ausländischen Rohstoffen.)
Von nicht geringerer Bedeutung für die Schließung der Fettlücke ist der in den letzten Jahren in Angriff genommene Ausbau des Molkereiwesens, der molkereimäßigen Verarbeitung der Milch sowie der Ausbau der Leistungskontrolle beim Milchvieh. Im Jahre 1936 wurden für Neubauten und Umbauten von Molkereien, Käsereien, Rahmstellen, Milchsammelstellen sowie für Ergänzungen und Ersatzbeschaffungen 49,2 Millionen RM. aufgewandt. Im Jahre 1937 wurden für 73,6 Millionen RM. Neubauten, Umbauten und Ergänzungen der genannten Art vorgenommen. Demzufolge erhöhte sich die molkereimäßig erfaßte Milch von 13,1 Milliarden Kilogramm im Jahre 1935 auf 15.8 Milliarden Kilogramm im Jahre 1937, und die in Molkereien verbutterte Milch stieg von 8,22 Milliarden Kilogramm auf 10,5 Milliarden Kilogramm. Dementsprechend stieg auch die Buttererzeugung in den Molkereien von 224 500 Tonnen im Jahre 1932 und 314 750 Tonnen im Jahre 1935 auf 420 576 Tonnen im Jahre 1937. Die Landbuttererzeugung verminderte sich demgegenüber von 1932 bis 1937 von 195 000 auf 100 000 Tonnen, also knapp halb so stark, wie sich die Herstellung von Molkereibutter erhöhte. Die Gesamtbuttererzeugung konnte seit 1932 um rund 104 500 Tonnen oder 25 Prozent gesteigert werden. Im gleichen Zeitraum wurde auch die Buttereinfuhr um 17 300 Tonnen oder 20 Prozent erweitert. Trotz dieser Vermehrung der verfügbaren Buttermengen um rund 122 000 Tonnen war es notwendig, den Butterverbrauch zu kontingentieren. Welche Bedeutung der Ausbau des Molkereiwesens für unsere Fettversorgung hat, zeigt im übrigen noch die folgende Berechnung: Hätte die durch verstärkte Erfassung und Verbesserung der Ausbeute in den Molkereien erzielte Buttermenge durch Einfuhr gedeckt werden müssen, so wären dafür ans Ausland zusätzlich zu zahlen gewesen:
1936 ………………………………… 96 Millionen RM
1937 .………………………………... 141 Millionen RM
Für 1938 liegen die entsprechenden Ziffern noch nicht vor; sie werden jedoch hinsichtlich des Ausbaus des Molkereiwesens die der Vorjahre übertreffen. Trotzdem wird die Gesamtbuttererzeugung im Jahre 1938 voraussichtlich infolge der Auswirkungen der Maul- und Klauenseuche, der Unrentabilität der Milchwirtschaft und nicht zuletzt infolge des Mangels an geeignetem Melkpersonal um rund 20000 Tonnen hinter der Buttererzeugung des Jahres 1937 zurückbleiben.
Bei der Erzeugung von Schweinefett hatten wir bis in die Gegenwart darunter zu leiden, daß unser Schweinebestand infolge der unzureichenden Futterversorgung früherer Jahre hinter dem notwendigen Umfang zurückblieb. Insgesamt ist jedoch auch hier eine Steigerung der Erzeugung festzustellen.
Die Erzeugung an Schweinefett:
1933 ………………………………… 425 000 t
1934 ………………………………… 478 000 t
1935 ………………………………… 458 000 t
1936 ………………………………… 503 000 t
1937 ………………………………… 496 000 t
Unsere Gesamtfettversorgung wird jedoch infolge der Vertretbarkeit der Fette untereinander trotz der Steigerung der Inlandserzeugung an Butter, Schweinefett, Rapsfett und Walöl entscheidend noch immer dadurch bestimmt, daß etwa 75 Prozent der für die Margarineherstellung benötigten Rohstoffe – und etwa ein Drittel unseres Gesamtfettbedarfs wird durch Margarine gedeckt – aus dem Ausland stammen. Dabei fällt nach wie vor erschwerend ins Gewicht, daß diese Margarinerohstoffe zu einem großen Teil gegen Bardevisen aus dem Ausland eingeführt werden müssen. Unsere Fettversorgung ist demnach noch immer auf das engste mit dem Anfall von Bardevisen aus den Erlösen unserer Ausfuhr verknüpft, obwohl wir einschließlich des Walfangs heute schon 60 Prozent unseres Fettbedarfs selbst erzeugen gegen nur 45 Prozent Eigenerzeugung im Jahre 1932. Angesichts der im letzten Jahr wieder eingetretenen Passivierung unseres Außenhandels ist diese Tatsache besonders unerwünscht. Neue Schwierigkeiten können deshalb auf dem Gebiete der Fettversorgung bei Anhalten der gegenwärtigen Außenhandelsentwicklung nicht ausbleiben. Dies gilt naturgemäß in erster Linie für die Margarineversorgung.
[…]
Quelle: Herbert Backe, „Bauerntum im Kampf um Deutschlands Nahrungsfreiheit“, in Der Vierjahresplan. Zeitschrift für nationalsozialistische Wirtschaftspolitik mit den amtlichen Mitteilungen des Beauftragten für den Vierjahresplan Ministerpräsident Reichsmarschall Göring, 3. Jahrgang 1939, S. 111–16.