Aus der Chronik der Kaiserlich-Leopoldinischen Akademie der Naturforscher (1694)
Kurzbeschreibung
Die Academiae Caesareo-Leopoldinae Naturae Curiosorum wurde am 1. Januar 1652 in der Freien Reichsstadt Schweinfurt gegründet und ist damit eine der ältesten Gelehrtengesellschaften Europas. 1677 erteilte Kaiser Leopold I. (1640–1705) der Akademie Privilegien (z.B. Zensurfreiheit) und seine offizielle Genehmigung. Wie andere Gelehrtengesellschaften gab die Academia Naturae Curiosorum eine eigene wissenschaftliche Zeitschrift heraus, die Ephemeriden oder Miscellanea Curiosa, die sich auf Medizin und Naturwissenschaften wie Botanik und Physiologie konzentrierte. Die folgenden Passagen beschreiben die Anfänge der Ephemeriden, die Bemühungen um kaiserliche Privilegien und die Einrichtung einer Bibliothek, eines Museums und eines Kabinetts in Nürnberg.
Quelle
1670
[…]
Zu dieser Zeit wurde Herr Dr. Johann Daniel Major als Adjunkt proklamiert, und Herr Dr. Georg Wolfgang Wedel in die Akademie aufgenommen.
Während sich unsere Forscher bislang lediglich in Einzeluntersuchungen mit Fragen aus dem Mineral-, Tier- und Pflanzenreich befasst hatten, beschlossen sie nun, angeregt durch das Beispiel der Engländer und Franzosen, zusätzlich einen neuen Weg zu beschreiten, um ihre Forschungsarbeiten ertragreicher zu machen: nämlich durch die Einrichtung von Ephemeriden oder naturkundlich-medizinischen Miszellaneen aus der Medizin und ihrer Töchter und Anverwandten, der Naturkunde, Botanik, Anatomie, Pathologie, Chirurgie und Chemie, und selbst der Mathematik, soweit sie diesem Geschäfte dienlich sein kann. Was immer an Wissenswertem, Außergewöhnlichem und Nützlichem zur Kenntnis käme, sei es durch die freundliche Mitteilung hochangesehener Mediziner in Deutschland oder anderen Ländern, sei es durch eigene Beobachtung in der Praxis oder durch sorgfältiges Forschen und Experimentieren, das sollte in einem Band – in der Reihenfolge des Eingangs – zusammengefasst und alljährlich veröffentlichet werden. Und es bestand umso mehr Hoffnung auf einen guten Erfolg dieses Vorhabens, als daraus nicht nur höchster Nutzen für das menschliche Geschlecht erwachsen würde – ganz abgesehen von dem [literarischen] Ergötzen – sondern man auf diese Weise auch für die Verbreitung des Ruhmes hervorragender Männer durch Schriften, die nicht dem Vergessen anheimfielen, Sorge trüge: Denn um der einen oder anderen Beobachtung willen ein ganzes Traktat zu verfassen, wäre ihnen nicht vernünftig erschienen; hinwiederum, nur auf wenigen Blättern festgehalten, würden sie leicht abhanden kommen und dem Gedächtnis der Nachwelt verloren gehen können.
So wurde denn das Unternehmen dank Herrn Dr. Sachsens tatkräftiger Bemühung in diesem Jahre zum Erfolg geführt: Im Oktober erschien der erste Jahrgang, beifällig aufgenommen von der gelehrten Welt; und auch Seine Erhabene Kaiserliche Majestät (welche überdies der Akademie ihren väterlichen Schutz zugesagt hatte) gab Ihr gütigstes Wohlgefallen zu erkennen. So war es nicht mehr als billig, Ihr diesen und die folgenden Bände demütigst zu widmen, und dies umso mehr, als Seine Höchste Kaiserliche Majestät Ihr Wohlwollen durch die Übersendung einer Reihe von Kupferstichen mit der Darstellung einiger Kostbarkeiten aus dem kaiserlichen Schatz, die in besagtem ersten Jahrgang abgedruckt worden waren, deutlich bezeugt hatte.
Um aber noch mehr Forscher zur Beförderung dieses gemeinsamen wissenschaftlichen Bestrebens zu gewinnen, beschloss man, einen Probedruck der Ephemeriden auf der Frankfurter Frühjahrsmesse vorzustellen, der 1670 in Leipzig, in Oktavform, mit einem vorangestellten Einladungsbrief erschienen war.
Indessen war man auch weiterhin bemüht, die kaiserliche Bestätigung zu erlangen, indem sowohl die neuen wie auch die früheren Statuten gemäß den Erfordernissen der damaligen Verfassung des Kollegiums überarbeitet wurden (die Texte finden sich im 2. Jahrgang der 1. Dekade der Ephemeriden). Da außerdem eine Reihe von Kollegen sowie ein Adjunkt im schlesischen Breslau lebten, wurde diesen vom Herrn Präsidenten das Recht übertragen, die eingesandten wissenschaftlichen Arbeiten zu sammeln. Die Gesellschaft selbst erhielt die Bezeichnung Sacri Romani Imperii Academia Naturae Curiosorum.
1671
Im Oktober erscheint glücklich der 2. Jahrgang der Ephemeriden; vorangestellt wurde ihm ein kurzer Abriss der Entstehung und Entwicklung der Akademie, zusammen mit den Statuten der Gesellschaft sowie den Namen der Herren Kollegen.
[…]
Anfang dieses Jahres, nämlich am 17. Januar, hatte unser hochgeschätzter Kollege Herr Dr. Gottfried Klaunig in Breslau das Zeitliche gesegnet, und für ihn hatte der wohlgeborene Herr v. Helwich zusammen mit den übrigen Breslauer Kollegen zur Wiederauffüllung ihrer gewohnten Fünfzahl Herrn Dr. Johann Gottfried Hahn, einen hochberühmten Praktiker ebendaselbst, vorgeschlagen und dem erlauchten Herren Präsidenten wärmstens empfohlen. Dieser zögerte denn auch nicht, dem Wunsch stattzugeben, und nahm den Mann, der sich durch eine gelehrte Studie über ein im Jahre 1729 in Breslau grassierendes Fieber dieser Ehre bereits würdig gezeigt hatte, unter dem Beinamen Dexius am 1. Mai in den Schoß unserer Akademie auf.
Am 18. Mai wurde auf Empfehlung des verehrten Herrn Wedel Herr Dr. Georg Erhard Hamberger, Ord. Professor für Mathematik und Außerord. Professor für Medizin an der Universität Jena, in die Reihen unserer Kollegen aufgenommen, ihm wurde der Name Ctesibius beigelegt.
Am 10. Juni wurde auf Empfehlung des erlauchten Herrn Direktors Ettmüller Herr Dr. Johann Ernst Hebenstreit, Ord. Öfftl. Professor für Physiologie an der Universität Leipzig, mit dem Beinamen Cratevas II. in die Matrikel der Akademie eingeschrieben.
Am 22. Juni wurde Herr Dr. Giovanni Tommaso Brini aus Bergamo, Philosoph und Medikus in Padua, mit dem Beinamen Philagrius II. in unsere Gesellschaft aufgenommen;
und am 23. Juni wurde Herr Dr. Johann Jakob Lerche, Medikus in [Moskau] mit dem Beinamen Moschus, empfohlen von dem erlauchten Herrn Friedrich Hoffmann.
Am 16. August wurde in unsere Akademie aufgenommen Herr Dr. Hermann Friedrich Teichmeyer, öfftl. Professor für Anatomie, Botanik und Chirurgie an der Universität Jena, Hofrat und Leibarzt Ihrer Hoheiten der Herzöge von Sachsen-Weimar und Eisenach und Mitglied der Königlichen Berliner Gesellschaft der Wissenschaften, mit dem Beinamen Democritus II.
Am 23. August wurde Herrn Dr. Christian Heinrich Erndel, Leibarzt Seiner Hoheit und Herrlichkeit des Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen, die Würde eines Adjunkten unserer Akademie zuteil.
Neben all diesen Geschäften richtete unser erlauchter Baier den Hauptanteil seiner Tätigkeit insbesondere darauf, dass die Wünsche sowohl seiner Vorgänger im Präsidentenamt als auch der meisten unserer Kollegen sich erfüllten und in die Tat umgesetzt würden. Lange und dringend nämlich war der Wunsch geäußert worden – teils von den eben genannten Gliedern unserer Kaiserlichen Akademie, teils von anderen Gelehrten – zu deren höherer Zierde und zum allgemeinen Nutzen eine medizinisch-naturkundliche Bibliothek sowie ein Natur- und Kunst-Theater bzw. ein Museum für Natur- und Kunstgegenstände, das Seltenheiten dieser Art aufnehmen sollte, in unserem Deutschland einzurichten (nach dem Beispiel der in London gegründeten Sammlung der Königlichen Englischen Gesellschaft), wofür ein geeigneter und bequemer Ort in einer größeren Stadt dieses Gebietes bestimmt werden sollte. Diesen löblichen Wunsch auf jede nur mögliche Weise zu verwirklichen, war zwar ein Gebot der Billigkeit, jedoch für die Bewältigung eines solchen Vorhabens erschienen nicht eben geringe Kosten erforderlich, denen sich unsere Akademie, der nötigen Hilfsmittel nahezu gänzlich entbehrend, nicht gewachsen sah, weswegen sie denn gezwungen war, dieses Unternehmen immer wieder aufzuschieben und den frommen Wünschen zuzurechnen. Seither hat nicht nur Herr Dr. Mentzel, zusammen mit anderen, schon vor langem dieses Werk mit Ernst in Gang zu bringen versucht, sondern im Jahre 1690 hatte auch Herr Dr. Jakob Wolff, Professor für Medizin an der Universität Jena und Adjunkt unserer Akademie, neue Hoffnungen in die Mildtätigkeit Ihrer Hoheiten der Herzöge von Sachsen – Zöglinge besagter Universität der Saalestadt – gesetzt und hatte von dem erlauchten damaligen Präsidenten, dem seeligen Schroeck, durch eine besondere Urkunde die Vollmacht zur Errichtung einer Bibliothek und eines derartigen Museums in Jena erhalten (Protocollum, p. 46). Jedoch diese im übrigen höchst förderlichen Pläne gelangten aus verschiedenen Gründen nicht zur Ausführung, bis endlich in diesem jetzt laufenden Jahr unser erlauchter Baier das zwar schwierige, aber zugleich überaus nützliche Werk, im Vertrauen auf göttliche Hilfe, in Angriff zu nehmen und wie auch immer voranzutreiben und zu vollenden den Versuch machte. Der Magistrat der Stadt Nürnberg hatte uns freundlicherweise einen geeigneten Ort in einem ehemals zum Katharinenkloster gehörenden Haus überlassen, und der erlauchte Präsident machte aus seinem eigenen Bücherschatz und seiner umfangreichen Sammlung von Natur- und Kunst-Gegenständen verschiedene hervorragende Stücke [der neuen Sammlung] als Anfang großzügig zum Geschenk. Darüber hinaus wandte er sich in einer am 17. September dieses Jahres abgefassten und gedruckten amtlichen Aufforderung und Einladung sowohl an die geschätzten und wohlwollenden Kollegen wie auch an alle anderen ehrsamen und freigebigen Förderer der schönen Künste und Wissenschaften mit der dringenden Bitte, sie möchten doch bei der Ausstattung besagter Bibliothek und besagten Museums – auf welche Art und Weise es ihnen auch immer möglich sein würde – freundliche Unterstützung leisten. Diese Hoffnung blieb denn auch nicht gänzlich unerfüllt, vielmehr sah er mit größter Genugtuung, wie beide Sammlungen Jahr für Jahr zumindest einen gewissen Zuwachs erfuhren. Und es ist unsere andächtigste Bitte, dass dieser unter dem Segen Gottes mit der Zeit noch zunehmen möge.
[…]
Am 25. August wurde Herr Anders Celsius, königlicher Professor an der Universität Uppsala sowie Sekretär der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Schweden, als er auf dem Weg nach Frankreich Nürnberg und Altdorf berührte, von unserem erlauchten Präsidenten zum Eintritt in die Akademie eingeladen. Da er sich ohne Zögern dazu bereit zeigte, wurde er aufgenommen und Marcus Manilius II. benannt.
Unter dem göttlichen Segen und durch den nimmermüden Fleiß unseres erlauchten Präsidenten begann die gegen Ende des Jahres 1731 eingerichtete Bibliothek allmählich zu wachsen, und die Zahl der teils großzügig zum Geschenk gemachten, teils aus Geldern der Akademie beschafften Bücher überstieg das erste Hundert. Der Ort jedoch, der uns für den Anfang zu ihrer Aufstellung freundlicherweise überlassen worden war, erschien nicht hinreichend geeignet, vor allem wegen zu hoher Feuchtigkeit und wegen zu geringer Belüftung. So gebot die Notwendigkeit, einen anderen zweckmäßigeren und angemesseneren Platz für die Aufbewahrung unseres kleinen Bücherschatzes zu suchen, auch wenn dafür eine gewisse jährliche Miete gezahlt werden müsste, solange sie nur angemessen wäre und unsere Kräfte nicht überstiege. Als man einen solchen Raum, mit dem nötigen Zubehör ausgestattet, im Haus eines Nürnberger Bürgers ausfindig gemacht hatte, wurde er sogleich für jährlich 10 rheinische Gulden gemietet und nach den notwendigen Reparaturen Ende Oktober mit unserer besagten Bibliothek und der wissenschaftlichen Sammlung, so gut es ging, eingerichtet.
Die Notwendigkeit erforderte, nun endlich an die Stelle des im verflossenen Jahre verstorbenen Director Ephemeridum, des hochverehrten Herrn Dr. Ettmüller, einen anderen Mann zusetzen, zumal es mit Ablauf dieses Jahres einen neuen Band unserer Acta herauszubringen galt. So gefiel es unserem erlauchten Präsidenten Baier nach vorheriger Beratung mit den übrigen Herren Adjunkten, diese ebenso ehrenvolle wie beschwerlich Würde mir, Dr. Andreas Elias Büchner, als ich auf einer Reise Anfang September Altdorf berührte und ihn aufsuchte, gänzlich unerwartet anzutragen. Ich wandte ein, dass es mir an den nötigen Fähigkeiten fehle, und lehnte dieses Amt, an dessen Übernahme ich nie im Traum gedacht hätte aus gutem Grunde ab. Er jedoch brachte mich durch verschiedene hinreichend überzeugende Argumente, freundliches Zureden und durch das Versprechen, mir, wo ich dessen bedürfen würde, in jedem Falle den notwendigen Beistand zu leisten, schließlich dahin, dass ich nicht nur versprach, diese Aufgabe doch auf meine allzu schwachen Schultern zu nehmen, sondern außerdem von der Fortsetzung der bisher herausgegebenen medizinisch-naturkundlich-mathematischen Miszellaneen abzustehen und die Zeit, die mir neben den laufenden Geschäften übrigbleiben würde, der Vermehrung und Ordnung der Acta unserer Akademie zu widmen. Bald darauf [übertrug er] mir freundlichst mit der üblichen Urkunde, abgefasst genau am Todestag des seligen Herrn Dr. Ettmüller, nämlich am 23. September dieses Jahres, das besagte Amt nebst den übrigen im kaiserliche Privileg gütigst zuerkannten Würden. Und wenn ich mir auch nicht schmeicheln kann, ihm nach Schuldigkeit und gemäß den Erwartungen eines jeden einzelnen Mitgliedes unserer Akademie gerecht geworden zu sein, so darf ich doch hoffen, es nach besten Kräften verwaltet zu haben.
Quelle: Protocollum Academiae Caesareo-Leopoldinae Naturae Curiosorum: Edition der Chronik der Kaiserlich-Leopoldinischen Akademie der Naturforscher, bearbeitet von Uwe Müller, Danny Weber, und Wieland Berg. Acta Historica Leopoldina, Nummer 60 (2013), S. 49–51, 219–20, 225.
Weiterführende Inhalte
Siegfried Kratzsch und Georg Uschmann, Das kaiserliche Privileg der Leopoldina vom 7. August 1687. Halle: Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, 1987.
Benno Parthier, 350 Jahre Leopoldina–Anspruch und Wirklichkeit: Festschrift der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina: 1652–2002. Halle: Druck-Zuck GmbH, 2002.