Entwurf zur Stipendienordnung für die Universität Wittenberg (1545)

Kurzbeschreibung

1545 gründete Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen (1503–1554), ein Stipendienprogramm für die Lutherische Universität Wittenberg. Etwa 150 Kinder von Priestern, Bürgern und armen Adelsfamilien sollten von diesem Programm profitieren. Die Stipendien konnten durch die Auflösung kirchlicher Pfründe finanziert werden, deren Gelder nun für säkulare Zwecke, wie z.B. Stipendien für arme Studenten, genutzt wurden. Zentrales Ziel des Stipendienprogramms war es, die Versorgung des säkularisierten sächsischen Kurfürstentums mit Geistlichen und Lehrern zu gewährleisten. Letztlich wurden jedoch relativ wenige Stipendien gewährt; ein späteres, von Kurfürst August von Sachsen (1526–1586) gegründetes Stipendienprogramm förderte nur vier Theologiestudenten und zwanzig Studierende der Philosophie.

Quelle

Notelh wi die stipendia von unserm gst. hern gewidembt solt werden uf gefallen unsers gst. hern.

Von gots gnaden wir Johans Friderich . . . nachdem und als durch die reine leher und predigt des ewigen und allain selig machenden worth gottes, welchs sein almechtigkeit aus gnediger gute in diesen letzten zeiten widerumb hadt offenbaren und erscheinen lassen, die bebstischen greuelh, auch ungotliche ceremonien in unserer chur und furstenthumb gefallen und abegethan, darumb wir seiner almechtigkeit pillich von herzen dankbar sein, so haben wir unserm furstlichen ambt nach, darein uns der almechtige gnediglichen gesetzt und verordenet hadt, vorschiener zeit mit stadtlichem radt etzlicher unserer furtrefflichen rethe erwogen wie und welchergestalt die gefelle und einkomen der dreier in unsern landen gelegenen stieften, als Aldenburg, Gothau und Eissenach, darinnen dan berurte bebstische leher und ceremonien ganz und gar ausgereuttet seint worden, widerumb zu gottes eher und lob, auch unsern kirchen, schuelen, landen und leuten und also gemeinem nutz zu gueten besser, christenlicher und nutzlicher, dan laider vorschiener zeit in dem vorfurischen babstumb bescheen, anzuwenden und also zu milden christenlichen sachen, dohin es dan die stiftere gemeinth und gegeben, zu keren und zu widemen sein mochten. und dieweil wir dan aus den berichten, so uns berurter dreier stieften jerlichen einkomen und gefellen allenthalben bescheen und uns furtragen seint worden, befinden, das sich die biß in viertausent und 20 gulden ungeverlich erstrecken sollen, wo die prebenden und pfrunden, so etzlichen uf ir lebenlang und einsteilhs uf ein anzalh jhar vorschrieben, sich vorledigen wurden, so seint wir demnach bedacht, solch der dreier stiefte jerlich einkomen etzlichen stipendiaten, so zu studiren geschickt und davon in heiliger gotlicher schrieft, auch andern faculteten in unser universitet zu Wittenberg studiren sollen, auszuteilen und damit ein ewige bestendige verordenung zu machen.

Und nachdem wir bedenken, das solche stipendia, darauf dem gemachten anschlag nach anderthalb hundert[1] personen untherhalten[2] mugen werden, niemandes pillicher gebur und von uns vorliehen werde dan der armen vom adel, priester und burger kinder[3], so unther uns und in unsern chur- und furstehnthumben gesessen und ufferzogen werden und zu studiren tuglichen und geschickt sein: so verordenen und wollen wir, das die vom adel, so also unther uns gesessen und söne haben, die zu studiren gneigt und darzu geschickt, welche des vermugens nit sein, dieselben in unser universitet zu Wittenberg bei irem studio zu underhalten, sollen in solcher unserer verordenung 38 stipendia haben[4], nemlich 9 unther inen, die die geschicksten sein werden, idem vierzig und den andern itzlichem in sonderheit 30 gulden, jerlichen gereicht, und gemelter unser untherdanen vom adelh kinder aus nachvolgenden unsern landkreisen darzu verordenet und genomen werden: als in unser chur zu Sachssen zwene, zu Duringen drei. zu Meissen auch drei und im Vogtland einer, deren ainem, wie gemelt, vierzig gulden, und daruber in berurter unser chur 5 und zu Duringen und Meissen jedes orths 8 und in dem Vogtland 6 personen, deren ainem jerlichen dreissig gulden, wie obsteet, uff ein anzalh jhar nach unserm gefallen und ermessen, wie eins jeden vleis und geschickligkeit, auch vermugen und unvermugen befunden und vermarkt, soll gegeben werden.

Ferner unserer armer burger kinder[5], so hin und wider in unsern steten[6] gesessen und zum studio gneigt und geschickt befunden werden, sollen zu irem anteilh in solcher unser gnedigen verordenung und bewilligung [funf und achtzig][7] stipendien haben, uf deren eins jerlichen funf und zwainzig gulden gewidembt und die personen volgender gestalt aus unsern landkreisen, nemlichen in unser chur zu Sachssen 14, zu Dhuringen 34, zu Meissen 21 und im Vogtland 16 genomen und verordenet sollen werden. und damit unther inen gleichheit gehalden, die armen und geschickten dem reichen und ungeschickten vorgehen und sovil eher gefurdert mugen werden, so haben wir bedacht, solche personen uf unsere stete auszuteilen, nemlich so sol Wittenberg, unser churstadt, vier personen, deren aine im rechten, die ander in der erznei, die andern zwo, auch die[8] stete Beltzgk, Jessen, Hertzberg, Liebenwerdt, Bitterfeld, Bruck, Niemecke, Schmideberg, Kemrigk, Pertin jede ein person zu ordenen und anzuzeigen haben, die alle in heiliger, gotlicher schrieft studiren sollen.

So sol aus dem Dhuringischen kreiß zu Eissennach, Gothau und Salvelt aus jeder stadt vier, darunter zwene im rechten und die andern zwene in der erznei, und aus den andern steten als Jene, Weymar, Eisenberg, Roda etc. N. und N. genomen und geordent werden, die alle auch in heiliger schrieft studiren.

Dergleichen zu Meissen und Vogtland lauts der abteilung[9].[10]

Und nachdem die pfarrer, prediger und caplann ire kinder vor andern zur schuel thun und darzue vleissig halten, in deren vermugen aber am allerwenigsten ist sie darbei zu erhalten, und der armen priester kinder jhe lenger und meher werden, denen in alwegen hulf zu tun von noten sein will: so orden und wollen wir, das fur dieselben acht[11] und zwainzig stipendia, deren eins jerlich 25 gl. sol haben, in sonderheit geordenet und uf unsere landkreiß volgender gestalt geslagen werden: nemlich zu Duringen und Meissen jedes orths acht, zu Sachsen vier und Vogtland auch vier personen, die also gleichergestalt in heiliger schrieft zu Wittenberg studiren und davon underhalten sollen werden . . .

Wir wollen uns aber auch sampt unsern erben hirmit furbehalden haben, wo bei denen vom adelh ader steten mangel furfiele, das sie nit personen anzugeben hetten, die sie also unser verordenung nach, wie hernach volget, gegen Wittenberg schicken kondten, das wir an deren stadt armer priester kindere[12], so zu studiren geschickt, annemen und verordenen wollen, die solche stipendien nach unserm und unser erben gefallen solang haben und gebrauchen mugen, biß die widerumb von inen, wie sichs geburth, ersetzt werden.

Nachdem wir aber noch zur zeit aus deme, das der maiste teilh der prebenden und vicarien in berurten unsern stieften Aldenburg, Gothau und Eissennach etzlichen personen uf ir lebenlang und eins teils uf ein anzalh jhar geliehen und vorschrieben, zu solcher unser verordenung volkomenlich nit kommen noch den gemachten anschlag nach die 150[13] personen davon untherhalten mugen, als haben wir zum anfang solcher unser gnedigen verordenung und bewilligung weither ein abteilung machen lassen nach dieser gestalt.

Weil wir aus den genomenen erkundungen und berichten befinden, das sich der uberlauf uber dasjenige, so also in berurten stieften uf lebenland und etzliche jhar vorschrieben, auch sonsten muß ausgeben werden, uff eintausent achthundert und etzliche und siebenzig[14] gulden ungeverlichen erstrecken soll, davon biß in die siebenzig personen dißmals konnen underhalten werden, das nu hinfurder vier vom adel, deren ainem vierzig, und 12[15], welcher ainem dreissig gulden des jhars gereicht sollen werden, aus den vier unsern landkreisen, als zu Sachsen drei, do dem geschicksten virzig, den andern dreissig gulden, zu Dhuringen funf, do gleichergestalt dem geschicksten virzig und den andern vieren dreissig gulden jerlicher gegeben. so sol es zu Meissen, do der auch funf, und im Vogtland wie zu Sachsen auch drei sein sollen, auch gehalden, sollen genomen und verordent werden.

Hieruber sollen auch unserer burger in den steten kindere, so zu studiren geschickt und also bei ihren eldern die vorlege und hulf darzu nit gehaben mugen, dißmals und zum anfang biß in die 39[16] personen, deren jeder jerlichen funf und zwainzig gulden sol gereicht. von solchem uberschus in unser universitet zu Wittemberg underhalten. welche auch aus den steten unserer vier landkreiß genomen und verordent sollen werden, nemlich zehen aus unser chur zu Sachssen, welche wir gleichergestalt uf unere stete ausgeteilt, die sie auch, wie volget, zu verordenen und anzugeben sollen haben: als Witternberg zwo, Beltzgk, Hertzberg, Brettin, Jessen, Liebenwerdt, Bitterfelt, Schmideberg und Bruck aus jeder derselben stete aine person, zu Dhuringen 12 person, als zu Gothau, Eissennach jedes orths zwo und zu Jhene, Weimar, Salfelt, Saltzungen, Creutzburg, Eisenberg, Peßneck und Neustadt an der Orla jedes orths ain person; zu Meissen eilf person als Zwickau, Torgau, Aldenburg aus jder stadt zwo und Grim, Colditz, Born, Eilenberg, Wißneck[17] ain person, in Vogtland sechs personen als zu Olßnitz, Plauen, Adorf, Weiden, Werdau und Schneberg aus jeder der stete ain person.

Fur der armen pfarrer, prediger und caplan kinder, so in unsern landen gesessen und ufferzogen werden, haben wir zum anfang funfzehen stipendia, derer ains mit funf und zwainzig gulden vorsehen, verordenet, die volgendergestalt in unserer landkreiße ausgeteilt, der ende diejenigen, so darzu am geschiksten und dorftigsten, daraus genomen und darzue gelassen sollen werden, nemlich zu Sachssen, Duringen und Meissen jedes orths vier und im Vogtland drei personen, mit deren gnediger bewilligung: was von den obberurten von uns verordenten stipendien vom adel ader burgern nit ersetzt, das der ermelten armer priester kinder, inmassen oben auch gemeldet, vor andern damit sollen bedacht und vorsehen werden. welche stipendiaten alle zugleich in heiliger gotlicher schrieft mit vleiss studiren und sich sonsten zu keiner facultet begeben sollen.

Damit aber mit nominirung und darstellen der personen, so also uf diese unsere gnedige verordenung und bewilligung zu stipendiaten presentirt und bei uns angeben werden. ein gleiche wege gehalden und jedes orths solche junge leuthe dargestalt und gefurdert mugen werden, zu welchen trost zu haben, das sie studiren und kunftig landen und leuten nutz werden mögen, so wollen wir, das die vom adel und der ritterschaft, so in berurten unsern vier landkreißen gesessen und söne haben, so zu studiren lust und naigung tragen, auch darzu tuglich und geschickt sein, und in deren vermugen nit steet dieselben in unser universitet zu Wittenberg ausserhalb gemelter hulf der stipendien zu underhalten: das die erstlichen gegen Wittenberg zu examiniren geschicket und irer geschickligkeit halben doselbst von dem rector und der faculteten docenten kunthschaft und zeugnus brengen und darauf alsdan an uns und unser erben gewiesen sollen werden. befinden wir dan, das denselben hulf zu thun, so sol inen nach gelegenheit irer geschickligkeit, auch vermugens und unvormugens solcher stipendien eins uf ein anzalh jhar, welchs bei unserm und unser erben ermessen stehen sol, geliehen und doruber unsere schriftliche bevelich ader offene verschreibungen gegeben werden.

Dergleichen sollen die armen burger- und priesterkinder erstlichen mit promocion- und furderungsschrieften der pfarrer ader superattendenten jedes orths, auch der rethe und schulmaister in den steten an bemelte unsere universitet gein Witternberg zu examiniren auch gefertiget, aber kein knab vom adel noch anderer dohin geschickt werden, er habe dan virzehen jhar seins alders ausbracht und sein fundament in der gramatica gelerth, damit derselbe mit nutz in unser universitet sein und furder studiren muge. werden nu dieselben in solchem examen zu stipendiaten fur tuglichen geacht und dorauf bei uns ansuchen, so sol es gleichermassen gegen inen wie der vom adel kinder berurter unser verordenung und bewilligung nach gehalden werden.

Nachdem[18] sich auch aus den genomenen berichten befunden, das uber die viertausent und zwainzig gulden noch in die 150 gl. ungeverlich uberig pleiben, zu deme das unser stieft zinsgetreide etwas geringe angeslagen, welchs dieser zeit im kauf viel gultiger ist und ferner werden kan, derhalben dan solchs kunftig auch etwas uftragen wirdet: als haben wir vor uns und unsere erben uns vorbehalten. wie wir es dan auch hiemit furbehalten, das wir und sie dieselbe ubermaß kunftiger zeit fur unserer armen hoffdiener kinder kommen und nach befindung und unserm ermessen gleichergestalt austeilen und daraus etzliche stipendiaten unterherhalten lassen wollen.

Wir wollen uns aber in alwegen sambt unseren erben hiemit vorbehalden, auch meniglich verwarnet haben, do ainicher, er were vom adelh, burger ader eins priesters son, bei uns presentirt und angeben wurde, der solcher geschickligkeit nit were, auch vor ader nach gehaltenem examen unvleissig ader untuchtig befunden wurde, also das kein hofnung zu haben, das er studiren und kunftig den leuthen nutz sein wurde, denselben widerumb und alsbald zu ejiciren und einen andern und tuglichern an sein stadt zu verordenen.

Auch sollen obberurter unserer stiefte widerkaufliche haubtsummen, wo die von den kaufern abgelegt wurden, jedes orths zum furderlichsten widerumb angelegt werden, damit dieselben sampt den jerlichen zinsen unvermindert und solcher unser widumb, der, wie berurth, dem armuth zu gut und anderst nit angewandt sol werden, volkomenlich und unzergenzet pleiben und erhalden werden muge, alles treulichen und ane geverde.

Anmerkungen

[1] Anfangs: hundert und vier und siebenzig.
[2] Text sollen unterhalten (mugen werden).
[3] Anfangs: adel, burger, prediger und anderer kirchendiener, auch sonsten armer leute kinder
[4] Im Texte anfangs: virzig; dazu Randvermerk (ausgestrichen): seint zuvor 50 angeslagen; die 10 wurden fur der priester kinder abgezogen. Die nachfolgenden Einzelzahlen sind dann entsprechend verändert.
[5] Anfangs: unserer burger und armer priester, auch kirchendiener und sonst armer leute.
[6] Im Text folgt: und ufm lande, was aber hier offenbar fortfallen muß.
[7] Anfangs: hundert (nämlich nach der ursprünglichen Veranschlagung: 50 Adlige und 100 Bürger- und Priesterkinder), dann mehrfach geändert, sodaß nicht klar zu ersehen ist, welche Zahl die endgültig festgesetzte sein soll. Die folgende Zusammenstellung aber ergibt 85.
[8] zwo auch die am Rande nachgefügt.
[9] Folgt ausgestrichen: die die hern werden zu machen wissen.
[10] j ist keine Fußnote im Original
[11] Zuerst: vier (hernach werden auch nur 24 Priesterkinder in Anschlag gebracht).
[12] Unleserliches Einschiebsel am Rande.
[13] Anfangs: 174.
[14] Anfangs: zweitausent und dreihundert.
[15] Anfangs: 16; entsprechend sind weiterhin die Einzelzahlen herabgesetzt.
[16] Anfangs: 50; entsprechend die Einzelzahlen.
[17] Gestrichen sind die Städte Hainichen, Belgern und Buchholtz
[18] Dieser Absatz ist am Rande nachgefügt.

Quelle: Weimar, Ges. Archiv Reg. Mm. Nr. 4 Bl. 2–9, Entwurf, mit Rückaufschrift: Neue verordenung mit den Stipendien 1544; abgedruckt in Walter Friedensburg, Urkundenbuch der Universität Wittenberg, Teil 1 (1502–1611). Magdeburg, 1926, S. 249–53.

Andreas Gößner, Die Studenten an der Universität Wittenberg. Studien zur Kulturgeschichte des studentischen Alltags und zum Stipendienwesen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte. Bd. 9). Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2003.

Johann Christian August Grohmann, Annalen der Universität zu Wittenberg. Zweyter Theil. Meissen: Erbstein, 1802.

Ulrich Rasche, Hrsg., Quellen zur frühneuzeitlichen Universitätsgeschichte: Typen, Bestände, Forschungsperspektiven. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011.

Entwurf zur Stipendienordnung für die Universität Wittenberg (1545), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:document-174> [30.11.2023].