Zwei Briefe von Adam Weishaupt, Gründer des Illuminatenordens (1776)

Kurzbeschreibung

Der Orden der Illuminaten war ein Geheimbund, der 1776 von dem deutschen Gelehrten und Professor Adam Weishaupt (1748–1830) gegründet wurde. Die Gesellschaft zielte darauf ab, die Menschheit zu verbessern, um die Herrschaft der Menschen über die Menschen abzuschaffen. Sie war hauptsächlich im Kurfürstentum Bayern tätig. Die Gesellschaft wurde 1784/85 verboten.

In den zwei Briefen gibt Weishaupt seinem Vertrauten und Ordensbruder Franz Anton von Massenhausen Anweisungen, wie er und andere Mitglieder des Ordens bei der Rekrutierung neuer Mitglieder vorgehen sollen, um den Wirkungskreis der Geheimgesellschaft schnell zu vergrößern. Ferner beschreibt Weishaupt, welche charakterlichen Eigenschaften diese neuen Mitglieder möglichst mitbringen sollen, wie etwa gute Manieren und ein einnehmendes Wesen; sie sollten aber nach Möglichkeit auch fleißig, geschickt, mächtig und reich sein.

Quelle

Weishaupt an Massenhausen, [Eichstätt.] 19.9.1776

Werthester Freund!

Meinen letzten Brief werden sie vermuthlich erhalten haben. Hier kann ich nicht so frey schreiben, als wie bey mir. Denn es sind zu viele Leute im Haus. Das ist die Ursach, warum meine Briefe seltner sind. – Vor den schönen Tabackskopf werde ich meine Gebühr entrichten, wenn wir wieder zusammen kommen: indessen danke ich für die gehabte Mühe. – Ich denke und arbeite täglich an unserm grossen Gebäude. Arbeiten sie auch von ihrer Seite, und führen sie mir Steine zu. Lassen sie sich keine Mühe verdrüßen: suchen sie Gesellschaft junger Leute: beobachten sie; und wenn Ihnen einer darunter gefällt, legen sie Hand an. Ich habe auch wieder einen, der ein ansehnlicher und einsichtsvoller Mensch ist. Was sie nicht selbst thuen können, thuen sie durch andere. Agathon, Danaus und Schaftesbury sind zu beordern per modum imperii, da[ß] sie unter junge Leute gehen, qu’il tachent epier les characteres, daß sie sich Anhang erwerben, Vorschläge machen, und dann Befehle erwarten. Es muß nun auf einmal gehen; Agaton soll ein Verzeichniß von den jungen Leuten seines Aufenthalts schicken, nach dem ihm schon mitgetheilten Formular. Es muß seyn. – Wenn Ihnen ihre Reise nicht hinderlich ist, in dortigen Arbeiten; so sehe ich nicht, warum sie nicht gehen sollten. Hat doch Christus auch seine Apostel in die Welt geschickt, und warum sollte ich meinen Petrus zu Hause lassen. Ite et praedicate. – Die DINTE mag gut thun oder nicht, es wird doch gehen. Mit dem ERD nur angefangen. Fac ut venias onustus spoliis, non indecoro pulvere sordidus. Ich bin übrigens
Ihr
Spartacus.
den 19. Sept. 1776

Weishaupt an Massenhausen, [Eichstätt, ca. Okt. 1776]

Spartacus Ajaci S.

Wenn der WINTERHALTERN einer von uns werden soll, so muß er noch ziemlich abgehobelt werden. Einmal gefällt mir sein Gang gar nicht: seine Manieren sind roh und ungeschliffen; und wie es mit der Gedenkungsart steht, weiß ich nicht. Das wollte ich höchstens recommandieren, daß er sein rohes Wesen ändere. Er muß ganz ein anderer Mensch werden, bisher ist er kaum pro carolino zu gebrauchen. – Mit dem Lucullus will ich es ad notam nehmen. Er kommt auch zu mir in die Kost. Wochentlich 3 fl. und wenn Sie kein Zimmer bishero wissen, so will ich Ihnen dafür sorgen. – Macht Euch hinter Cavaliers, ihr Leute! Ich glabue, zwey liefern zu können, und Domherrn noch dazu. Wenn mir meine Absicht mit den Domkapiteln gelingt; so haben wir grosse Schritte getan. Suchet junge schon geschickte Leute, und keine solche rohe Kerls. Unsere Leute müßen einnehmend, unternehmend, intriquant und geschickt sein. Besonders die ersten. Wenn den Receptis einmal die Augen aufgethan werden, so müßen sie Leute sehen, von denen man Ehre hat, und wo man sich in ihrem Umgang glücklich schätzt. Nobiles, potentes, divites, doctos quaerite. Ich weiß nicht, mit dem Agathon verzweifle ich schier, ob wir ihn erhalten werden: er hat einen guten Kopf; aber verderbtes boshaftes Herz, und das thut uns eben am meisten Schaden. Ich glaube, er ist ein Mensch, der sich schwer bändigen läßt; sein heimlicher phantastischer Hochmuth leidet es nicht. Ich höre ihn hier wenig loben, und er hat sich durch sein mürrisches, menschenfeindliches Wesen viele Feinde gemacht. So viel mir scheint, läßt er sich auch unsre Sachen nicht mit sonderlichem Eifer angelegen sein. – Die Instruction pro Carolinis kann ich nicht schicken, weil ich meine Schriften nicht bey mir habe. – In die Epistolam können Sie pro qualitate recipiendi hineinsetzen, was Sie wollen: Sie kann auch weggelassen werden. Wenn Ihr Leute in München so viel thut, wie ich hier, so werden Riesenschritte gemacht. Compagnie gesucht, mit artigen Leuten angebunden; das muß seyn, inertes animae! da muß man sich keine Mühe reuen lassen. Auch zuweilen den Knecht gemacht, um dereinst Herr zu werden. Ich habe einen Kerl angeworben, der mir lieber als zehn andere ist. Ich habe auch schon einen andern unvergleichlichen Kopf für sie bestimmt, den sie mir unter den Schuljahren aufnehmen sollen: geschickte, arbeitsame, reiche, artige, mächtige Leute brauchen wir. Von dem SCHLEICH habe ich mir behalten:

1) Porta Physiognomia coelstis.
2) Campanella de Monarchia, de sensu rerum.
3) [Bo]dinum de Republica.

Sie können sich den Fludd verschreiben. Est liber rarus, und nicht teuer. Ich will pro Politicis sammeln, und Sie pro Chemicis und Physicis: wenn nur der Guttmann Offenbahrung etc. etc. nicht so theuer wäre. Est liber valde rarus. Der Schleich gefälllt mir, daß er diese seltene Bücher aufgetrieben. Noch eins. Sammeln Sie alle Lesebücher, die Sie geschenkt, oder sonst bekommen können: v. g. Poeten, Romanen, Comoedien und andere Bücher, die heut zu Tage gerne gelesen werden. Ich will von den meinigen auch einen grossen Beytrag dazu thuen. Ich habe ausspeculiert, daß sie für uns eine Finanzquelle werden müßten; ich will auch sonst darauf sammeln: Pro nostra Republica nihil est inutrile. Sie werden schon sehen, wozu ich sie brauche, und was Sie sammeln, lassen Sie nur in loco. – Aude aliquid. Machen Sie mir doch in München eine Acquisition, die der Mühe werth ist. Sind sie dann in vornehmen Häusern gar nichts bekannt, oder wenn sie es nicht sind, kennt dann Danaus gar keine Seele? Denn, wissen sie, Sie brauchen sich nur um einen rechten Cavalier Mühe zu geben: dieser muß uns nachmalen die andern liefern.

Flectere si neque[o] superos, Acheronta move[b]o.

Es giebt ja viele artige junge Leute in München. Ich sollte dort wohnhaft seyn, ich wollte in kurzer Zeit eine ganze Litaney haben. Was die Leute auch actu noch nicht sind, das können sie doch noch werden. Darum sind zwey Jahre festgesetzt. Und die Carolini müssen sie auch aushalten. Denn halten sie sich in dieser Zeit gut, so werden sie zu rechten avanciert. Im übrigen lassen sie nur mich gehen und sorgen, und schreiben sie mir, wann sie bey mir eintreffen wollen.

Ich habe vor einer Zeit an sie geschrieben unter dem gegebenen Couvert. Wenn sie meinen Brief, welchem ich einen an Danaus beygeschlossen, nicht erhalten haben, so ist die unleserliche Schrift auf der Addresse Schuld daran. Fragen Sie also beym Hertel, oder auf der Post selbst. Nur das ist die Ursache, warum ich mich dieser Couverts nicht bedienen will.

Quelle: Die Korrespondenz des Illuminatenordens. Band I: 17761781. Herausgegeben von Reinhard Markner, Monika Neugebauer-Wölk und Hermann Schüttler. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2005, S. 4–5; 8–11.

Jan Rachold, Die Illuminaten: Quellen und Texte zur Aufklärungsideologie des Illuminatenordens (17761785). Berlin: Akademie Verlag, 1984.

Zwei Briefe von Adam Weishaupt, Gründer des Illuminatenordens (1776), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:document-190> [23.10.2024].