Wundergewächs zweyer Trauben / so hierunden zusehen (1610)

Kurzbeschreibung

Dieser Einblattdruck zeigt sog. Barttrauben, d.h. Weintrauben, die von der Schmarotzerpflanze Cuscuta befallen sind, welche 1656 identifiziert wurde. Der Autor schreibt, dass das Phänomen in Plinius‘ Naturalis historia nicht erwähnt wird. Im Weiteren beschreibt er das Phänomen und dessen natürliche Ursachen und informiert die Leser/innen darüber, wann und wo die Trauben gefunden wurden. Er kommt zu dem Schluss, dass Gottes Zorn angesichts des übermäßigen Weinkonsums der Menschen die wahrscheinlichste Erklärung für dieses „Wundergewächs“ sein könne.

Quelle

Wundergewächs zweyer Trauben / so hierunden zusehen.

Als vor Zeiten der fürnembsten Naturkundiger ainer C. Plinius Vom Wein gschriben / esse & in vino prodigia: Es syn auch Miracul und Wunderwerck am Wein zu sehen / da er dann von mancherley Gattungen der Weine redet: Das sich solche Wunder auch an den Weintrauben sehen lassen / dergleichen weder bey gemelten Plinio / noch andern seins gleichen Griechischen / Lateinischen / oder sonst Scribenten gelesen oder gefunden werden / weiset diß allhie nach dem Leben abcontrastit Gewächs zwayer Weintrauben / deren der aine Weiß / der ander Braun / im Herbst dises noch lauffenden 1610. Jars im Dorff Meykamer (drey Meil von Speier gelegen) in Hansen Hildebrands daselbst Hofe / vor seinem Fenster gewachsen / in welchen / auß den Beeren solche Streußlin oder Fränßlin (welches etlicher meinung nach / für verfaults Weinrebenholz zuachten) wie gegenwertig zusehen / herauß gewachsen / Menschenharen ganz ähnlich / am weissen Trauben weisser / am braunen Köstenbrauner farbe einer guten Augspurger Elen lang. Was nun Gott durch solches Wundergewächs andeuten wölle / als ein Gnade / oder aber ein Zorn und Dröungszaichen seye (welches zwar bey so ubermachtem Mißdrauch deß Edlen Geschöpffs des Weins / unnd aller anderer Gaaben Gottes am allerglaublichsten unnd darumb desto betaurlicher ist) das ist ihme dem Allmechtigen allein bekant und wird es die Zeit zuerkennen geben.

Quelle: Wundergewächs zweyer Traube[n]/ So hierunden zusehen. Getruckt zu Augspurg/ bey Christoff Mang in Verlegung Dominici Custodis Kupfferstecher. Einblattdruck, 1610. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.

Reproduktion: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Sammlung der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, Bd. 1 (Ethica, Physica), herausgegeben von Wolfgang Harms. Tübingen: Niemeyer, 1985.

Wolfgang Harms, „Der kundige Laie und das naturkundliche illustrierte Flugblatt der frühen Neuzeit“, in Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 9 (1986), pp. 227-46.

Michaela Schwegler, »Erschröckliches Wunderzeichen« oder »natürliches Phänomenon«? Früh-neuzeitliche Wunderzeichenberichte aus der Sicht der Wissenschaft. Bayerische Schriften zur Volkskunde, Bd. 7. München, 2002.

Wundergewächs zweyer Trauben / so hierunden zusehen (1610), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:image-77> [26.10.2024].