Sprachpolitik in Schulen in Deutsch-Südwestafrika (1911)

Kurzbeschreibung

Dieser Bericht über Deutsch-Südwestafrika (das heutige Namibia) betonte die Bedeutung von Mission und Schule, um die Kolonisierung durch das Verbreiten der deutschen Kultur zu sichern, gerade auch gegenüber anderen Kolonialmächten. Er kritisierte, dass die deutsche Sprache in Deutsch-Südwestafrika mit Begriffen aus anderen Sprachen vermischt würde, und meinte damit nicht nur die Sprachen der Nama und Herero, sondern auch das Burische. Auch die staatliche Hoheit über die deutschen Schulen sollte verstärkt werden, um zu verhindern, dass „Ausländer“ (Buren) ihren Einfluss in der deutschen Kolonie ausdehnen könnten.

Quelle

Kirche und Schule

Die kirchliche Seelsorge unter der weissen Bevölkerung lag in den Anfangszeiten der Kolonie in Händen der Missionare. Erst im Jahre 1895 begann der Zusammenschluss der Ansiedler zu Kirchengemeinden. Damals wurde unter Leitung der Rheinischen Mission die Kirchengemeinde Windhuk gegründet. Diese Gemeinde schloss sich dann im Jahre 1900 der preussischen Landeskirche an, und in demselben Jahre noch entsandte der preussische Oberkirchenrat den Pastor Anz [] nach Windhuk. Dem Beispiel Windhuks folgte 1907 die Gemeinde Swakopmund. Windhuk hat jetzt eine stattliche evangelische Kirche, in Swakopmund wie in anderen inzwischen entstandenen Gemeinden, z. B. Karibib, Omaruru, Usakos, Lüderitzbucht usw., wird der Gottesdienst in der Schule abgehalten. Doch ist in Swakopmund und Lüderitzbucht der Bau von Kirchen in Vorbereitung.

Die katholische Seelsorge wird durch die Missionsstationen der Oblaten von der unbefleckten Jungfrau Maria ausgeübt.

Das Schulwesen ist in lebhafter Entwickelung begriffen. Die erste Schule für Weisse wurde 1894 in Windhuk ins Leben gerufen. Heute gibt es 19 Schulen mit rund 550 Schülern in der Kolonie, in Windhuk, Swakopmund und Lüderitzbucht sogar je eine Realschule, die mit der Zeit das Recht zur Erteilung des Zeugnisses für den Einjährig-Freiwilligendienst erhalten sollen. Die übrigen Schulen im Lande sind Volksschulen.

Die Organisation der Volksschulen ist den noch in der Entwickelung begriffenen örtlichen Verhältnissen entsprechend sehr verschieden. Nach einem gemeinsamen, den Bedürfnissen des Landes angepassten Lehrplan wird noch nicht gearbeitet. Wenn die einzelnen Gemeinden in einigen Jahren in sich gefestigt sind, so wird in dieser Hinsicht manches nachgeholt werden müssen.

Auf eine gewisse gesetzliche Grundlage wurde das Schulwesen in der Kolonie überhaupt erst im Jahre 1906 gestellt. Damals wurde vom Gouverneur eine Verordnung erlassen, durch die die allgemeine Schulpflicht für die Kinder der weissen Bevölkerung vom 6. –14. Lebensjahre eingeführt wurde. Die Verpflichtung zum Schulbesuch erstreckt sich auf alle Kinder, die sich an dem Orte, an dem eine Schule besteht, bzw. im Umkreis von 4 Kilometern aufhalten. Für Gegenden, wo geschlossene Ortschaften nicht vorhanden sind, wird neuerdings vorgeschlagen, sogenannte Farmschulen in der Form ins Leben zu rufen, dass mehrere Farmer zusammen, nötigenfalls unter Beihilfe der Regierung, einen Lehrer anstellen. Anfänge in dieser Richtung sind schon vorhanden.

Notwendig wird sein, dass der Staat sich die Leitung des Schulwesens vorbehält. So erfreulich die Bereitwilligkeit vieler Gemeinden ist, die Schullasten zu tragen, so muss der Regierung ein genügender Einfluss auf die Gestaltung des Unterrichts gesichert sein. Ein ausschlaggebender Einfluss der Bevölkerung würde in einer Reihe von Bezirken, wo ein starker Prozentsatz der Einwohner aus Ausländern (Buren) besteht, den deutschen Charakter der Schulen gefährden. Dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist, das beweist die Tatsache, dass die Buren im Jahre 1903 versuchten, von der Regierung das Recht zur Begründung eigener, dem Einfluss der deutschen Behörden nicht unterworfener Schulen zu erlangen. Im Gedanken an diesen Versuch wird scharf darauf geachtet werden müssen, dass nicht etwaigen Farmschulen der deutsche Charakter verloren geht.

Eine der Hauptaufgaben der Schule in Südwest muss sein, bewusst und planmässig die Jugend zu deutschem Denken und Fühlen zu erziehen und Kinder fremder Nationalitäten auf diese Weise womöglich zu germanisieren. Dazu ist aber nötig, dass die südwestafrikanische Schule rein deutsch ist und fremdem Wesen in keiner Hinsicht Zugeständnisse macht. Die deutsche Sprache ist drüben im Laufe der Zeit aus Gedankenlosigkeit durch Aufnahme von allerlei Ausdrücken aus der Sprache der Buren, Hottentotten und Herero übel verballhornt worden. Dieses minderwertige Element muss aus der deutschen Verkehrssprache wieder verschwinden. Und dies zu erreichen, wird eine der ersten bodenständigen Aufgaben der deutschen Schule in Südwest sein müssen.

Quelle: Eine Reise durch die deutschen Kolonien, IV. Band: Deutsch-Südwestafrika. Im Auftrag der illustrierten Zeitschrift „Kolonie und Heimat“ herausgegeben von Rudolf Wagner unter Mitwirkung von Dr. E. Buchmann. Mit 2 Karten und 213 Abbildungen, 2. verbesserte Auflage, Berlin: „Kolonie und Heimat“ Verlagsgesellschaft m.b.H., 1913, S. 54.

Krista O’Donnell, Renate Bridenthal und Nancy Reagin, Hrsg., The Heimat Abroad: The Boundaries of Germanness. Ann Arbor, MI: University of Michigan Press, 2005.

H. Glenn Penny und Stefan Rinke, „Germans Abroad: Respatializing Historical Narrative,“ Geschichte und Gesellschaft 41 (2015), S. 173–96.

Sprachpolitik in Schulen in Deutsch-Südwestafrika (1911), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-223> [05.12.2024].