Johann Ludovici, Taufpredigt für einen „Mohren“ (1661)

Kurzbeschreibung

Der Begriff „Mohr“ wurde im deutschen Sprachgebrauch seit dem 16. Jahrhundert vor allem verwendet, um Personen mit dunkler Hautfarbe zu bezeichnen. Der Begriff konnte in der Frühen Neuzeit als diskriminierend und auch als rassifizierend verwendet werden. Im Zusammenhang mit der Taufpredigt von 1661 aus Osnabrück wird der Begriff „Mohr“ synonym für eine ungetaufte Person („Heide“) gebraucht. Die Taufen von meist erwachsenen Personen, die nicht dem christlichen Glauben angehörten, wurden oftmals als öffentliche Ereignisse inszeniert, zudem wurden im protestantischen Bereich Taufpredigten gedruckt und verbreitet.

Quelle

Johann Ludovici, MOHREN Tauff=Predigt / Welche bey angestelter Tauffe eines Mohren / so zu Osnabrüg in St. Marien Kirch am 18. Maij st. n. Anno 1661. durch die Heilige Tauffe dem HERRN Christo zugeführet und einverleibet worden / Gehalten / Und auff begehren zum Druck übergeben / Von M. IOHANNE LUDOVICI, Mindano, Past. zu St. Catharinen und Superintend daselbst. Mit beygefügtem Verzeichnüß / wie und mit was Cermonien solche Tauffe des Mohren verrichtet. Oßnabrüg: Bey Johann Georg Schwandern, 1661.

Dem WolEdlen / Vest und Hochgelarten Herrn Gerhard Schepelern / I.V.D. Bürgermeistern und Land-Raht zu Oßnabrüg ec.

Hochgeehrter Herr /

Es gereicht dem Hauptman zu Capernaum zu grossem und unsterblichem Lob und Ruhm / daß / da sein Knecht Gichtbrüchig danider gelegen / er denselben nicht wie einen Hund ligen lassen / sonder ihm die wercke der Liebe und Barmhertzigkeit erzeiget / in dem Er bey dem HErrn Christo für ihn intercedirt, / Raht gesuchet / und umb gnädige Hülffe angehalten: Massen allen Herren und Haußvätern / nach der Lehr Pauli / gebühret / daß sie sich ihrer Dienstbotten und Haußgenossen trewlich annehmen / und für ihr ewiges Heyl und Seligkeit wachen und sorgfältig sein / welches ihnen Gott der Herr reichlich vergelten und belohnen will / denn wer sich des Dürsstigen annimt / den wird der Herr erretten zur bösen Zeit / der Herr wird ihn bewaren / und beym Leben erhalten / und ihm lassen wol gehen auff Erden sc. Hergegen wo jemand die seinen / sonderlich seine Haußgenossen nicht versorget / der ist ärger als ein Heide / und hat den Glauben verläugnet. Also wird es Ew. WolEdl. Vest und Hochgel. Herligk. zweiffels ohn bey hohen und niedriges Standes Personen zu grossem Ruhm gedyen / wenn sie werden hören / daß dieselbe an dem armen frembdling dem Mohren‚ ihrem Haußgenossen und Diener / so grosse Barmhertzigkeit gethan / und für dessen Seelen Heyl und Seligkeit Christvätterliche Vorsorge getragen / und sich dessen so hertzlich angenommen / damit er ja möchte selig werden / und zu dem Ende ihn zur H. Tauffe befördert: Und zweiffelt mir nicht / es werde der Allerhöchste vergelter alles guten sölche an dem armen Knaben erwiesene Christliche Gutt= und Wolthaten mit seinen mildreichen Segen an dem Herrn und den lieben seinigen hinwiderumb ersetzen / welches Ihnen von Hertzen wünsche.

Ew. WolEdl. Vest und Hochgel. Herligk. überreich hiermit auff begehren die bey sölcher Tauffhandlung des Mohren gehaltene einfältige Predigt / und empfehle dieselbe / neben dero Hertzviel geliebten Hauß=Ehre / Kindern und gantzem Hause in Gottes Gnaden=Schutz trewfleissig / und verbleibe stetts

Ew. WohlEdl. Vest und Hochgel. Herrl. Gebett und Dienstbereitwilliger

M. IOHANNES LUDOVICI.

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Ein fast gleiches exempel der bekehrung eines Mohren wird uns heutiges Tages für Augen gestellet an gegenwertigem Knaben / einem gebornen Mohren / welchen der Wol=Edel Vest und Hochgelarter Herr O. Gerhard Schepeler / Bürgermeister und Landt=Raht / vor fünff Jahren / An. 1656. in Hamburg von einem West=Friesischen Kauffman / genant Samuel Schmidt / gekaufft / welcher ihn selber auß Aphrica mitgebracht / und wie er noch ein Knäblein von 4. Jahren in dem Königreich und Stadt Guinea von einigen Holländischen Soldaten / die ihn im fürbey führen am üfer des Meeres spielend gesehn / und auffgefangen hatten / erkaufft gehabt. Besagter Kauffman hat bey überlieferung des Knaben berichtet / daß er noch nicht getaufft sey / auch dabey mit weinenden Augen ihm das gute Zeugnüß gegeben / daß er ihn nun ins siebende Jahr gehabt / und ein frommes Gemühte an ihm gespüret / und dahero zum höchsten gebeten / daß er zur Tauffe möchte befördert werden / welches ihme die Prediger ihres Ohrtes des Knabens kindheit halber bißhero verweigert hetten : Jetzo aber / nachdem der Knabe ungefehr von fünfzehen Jahren ist / und ein hertzliches verlangen zur H. Tauffe träget / massen er darumb vielfältig / auch mit Trähnen flehentlich / gebeten und angehalten / so hat vorgemelter Herr Doctor für ihn / als seinen haußgenossen / Christliche vorsorge getragen / und daß ordentliche Mittel zur Seligkeit / nemlich das Bad der widergeburt / die H. Tauffe / an ihm nicht verabsäumen / noch weiter auffschieben / sondern mit allem Ernst ihn dazu befördern wöllen. Hat ihn demnach zuförderst in der Christlichen Lehr des H. Evangelij unterweisen lassen / biß er von hiesigem Ehrw. Ministerio tüchtig erkant und befunden / das Sacrament der H. Tauffe anzunehmen / woran Er ein löblich Werck der Christlichen Liebe an diesem armen frembden Knaben erweisen thut / denn wer den Sünder bekehret von dem irthum seines weges / der hat eine Seele vom Todt errettet.

Wöllen darauff im Nahmen Gottes gegenwertigen Mohren zur H. Tauffe führen / welches an diesem Orte wol etwas newes / und bey Menschen=dencken in dieser Stadt nicht geschehen noch gesehen. Ehe und bevor aber wir zur Tauff=handlung schreiten / wollen wir die abgelesene Histori / als welche sich auff disen actum gar fein und wol schicket / zu erklären für uns nehmen / und darauß dis einige thema tractiren und handlen / nemlich wir wollen besehen: A Ethiopis Baptismum, das ist / Wie der Mohr von philippo getaufft worden.

Gott der Himlischer Vatter wölle uns hierzu die Gnade und Gabe des H. Geistes reichlich verleihen / umb seines lieben Sohns des Herrn Jesu Christi willen Amen.

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Aus diesem Gespräche könten zwar unterschiedliche Lehren eingefüret werden / wir wollen aber nur diese einige / die sich auff unser vorhabendes Werck der Christlichen Tauffe eines Mohren schicket / kürtzlich anführen / nemlich: Wie es mit den erwachsenen Personen / die zu ihren Jahren kommen / und in ihrer kindheit nicht getaufft worden / müsse gehalten werden wenn sie die H. Tauffe begeren / und sich zu dem HErrn Christo und seiner Kirchen begeben und bekennen wöllen? Diese Lehr schickt sich alhie wol / und wird davon selten gehandelt / weil solche personen selten vorkommen. Hierauff ist die Antwort / daß solchen erwachsenen und in ihrer kindheit nie getaufften Leuten / ob sie schon ausser der Kirchen entweder von den Türkischen / Jüdischen oder Heidnischen Eltern geboren / die H. Tauffe nicht könne oder solle verweigert werden / den auch die Erwachsene das angehet / was der HErr Christus sagt von den Kindern: Last die Kindlein zu Mir kommen / und wehret ihnen nicht / und abermahl / wer zu mir kombt / den werde ich nicht hinauß stossen. Zudem sind die Erwachsene auch Sünder / in sünden entfangen und geboren / und darin auffgewachsen: Sind also Fleisch vom Fleisch gebohren / und dahero der Widergeburt eben so wol / als die kleinen Kindlein / bedürfftig So gehen auch die Erwachsene an die Worte Petri / da er zu den Jüden spricht. Ewer und ewer Kinder ist diese Verheissung / und aller die ferne sint welche Gott unser Herr herzu ruffen wird / aber es muß bey den Erwachsenen vorher gehen eine informatio oder unterweisung von der Christlichen Lehre und den Glaubens=Articulen / daß sie dieselbe vorher verstehen lernen / und ihren Glauben öffentlich bekennen.

Die Unterweisung muß notwendig vorher gehen bey sölchen Leuten / auf daß sie auß dem Gesetz ihre Sünde erkennen lernen / sintemal durch das Gesetz kömpt erkäntnüß der Sünden / und über dieselbe hertzliche rew und leid tragen / auch aus dem Euangelio und Articuln unsers Christlichen Apostolischen Glaubens lernen / wessen sie sich wider ihre Sünde zu getrösten haben / nemlich / daß es gewißlich wahr / und ein thewr wehrtes Wort / daß Jesus Christus umb der Sünder willen in diese Welt kommen / dieselbe selig zu machen / und das Er umb unser Sünde willen gelitten unter Pontio Pilato / gecreutziget / gestorben und begraben / und umb unser Gerechtigkeit willen aufferstanden von den Todten. ec.

Diesen methodum oder ordnung mit den Erwachsenen haben die Apostel auch gehalten und in acht genommen / wie zu ersehen in der Histori / da zu Jerusalem am Pfingsttage durch die predigt Petri dreytausend Seelen bekehret worden / und dieselbe Petrum und die andern Apostel fragten: Ihr Männer / liebe Brüder / was sollen wir thun? Da antwortet Petrus und sprach: Thut Busse / und lasse sich also ein jeglicher tauffen auff den Nahmen Jesu Christi / zur vergebung der Sünden. Der Hauptman Cornelius ist von S. Petro durch eine schöne Catechismus=Predigt zuvor unterweiset / ehe er von demselben zur Tauffe verstattet worden. Paulus und Silas predigten zuerst dem Kerckermeister zu Philippis das Wort des HErren, hernach taufften sie ihn. Und eben also sol mans halten mit allen ungläubigen / die ausser der Kirchen sein / daß sie zuvor in den Glaubens=articulen wol unterrichtet werden / ehe man sie tauffe / und der Christl. Kirchen einverleibe. Und hieher gehört der Befehl Christi an die Apostel / da Er sie mit seiner instruction abfertiget: Gehet hin / und lehret alle Völcker / und tauffet sie im Nahmen des Vatters / und des Sohns / und des H. Geistes / davor dem tauffen das lehren muß vorhergehen.

Dieser methodus und ordnung ist auch observiret und in acht genommen mit einem Türcken / welcher im Jahr 1573, zu Halle in Sachsen von M. Samuele Boethio, damahligen Superintendenten daselbst / in den Hauptstücken des Catechismi vorher fleissig unterrichtet / öffentlich examiniret / und hernach auff gethanes öffentliches bekentnüß des Christlichen Glaubens getaufft worden.

Und das ist auch alhie bey diesem gegenwertigem Knaben auß Mohrenland also practiciret und in acht genommen / massen derselb vorher im Catechismo mit allem fleiß unterrichtet / für unserm Ministerion examiniret und verhöret / hat auch die funff Hauptstücke des Catechismi außwendig gelernet / wie er sölch sein Glaubens=bekentnüß auch itzo nach der predigt vor empfahung der H. Tauffe für der gantzen Gemeine öffentlich thun wird. So ist er auch den Christlichen Glauben und die H. Tauffe anzunehmen nicht gezwungen worden / sondern er hat ein hertzliches verlangen nach der H. Tauffe getragen / und flehentlich darumb angehalten und gebeten. O des seligen verlangen! Selig sind die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit / den sie sollen satt werden.

So viel von dem Gespräche des Kämmerers und Philippi und was wir dabey zur lehr zu merken haben.

Schreiten darauff weiter forth zum dritten stück / und wollē besehen Baptismum ipsum, die tauffe des mohren / und wie es damit zugangen? Davon berichtet der Evangelist Lucas in verlesenen worten also: Und er / (der Kämmerer) lies den Wagen halten / und stiegen hinab in das Wasser beide Philippus und der Käm=merer / und er tauffet ihn.

Hie wird uns beschrieben des Kämmerers oder Mohren Tauffe. Es ist mit dieser Tauffe fast eben also zugangen / wie mit der Tauffe des H. Christi / da er am Jordan von Johanne getaufft worden / da stiegen auch beide in das Wasser des Jordans / und Johannes tauffte daselbst den HErrn CHristum. Eben also machet es hie Philippus mit dem Kämmerer. Man höret hie nicht / das Philippus bey des Mohren Tauffe Saltz / Oel oder Chrysam / oder andere abergläubische Ceremonien gebrauchet hätte / wie solche in Pabstum bey der Tauffhandelung gebrauchet werden / darumb auch wir Evangelische dieselbe / weil sie in GOttes Wort und der Apostel praxi nicht gegründet seyn / bey Unser Tauffe nicht gebrauchen / sondern bleiben schlechter dinge bey unser Evangelischen Tauffe / und behalten die art und weise / die alhie Philippus und die andern Apostel gehalten und gebraucht haben / und bestehet dieselbe in zweien wesentlichen stücken / die man in schulen Materiam & Formam nennet / das man zu einer rechtmessigen Tauffe gebrauchet Wasser und Worte / die CHristus den Aposteln vorgeschrieben / daß sie die H. Tauffe verrichten sollen mit Wasser im Nahmen des Vaters / und des Sohns / und des Heiligen Geistes.

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Quelle: Johann Ludovici, MOHREN Tauff=Predigt / Welche bey angestelter Tauffe eines Mohren / so zu Osnabrüg in St. Marien Kirch am 18. Maij st. N. Anno 1661 durch die Heilige Tauffe dem HERRN Christo zugeführet und einverleibet worden / Gehalten / Und auff begehren zum Druck übergeben / Von M. IOHANNE LUDOVICI, Mindano, Past. zu St. Catharinen und Superintend daselbst. Mit beygefügtem Verzeichnüß / wie und mit was Cermonien solche Tauffe des Mohren verrichtet. Oßnabrüg: Bey Johann Georg Schwandern, 1661, S. 2–3, 7–8, 21–24. Online verfügbar unter: http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN821063391

Titelseite, Johann Ludovici, MohrenTauff=Predigt (1661)

Quelle: Titelseite, Johann Ludovici, MOHREN Tauff=Predigt / Welche bey angestelter Tauffe eines Mohren / so zu Osnabrüg in St. Marien Kirch am 18. Maij st. N. Anno 1661 durch die Heilige Tauffe dem HERRN Christo zugeführet und einverleibet worden /....Osnabrüg: Bey Johann Georg Schwandern, 1661. Online verfügbar unter: http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN821063391

SUB, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen

Markus Friedrich, „Türkentaufen. Zur theologischen Problematik und geistlichen Deutung der Konversion von Muslimen im Alten Reich“, in Markus Friedrich mit Alexander Schunka, Hrsg., Orientbegegnungen deutscher Protestanten in der Frühen Neuzeit. Zeitsprünge Sonderheft. Frankfurt am Main, 2012, S. 47–74.

Almut Höfert, Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich, 1450–1600. Historische Studien 35. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag, 2003.

Manja Quakatz, „‚Gebürtig aus der Türckey‘: Zu Konversion und Zwangstaufe osmanischer Muslime im Alten Reich um 1700“, in Barbara Schmidt-Haberkamp, Hrsg., Europa und die Türkei im achtzehnten Jahrhundert / Europe and Turkey in the Eighteenth Century. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011.

Johann Ludovici, Taufpredigt für einen „Mohren“ (1661), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-254> [01.12.2023].