Erfahrungsbericht eines gefangenen Christen (1623)

Kurzbeschreibung

Johann (auch: Johannes) Wild kam aus Nürnberg und ließ sich als Soldat für den Krieg gegen das Osmanische Reich („Türkenkrieg“) anwerben. Ende Dezember 1604 geriet er in ungarische Gefangenschaft und wurde als Kriegsgefangener an die „Türken“ verkauft. Seine Erlebnisse und Erfahrungen mit der islamischen Welt und Religion schilderte Wild rückblickend in einer Reisebeschreibung. Die Beschreibung wurde gedruckt und erfreute sich einiger Beliebtheit beim deutschsprachigen Publikum. Wild wird im Vorwort des Buches als Christ und als Deutscher vorgestellt, der dem deutschen Lesepublikum die nicht-christlichen Bräuche und Sitten aus eigener Erfahrung schildert. Deutsch wird hier explizit mit christlich in eins gesetzt. Auch Wild selbst benutzt an unterschiedlichen Stellen die Zuschreibung „deutsch“. Die Vermarktung des Buches wirbt mit dem Gegensatz christlich (= deutsch) versus muslimisch. Gleichzeitig wird Wilds Interesse an der fremden Religion und deren Ausübung deutlich, so wurde beispielsweise ein türkisches Gebet am Ende des Buches abgedruckt.

Quelle

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Vorrede über Hans Wilden Reysbuch.
An den Christlichen gutherzigen Leser.

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Was denn dise Reysbeschreibung belangt / darinn wird der guthertzige Leser vil gedächtnuß wirdige Ding finden / die man in andern Reysbüchern nicht findet / dann ich weiß keinen zunennen vnter den Christen / oder den Teutschen / der an dise Ort / die deß Mahomets halben berümbt seyn / kommen were / nemblich gen Mecha da der Mahomet geboren ist / vnd Medina Talnabi / da deß Mahomets Begräbnuß ist / dann was man bey etlichen alten Historicis liset von dem eysern Sarch / dari der falsch Prophet Mahomet ligt / welcher Sarch hoch oben am Gewölb schweb / das ist Fabelwerck / wie dann der Autor dises Buchs selbst bezeuget / wiewol der Christenheit daran nichts ab oder zu gehet / wie oder wo diser falsch Prophet begraben sey / sondern es ist daran nicht wenig gelegen / allen liebhabern der Historien / daß man bericht mög haben der gelegenheit deß Lands Arabia / was der Einwohner sitten vnd gebräuch seyen / wie diese so grobe Barbarische / Viehische / grimmige / blutdurstige Leut seyen / an denen nichts Menschlichs / da allein die eusserliche gestalt / bey welchen alle Leutseligkeit vnd Freundligkeit gantz vnd gar erloschen ist / vnd hergegen rauben / morden stelen / vnd andere Laster für Tugenden geacht werden / Jtem was dieselben Völcker für blinde Leut / ohn ein Gott vnd ohn Religion seyn.

Wie selige Leut seyn von Gottes Gnaden wir Teutschen in vnsern Landen / vornemblich an denen Orten / da die vngefälschte Lehr / das heylige Evangelium im schwang gehet. Jtem daß wir hin vnd wider mit solchen Obrigkeiten versehen seyn / die über guten Gesetzen / ordnungen vnd Disciplin, mit fleiß / so viel müglich ist / halten / vnd dieselben handhaben / daß die frommen Unterthanen beschützt / vnd die vngehorsamen der gebür nach gestrafft werden / durch welche Obrigkeit nicht allein zeitlicher Fried / söndern auch Zucht / Tugend / Erbarkeit / beneben Gottseliger Nahrung / befördert vnd erhalten werden / vnd wir solcher gestalt vnser Leben zubringen mögen / in aller Gottseligkeit vnd Erbarkeit / als Christen gebürt.

Derowegen wir solche vnaußsprechliche Wolthat Gottes erkennen / vnd Gott dem Allmächtigen darfür von Hertzen sollen dancken / daß er vns von der Heydnischen Blindheit vnd Finsternuß hat errettet / vnd vns gebracht zu seinem wunderbaren Liecht deß H. Evangelij / welches darumb heist ein wunderbares Liecht / dieweil der Vernunfft das Gesicht darvor vergehet / gleich wie die Eülen bey hellem liechten Tag blind seyn / die wir / sagt der Apostel weiter / weilund nicht ein Volck / Nun aber Gottes Volck worden seyn / die wir weilund nicht in gnaden waren / Nun aber in gnaden seyn / Für diese vnaußsprechliche Gnad vnd Wolthat sey Lob vnd Danck der H. Göttlichen Dreyfaltigkeit / Amen.

Datum Nürnberg den 3. Martij / Anno nach Christi Geburt 1613.
Salomon Schweigger: Diener am Evangelio zu vnser Frauen.

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Das erste Buch ist eine Beschreibung der Reys von Nürmberg auß / in das Unger Landt / biß in die Türkey / nach Constantinopel / vnd biß er dahin kommen / zum fünfften mal verkaufft worden. Und hat 38. Capitel.

Das I. Capitel.
Hanns Wild zeücht dem Kriegswesen nach / in Ungern / wider den Botschcai.

Nach dem ich inn meiner Wanderschafft / Anno 1604 im 19. Jahr meines Alters / in Ungern kommen / vnd mir das Kriegswesen nicht übel gefallen / hab ich mich Käys: May: wider den Erbfeind zu dienen schreiben lassen / vnd vnter dem Regiment vnd Obersten Fähnlein deß Wolgebornen Herrn / Herrn Gotthardten von Starrberg für die Vestung Gran gezogen / darfür wir vber die dritthalb Monat gelegen / (denn der Türck solches nicht dasselbig Jahr / sondern das ander hernacher eingenommen /) da ich denn schon von den Ungern gefangen / vnd den Türcken zu Ofen verkaufft war / da hört ich von ihnen / wie sie es bekommen / vnd erobert hatten. Als nun der Türck von Gran abgezogen / vnd wir mit gantzem Feldläger in ober Ungern nach Cascha vnd Eperies geführt / wurd deß Colonnitzen Regiment zertheilet / vnd auff die Grentzhäuser gelegt / Als aber vnser Läger etlich tag fortgezogen / erhub sich grosser Hunger vnter vns / denn wir von der Thonaw hinweg gezogen / vnd die Marckedenter nichts mehr dem Lager zuführeten / sondern sie waren alle nach Wien auff anheim gereist / wir arme Knecht aber musten viel Hunger vnd Kummer leyden / wie ich denn für mein Person damals in 14. tagen kein Brodt gesehen noch gessen hab / darumb auch viel Knecht vnter vnserm Lager kranck worden / vnd dahin gestorben / grosser Kält vnd Hungers halben / denn wenn wir schon in ein Ungerisch Dorff kamen / funden wir niemandts darinnen / die Bawren waren alle darauß geflohen / vnd alles in den Dörffern / als Brodt / Drait / Meel / Fleisch / Speck / Saltz / Schmaltz / Käß / Hüner / Gänß / Ochsen / Kühe / vnd dergleichen / geflöhet / derowegen die Knecht gar vngedultig waren / vnd wo sie einen Ungerischen Bauren angetroffen / den haben sie gepeinigt vnd genötigt / daß er hat müssen bekennen / wo sie solches alles hingethan vnd versteckt hetten / da sie dann bekandt / wie in Häusern / Ställen / vnd auff den Fäldern in grossen Gruben ihre Victualia von Traid / Meel / Speck / Saltz / Fleisch / Schmaltz / eigegraben seyen / das Vieh aber in die Höltzer vnd Wäld getrieben / darauff denn die Knecht hingangen / solches außgegraben / vnd hernachmals lustig drüber worden.

Wir funden auch offtmals auff den Dörffern in den Häusern viel eingemacht saur Krasse / Gäntz / Hüner vnd Schwein / vnd allenthalben Wein vollauff in den Weinbergen / da thet sich denn die Bursch vollsauffen / vnd sich lang in den Dörffern auffhalten / dann die Knecht 10, 12, 15 vnd mehr auß dem Quartir auff die Dörffer lieffen / vmb Beut oder sonst was zu bekom̅en / Aber es blieben offt viel aussen / welche das Beut holen zu theur ankam / vnd ihren Geist dardurch musten auffgeben / denn offtermalen die Ungerischen Bauren vngewarneter sachen daher lieffen / wenn die Knechte in den Häusern herumb streüneten / vnd empfingen sie mit ihren Ungerischen Ohrlöffeln / daß sie zu boden suncken / vnnd das auffstehen vergassen.

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Das XVI. Capitel.
Was sich mit der Dierne zugetragen / welche mein Herr von den Tattern kaufft hatte / wie sie weggelauffen / vnd doch nach etlich tagen wider zu hauß gebracht worden.

Neben meines Herren Hauß wohnet ein Türckischer Handelsmann / der hatte auch ein Teutsch gefangenes Soldaten Weib kaufft / mit Namen Magdalena / auß dem Schweitzerland / diese redete alle tag mit meines Herrn Dierne am Fenster / wir aber merckten nichts böses von ihnen / hatten auch kein achtung auff sie. Nun aber hatten sie es mit einander angelegt / daß sie sich wolten bey Nacht vber die Mauren ablassen / vnnd darvon lauffen / sie wagtens vnd kamen vber die Mauren hinauß / daß niemand gewahr wurde / da sie nun vber die Stadtmauren kommen / wusten sie den weg nicht giengen auff Grau zu / vnd kamen dem Türcken auff ein newes inn die Händ / waren etwan fünff tag auß / darnach zu Fischgrad gefangen / welches der Türck schon eingenommen hatte / vnd da sie wider gen Ofen gebracht / wurden sie in der Statt also außgeruffen: Wer ein gefangene verlohren hat / der gebe 10 Ducaten / dem soll sie wider werden / solches wurd vns angezeigt / wie es vnser gefangene were / giengen derhalben geschwind hin / vnd brachtens wider zu hauß / vnd gaben dem die 10 Ducaten der sie brachte / deßgleichen thet auch vnser Nachbar / vnnd da sie heim kamen fragten wir warumb sie weggelauffen weren / da bekandte die vnsere die andere hette sie also angelernet / vnnd vberredet / sie solte mit ihr lauffen / sie wüste den weg gar wol / vnd sie solte sich nicht förchten / sie wolten wol darvon kommen / auch hette die ander ihrem Herrn viel Gelt enttragen / bey 40 Ducaten / welches man alles noch bey ihr fand / darumb sie ihr Herr hefftig brügelt / vnd verkaufft sie darnach / vnsere aber wurd nicht gebrügelt / sondern unserm Herrn nach Gran geschickt / vnd allda verkaufft.

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Das XXXVII. Capitel.
Wie man diesen gefangenen Hans Wilden sampt andern Jungen auff den Marckt führte und verkauffet.

Deß vierdten Tages kamen deß Kapich Wascha seiner Diener zween /und führten uns in Besisten /da hat man von allem köstlichen Zeug und Wahren feyl / darinnen gaben sie uns einem Mann in die Hand / den die Türcken nennen Tellial / der nam uns bey der Hand / führet uns herumb / unnd schrye einen nach dem andern auß / da kaufften die Türcken umb uns / welches bey drey Stunden wehret / biß endlich der Marck ein ende nam / denn es ist der brauch bey ihnen / daß man ein ding biß auff den letzten Mann verkaufft/welcher am meisten darumb gibt / dem wirds zu theil / also geschichts mit allem was man feyl hat / Gefangene / Rossen / Wahren / und dergleichen: Und wie der / welcher mich kauffen wolt / das Gelt auffzehlete / besahe er meine Händ / Arm / Leib / die Zähen/ meinen Kopff / und dergleichen / welches darumb geschicht / daß sie sehen ob einer ein Gebrechen an ihm hab / thun auch solches einem jeden / es sey Mann oder Weibsperson/ damit sie nicht betrogen werden / Unnd wenn ihm hernach die Person gefellt /so zehlet er das Gelt auff / und führet sie davon. Also ward ich nun zum fünfften mal verkaufft umb 60. Ducaten in anderthalb Jahren / denn ich war uber 7. Monat nicht bey diesem Wascha.

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Das II. Buch. Reysbeschreibung von Alcairo nach Mecha.

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Das X. Capitel
Wie mein Herr der Persianer mit der Charabon nach Mecha zoge / mit den Wallfahrts Gesellen.

Als ich in die sechs Monat bey disem Herrn gedienet hatte /reyset er auß Egypten von Alcairo auff Mecha gegen Orient zu / seiner Handlung und Wolfahrt halben / Denn sie alle Jahr zu Land und Wasser auff dem rohten Meer auß Alcairo dahin ziehen / aber zuvor müssen sie sich mit Proviant versehen / denn in 40. Tagen unterwegs nichts zubekommen ist. Es ziehen auch von Alcairo Marckedenter mit / welche weisse Mohren seyn / die kochen unterwegs / und verkauffens darnach andern wider / unnd führen mit sich Schmaltz / Oel / Hönig Brodt / Meel/ Bonen / Essig/ Knobloch / Zwifel/ auff Camelen. Die reichen Türcken aber führen solches alles selbst mit sich / daß sie im hin und her reysen auff drey Monat lang gnug haben. Es ist auch ein Oberherr unter ihnen / welcher auff Arabisch genennt wird Emerhatz / dieser ist vom Wascha darzu verordnet / und thut sie hin und wider nach Alcairo beleiten. Mit disen schicket auch der Wascha bey 100. Mamelucken / und 6. Stück Geschütz /auff daß/ wenn sie etwan die Moren auß dem Gebirg wollten uberfallen / sie sich desto besser wehren köndten / Darzu sind auch etliche zu Roß mit / die werden Espahi / oder auff Arabisch Ciutti genennt / haben auch ihre Besoldung vom Wascha. Darnach sind verordnet in die dreissig Cameel / derer ein jedes zwo leere Krippen trägt / darein man die legt / welche auff der Reys kranck werden / damit sie auch fortkommen / und nicht dahinden bleiben. Der Emerhatz muß acht Tage zuvor hinauß ins Feld mit seinem Gezelt / da ist ein Ort/darbey ein schöner Garten / und grüne Heyden / auff zwo meil wegs vor der Statt / bey dem Nilo / und wird der Garten oder Ort genennt auf Arabisch Materia / in diesem Garten soll die H. Jungfrau Maria mit sampt dem Herrn Christo sieben Jahrlang sich auffgehalten haben / als sie mit ihm von Bethlehem in Egypten geflohen ist / von diesem hernach ferner gemeldet wird.

Erstlich als nun alle an diesem jetzt ermelten Ort erscheinen / die mit ziehen wolten / da ließ der Emerhatz den Abend zuvor auß schreyen / durch seinen Herold: Wer da will nach Mecho ziehen/der mach sich morgen frü geschickt/und ziehe mit fort.

Als es nun tag wurd / ließ der Emerhatz mit Posaunen blasen zum Fortzug / darnach stellet man sie Rotten weiß nach einander / wie sie den gantzen Weg ziehen solten / damit sie nicht unter ein ander lieffen / wie das Viehe / Es wurden auch alle Cameel hinder einander gebunden / Glied weiß / auch sich ein jeder zu Nacht mit Wasser versehen / und seine lederne gebichte Säcke lassen füllen / auff daß er drey Tag gnug hette / biß wir durch die sandige Wüsten kämmen / zu der Statt / welche am Rothen Meer ligt / und auff Arabisch genennet wird Subeis / allda lagen wir ein Tag still / liessen die Cameel ein wenig außrasten / und trencketen sie / versahe sich auch ein jeder wider mit Wasser / denn man muß allezeit zween oder drey Tag reysen / biß man ein mahl Wasser bekompt / es ist nichts werthers auff der gantzen Reys / als das Wasser / sterben auch ihrer viel von grossem Durst / wie ich selber gesehen / hette offt gern einen Taler umb ein Trunck Wassers geben / wenn ichs hette bekommen können/hab auch offt gesehen / daß die armen Leut im Lager herumb gangen unnd gebettelt / wenn man ihnen Brodt oder Speiß geben / haben sie es wider hingelegt und gesagt /ach mein Herr/ich begere nicht zu essen / sondern umb Gottes willen nur ein Löffel voll Wassers.

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Das XIV. Capitel.
Wie wir zwischen zweyen Bergen seyn durch gereist/ da der Mahomet mit den Christen solle ein Schlacht gethan haben.

Den dritten Tag zogen wir von Jambo wider weg /und reiseten durch viel Gebirg und Clausen / wir hatten viel Anstöß von den Mohren / die in selben Gebirgen wohnen / sie haben viel unter uns mit Steinen beschädigt / ettlich gar zu todt geworffen / und kundten wir inen nichts abgewinnen / denn sie stunden hoch im Gebirge drinnen / unnd schlauderten mit grossen Steinen auff uns herauß / denn wir musten unten im Thal durch das gebirge ziehen. Es hatten auch etliche unter ihnen Rohr / die schossen weidlich auff die Cameel / wie auch mit Handbogen / und wehret das eine halbe Stund / da giengs alles durch einander / wer kondte fortkommen / der saumet sich nicht / denn wer dahinden blieb/der wurd hernach erschlagen / und alles genommen / sampt seinen Camelen / und was einer drauff hatte. Es blieben dasselbig mal bey 300. Mann auff dem platz / auch in 500. Camelen / und wurden ihrer vil beschädiget / die hernach in zween oder drey tagen erst sturben / mein Herr wurde auch mit ein Pfeil geschossen / aber der Teuffel wolt in nit gar holen / ich hett es gern gesehen/er war ein unbarmherzger Hund / thett nichts de schenden u schlagen / wenn im das Maul auffging / schalt er mich du Jüdisch Unzifer / du Christisch Unzifer / du Hunds unzifer / du Säu Unzifer / du verzweiffelter und verfluchter Mensch / also schmähet mich der gottlose tyrannische Hund / ich hatt offt im willen / ich wolt ihm bey der nacht den Kopff abhauen / und darnach ins Gebirg zu den Moren lauffent gedacht aber wider / mein Gott / ich bin hernach ärmer/denn vorhin / denn so ich von eim Tyrannen gelauffen / were in dem andern in die Händ kommen / befahl es also dem lieben Gott / und bat in / er solte mir gnad verleyhen / daß ich es köndt mit gedult ertragen. Und als wir 2. oder 3. tag gereyset/kamen wir auff eine grosse sandige Heyden /der Sand war so klein als Meel/da huben die Türcken und Moren an zu schreyen / Ach Gott behüt / daß kein grosser Wind aufstehe / ach hilff lieber Gott. Da wir nun 3. oder 4. Stund darinn gereyset / kamen wir zu zween Bergen / da musten wir zwischen durch / der eine war von schönem klaren Sand / der ander von schwartzen grossen Steinen / und war sonst weit und breit kein Stein zu finden. Die Türcken lieffen zu dem sandigten Berg / und namen mit zwo Händen Sand/reiben das Gesicht damit / und sprachen: O du glückseliger Mahomet / und so fortan. Ich fragte einen Moren / meiner guten Bekandten einen / was doch das bedeute / der antwortet mir / Allhie haben sich die Türcken mit den Christen geschlagen / aber die Türcken haben die Christen alle nider gehauet / und sagte darzu / auff dem sandigten Berg sey der Mahomet mit seim anhang gestanden / und auff dem andern schwartzen steinigten seyn die Christen gewesen/von dannen haben die Christen mit Steinen hinüber geworffen / welche zu lauter Sand worden / und die Türcken mit dem Mahomet hetten Sand hinüber geworffen / der were lauter Stein worden / darauff sprach ich / das ist erlogen / wenn ichs gesehen hette / so glaubt ichs / da wurd der Schelm gar schellig auff mich/und sprach: Bey Gott du bist ein Christenhund / schweig still /oder ich schlag dich / da hatte ich sehr übel geredt / er wolte auch lange zeit kein Wort mehr mit mir reden / und ich ward fro daß ich also davon kam.

Das XV. Capitel.
Wie wir durch eine sandige Wüsten reyseten / und das Volck allda auff die Knie fiel /zu Gott und irem Mahomet rieffen / daß er ihn wölle gnädig seyn / weil daselbst der Mahomet die Engel im Himmel sol haben singen hören.

In etlichen tagen kamen wir in ein sandigte Wüsten / die 2.tag reys lang / da ist ein Berg / und ehe sie uber denselben reiseten / verstofften sie den Camelen ire Glocken / oder Schellen / daß sie nit klungen / biß sie uber den Berg kämen (denn wenn die Türcken oder Moren reisen/so hengen die den Rossen u Camelen grosse schellen oder glocken an /daß man sie weit hören kann) und reyseten also uber disen Berg gar still / und der meiste theil der Türcken u Moren lieffen von den Camelen / machten ein Abtes / mit dem Sand/Abtes ist so vil als gereinigt / die händ und das gesicht / wie auch die füß / darnach beteten sie zweymal zu Gott / und irem Mahomet / die andern sahen gen Him̄el / und sprachen / da hat unser Prophet Mahomet die Engel im Him̄el hören singen / und sprach im̄er einer zum andern / mein hörestu was / mein hörestu was / und fragten so einander / ich kund nit unterlassen / u fragt sie / Ach ihr seyd arme Leut / glaubt ir solchen dingen / und lacht darzu / sie hiessen mich ein Christischen Hund / und schalten mich sehr / ich aber fragte nit vil darnach / sonder lacht ires blinden glaubens.

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IV. Das vierte Buch ist eine Beschreibung der Reys auß Egypten / in die Türcken nach Constantinopel / von dannen in Polen / und wider in Teutschland

Das VIII. Capitel.
Hans Wild reyset auß Polen in das Teutschland.

Zu Jasch lagen wir drey Tag still / allda sie auch Maut geben musten von den Gütern / die sie mit sich führten. Diese Statt ist nicht groß / sihet einem Marckflecken gleich / hat keine Mauren vmb sich / hat auch ein schlechtes Schloß darinn / in welchem der Fürst Hof helt. Die Inwohner seyn Wallachen / Reussen / vnd Polacken / welches ein Tyrannisch Volck ist / vnd seyn keine Stund vor den Tattern sicher / die armen Bauern fliehen allenthalben auß den Dörffern / vnd halten sich in grossen Höltzern auff.

Von Jasch kamen wir in 8 Tagen nach Camenitz / da das erste Grentzhauß ist / im Land zu Polen. Diese Statt ist gewaltig vest / aber nicht groß / hat auch ein vestes Schloß / darinnen ettlich hundert Heyducken ligen. In dieser Statt ist meinem Herrn sein Wagenknecht ausgerissen / hat ihm ein Roß vnd Büchsen gestohlen / damit auff vnd davon geloffen.

Von Camenitz kamen wir in 8 Tagen nach Reüßischlemberg / daselbst luden die Kaufleut ihre Wahren ab / da bin ich noch bey meinem Herrn blieben / biß der Jarmarck zu Jaraslau fürüber gewesen.

Zu Jaraslau traff ich einen Teutschen Kauffman an / mit Namen Lorentz Stauber / ein Reicher Fürnemer Mann / handelt mit Sammet vnd Seyden / vnd wohnet zu Craco / in der Königlichen Hauptstatt.

Den 30. Augusti zog ich von Jaraslau nach Craco / da hat mir mein Herr einen Taler geschenckt / vnd einen ehrlichen Abschid meines wol verhaltens mitgetheilet

Als ich nach Craco kam / streckte mir der Herr Lorentz Stauber 12 Gülden für zur Zehrung / welche ich hernacher seinem Stieffvatter Erasmo Schilling / zu Nürnberg den 22. October wider erleget.

Dieser Lorentz Stauber zu Craco erzeigte mir alle Ehr vnnd Freundschafft / weil er hörte daß ich von Nürnberg war / vnd in der Türkey viel erlitten vnd außgestanden.

Darnach kam ich von Craco mit zweyen Gutschern nach Prag / welche Juden dahin fuhrten / Allda lag ich vier Tag still / darnach nam ich meinen weg auff Nürnberg zu.

Das sey also gnug von meiner Reys geschrieben / vnd dancke Gott dem Vatter aller Barmhertzigkeit / vnd seinem lieben Sohn Jesu Christo / meinem Heyland vnd Nothelffer / der mich so gnädiglich beschützet vnd beschirmet hat / auff Wegen vnd Stegen / zu Wasser vnd Land / vnd mich wider in mein liebes Vatterland gebracht / ihm sey Lob / Ehr / Preiß / vnd Danck gesagt / jetzt vnd in alle Ewigkeit / Amen.

Quelle: Johannes Wild, Neue Reysbeschreibung eines Gefangenen Christen: Wie derselbe neben anderer Gefährligkeit zum sibendem Mal verkaufft worden/ welche sich Anno 1604. angefangen/ und 1611. ihr end genommen/ Darinnen außführlich zu finden/ die Stätt/ Länder und Königreiche/ sampt deroselben Völcker/ Sitten und Gebräuch/ ... Insbesonderheit von der ... Walfahrt von Alcairo nach Mecha/ ... Item von der Statt Jerusalem/ ... von der Statt Constantinopel ... In IIII. unterschiedlichen Büchern begriffen / Auffs fleisigst eigner Person beschreiben und außgestanden Durch Johann Wilden/ Burgern inn Nürnberg. Mit einer Vorrede Herrn Salomon Schweiggers S. Predigers zu unser Frauen daselbsten. Nürnberg: Lochner, 1623, Titelseite, Auszuge aus der Vorrede von Salomon Schweigger (o. S), S. 1–2, 17–18, 43, 56–57, 61–63, 254–55. Online verfügbar unter: https://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd17/content/titleinfo/96192

Winfried Schulze, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung. München: C. H. Beck, 1978.

Erfahrungsbericht eines gefangenen Christen (1623), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-257> [05.12.2023].