Fürstliche Machtdemonstration: Samuel Quiccheberg, Inscriptiones (1565)
Kurzbeschreibung
Der flämische Arzt Samuel Quiccheberg (1529–1567) verfasste das Werk Inscriptiones 1565 für Herzog Albrecht V. von Bayern. In diesem Text, dem ersten seiner Art, beschrieb er, wie eine fürstliche Wunderkammer aufgebaut werden sollte, und listete die enorme Vielfalt der Objekte und die Reihenfolge, in der sie erscheinen sollten, auf. Macht und Identität werden in den Sammlungen explizit dargestellt (z.B. Karten und Stammbäume) und implizit durch den Akt der Sammlung und Präsentation der Objekte durchgeführt. Darüber hinaus sehen wir, dass das relevante Organisationsprinzip der fürstliche Hof war und dass dabei der Status des lokalen Herrschers unter seinesgleichen im Vordergrund stand statt einer „nationalen“ oder proto-nationalen Gesinnung.
Quelle
ÜBERSCHRIFTEN
ODER TITEL
DES UMFANGREICHSTEN
THEATERS,
welches einzelne Stoffe aus der Gesamtheit aller Dinge und herausragende Bilder umfaßt, so daß man mit Recht auch sagen kann:
ein Archiv kunstvoller und wundersamer Dinge, eines vollständigen seltenen Schatzes und kostbarer Ausstattung, Aufbauten und Gemälde, was hier alles gleichzeitig zum Sammeln im Theater empfohlen wird, damit man durch dessen häufige Betrachtung und die Beschäftigung damit schnell, leicht und sicher eine einzigartige, neue Kenntnis der Dinge sowie bewundernswerte Klugheit erlangen kann. Vom belgischen Autor Samuel von
QUICCHEBERG.
MÜNCHEN
Aus der Werkstatt des Druckers Adam Berg.
Im Jahre 1565.
Mit der Gnade und dem Privileg des Fürsten.
[…]
ERÖRTERUNGEN UND ERKLÄRUNGEN GEMÄSS DER REIHENFOLGE DER ÜBERSCHRIFTEN
In unserem Theater gebrauchen wir das Wort „Überschrift“ so, als wenn vielleicht ein König, Fürst oder irgendein anderer Stifter einzelne gesammelte Dinge an festen Orten so überschrieben oder noch erwogen hätte, sie so zu überschreiben. Ich konnte hier nämlich diesen Rat zur Gründung und Ordnung dieser Dinge geben, ich habe vornehmlich durch Kategorien, denen ich in etwa die gleiche Form geben wollte, Vorschläge gemacht. Das Übrige werden die Erörterungen ergänzen.
Auch der Name „Theater“ wird ihm hier nicht uneigentlich beigelegt, sondern vielmehr wegen des großen, mit Bögen errichteten, ovalen Baus in der Form einer Wandelhalle von der Art, die die Einheimischen selbst in Basiliken und Klöstern Umgänge nennen, von hohen Stockwerken auf den vier Seiten gebildet, in deren Mitte ein Garten liegt.
Oder man kann die Vorhalle weggelassen haben - denn so sieht das bayerische Theater der Kunstwerke aus -, so daß vier riesige Hallen in den vier Himmelsrichtungen weit offen daliegen. Deshalb kann man ihm nach einer anderen Methode auch den Namen des Amphitheaters beigeben. Es ist angebracht, hier das Museum des Julius Camillus mit seinem Halbkreis zu tadeln, nachdem es richtigerweise auch als Theater bezeichnet werden könnte. Andere haben diesen Namen aber metaphorisch benutzt, wie Christoph Myläus, Conrad Lycosthenes, Theodor Zwingger, Wilhelm de la Perriere und vielleicht auch andere, als sie so die Umstände des menschlichen Lebens, die Lehre, wie man Geschichte zu schreiben habe, andere Traktate und Erinnerungen, nicht aber das Ausmaß der feststellbaren Schwierigkeit und der Angelegenheit, die darin behandelt oder vorgeschlagen wird, dennoch in schöner Manier einige Bücher geschrieben haben.
In der ersten Klasse
Tafelbilder der heiligen Geschichte und anderes, erste Überschrift
Ich stelle hier die erlesensten sakralen Tafelbilder vor, sei es, daß jemandem ein einziges vorzüglich erscheine oder zwei oder mehrere, damit der beste Anfang des Theaters oder des Archivs von den göttlichen Bildern gemacht werde. Wir lassen aber sofort die Ahnengalerie des Gründers folgen, sein Porträt und anderes, dem hier Vorrechte geschuldet werden. Ohnehin folgen nach der fünften Klasse die Ahnengalerie aller möglicher berühmter Menschen und ohne Unterschied gesammelte Porträts. Schön wird es bei den Ahnengalerien, Porträts und anderen Dingen (wo immer sie schließlich aufgehängt werden) jedoch sein, daß Fürsten und Bürger einander ihre vorzüglich gemalten Bilder in derartige bewahrenswerte Bildarchive schicken. Was darüberhinaus die ganze Reihenfolge angeht, wird hoffentlich eine recht willkommene beschlossen werden.
Denn alle natürlichen Gegenstände, wenn wir sie nach der Natur selbst einteilen, wollen wir hier nicht den Philosophen, sondern den Fürsten zuschlagen sowie die meisten durch ihre Aufbewahrung erfreulichen Dinge. Denn es ist auch noch nicht gestattet, einzelnes nach den sieben Planeten einzuteilen, wie sie es in der Nachfolge von Vitruv und Camillus tun könnten, obwohl eine leichtere Ordnung gemäß der Gestalt der Dinge angewandt werden sollte. Darüber werde ich aber etwas im Buch über die Kategorien bei den Farben vorbringen. Oder vielleicht, wenn es günstig erscheinen wird, rasch im Buch über die leichten Methoden, die fast nur bei den Druckern Europas eingerichtet wurden. Denn jene kannten auch die methodischen Indizes von Büchern; ihnen soll nahegelegt werden, die verständlichsten und nützlichsten Indizes eines beliebigen Inhalts zusammenzubinden.
Die Ahnengalerie des Gründers, zweite Überschrift
Schon in der vorangegangenen Abhandlung habe ich im Überfluß von dieser Ahnengalerie und dem angrenzenden Abschnitt der Porträts, und weshalb sie dort vorangestellt werden, gesprochen. Doch auch an anderem Ort raten wir mehr hierzu, so in der fünften Klasse, unter der fünften Überschrift. Dies mußte angemerkt werden, damit man nicht eventuell unter der Führung Merkurs, der vor einem herläuft, danach fragte und gleichwohl vom Wege abkäme.
[…]
Die Waffen der ausländischen Völker, achte Überschrift
Ich berichte hier auch von Waffen mit dem unterschiedlichsten und bequemsten Nutzen, um die ausländischen mit unseren und die alten mit den neuen zu vergleichen. Hier werden auch jene zu finden sein, die aus den antiken Zweikämpfen und den Faustkämpfen unserer Vorväter im Gedächtnis bewahrt werden, damit freilich nichts von dieser Art, sei es auch schon längst überholt, auch vom Adel unserer Zeit mißachtet werden möge. Schließlich ist zu allem zu erörtern, wie man es am schnellsten und eingeübtesten finden kann, damit nichts derart Altes oder derart Neues vor den Höflingen hervorgeholt werden muß, wo nämlich viele zugleich wohnen, und somit keine Leute anwesend sind, die zumindest etwas aus einer beliebigen Gattung behandelt und sich dessen bemächtigt haben. Natürlich wird es dabei nichts so Seltenes geben, nichts so Exotisches, daß seine Kenntnis nicht auch seinen Nutzen einbrächte. Die Kunst des Waffenschleuderns darf man aber niemals übergehen. Betreffs dieser wird man in unserem Speicher fündig werden, nicht aber die folgende, völlige Neuheit finden: Kugeln aus Wurfmaschinen und als deren Gegenstück Geschosse aus kleinen Kanonen zu dem Zweck, abgeschossen zu werden und dann am Ziel anzulangen und einzudringen.
Ausländische Kleidung, zehnte Überschrift
Dort erinnere ich auch an das Vorbild verkleinerter Figuren und Puppen, wie sie Königinnen und Prinzen einander zu schicken pflegen, um die fremdartigen Kleider auswärtiger Völker anschaulich zu untersuchen. Mit ihrer Hilfe treten ihnen irgendwann die beobachtenswerten Gebräuche der Heiden vor Augen, indem sich in diesen Puppen ausdrückt, welche Tracht sie zu Hause und auswärts tragen, was im Winter und im Sommer, was in Tempeln und bei Tisch, was zur Hochzeit oder in Trauer, was besonders die Vornehmsten gebrauchen. Es trifft sich, daß auch die häusliche Kleidung bei den Fürstentöchtern, denen sie oft angelegt wurde, durch diese kleinen Figuren im Gedächtnis bleibt. Von dieser Art, freilich in einem spärlichen und hauptsächlich aus Silber bestehenden Vorrat, besahen die Töchter von Frau Anna, Herzogin von Bayern, und Albrecht, ihrem liebsten Gatten, Maria und Maria Maximiliana einige Hundert und in gar noch größerer Zahl die Neffen der Herzoginmutter, Jakob und Salomo, von der Tochter Mathilde, Markgräfin von Baden.
Diese Puppen sortiert man so genau nach der Reihenfolge der häuslichen Pflichten und Tätigkeiten, daß es scheint, als ob jeder, der einzelne Aufgaben versieht, zum Beispiel alle Gemächer eines Hofes, die Gefolgschaft und die Höflinge die Sitten bis in die Fingerspitzen einhielten. Doch man wird erlaubtermaßen die anderen auch mit bewahrenswerten Bruchstücken ausländischer Waffen zwischen den Puppen erfreuen können.
In der fünften Klasse
Gemälde in Ölfarben. Ebenso Gemälde in Wasserfarben, erste und zweite Überschrift
Man darf es dort nicht übergehen, die besten Stifter zu lehren, mit welchem Eifer Herzog Wilhelm von Bayern, der Vater Herzog Albrechts, ein überaus kluger und friedliebender Fürst, seine Liebe zur Verehrung berühmter Gemälde erklärt hat. Denn er sorgte, nachdem er den einzelnen die Größe der Bildtafeln übermittelt hatte, mit einer gewissen ehrenvollen Befriedigung dafür, daß in seinem größeren Münchener Garten die hervorragendsten Maler in Deutschland in wunderbarer Weise ihre Begabung aufboten und einzelne Bilder malten, die bis jetzt Ausländer betrachten und bewundern, denen München wegen der Lieblichkeit dieser Stadt mit der größten Sehnsucht geschildert wurde. Und so setzt sich jene Liebe zu den vorzüglichsten und kunstvollsten Dingen auch in dessen Söhnen und Neffen fort. Um die Neffen an dieser Stelle aber nicht zu übergehen, nenne ich, wie in allen anderen Fragen, mit denen sich zu befassen den Fürsten obliegt, die Herzöge Wilhelm, Ferdinand und Ernst, die aufs genaueste die fürstliche Tugend achten und eifrig ihr Talent aufbieten. So muß ich in diesem Abschnitt auch die wohltätigen Förderer der Wissenschaft und der gebildetesten Gemälde mit größtem Eifer bewundern und loben. Das zuverlässigste Beispiel dieses Umstands besteht darin, daß Herzog Wilhelm selbst, schon von seinem Körperbau her ein außerordentlicher Held, mit seiner Hand, mit dem flinkesten Stift, ja beinahe noch bevor er einen Lehrer hinzuzog, hervorragende Leistungen an Tugend und Körperkraft, auf die schönste Weise auch Kämpfe und vorzügliche historische Lehrstücke zeichnete und in Kupferbleche ritzte. Weil ihn die Brüder angestrengt in jeder noch so großzügigen Übung und in den Anstrengungen seines sehr ehrgeizigen Charakters nachahmten, besonders Ferdinand in der Geographie, Ernt in der sorgfältigen Wache über Heiligtümer, ist es angebracht, daß alle Fürsten des Reiches einem so guten Vater wie Albert und so guten Söhnen innig danken.
Aus Erz gestochene Bilder, dritte Überschrift
Vielleicht werden einige Gelehrte nicht wissen, daß man eine gesonderte Bibliothek dieser Bilder anzulegen pflegt, die bekanntermaßen Bildarchiv heißt; dies also werden sie aus den noch folgenden Abschnitten erfahren. Wie gründlich dies alle sehr weitblickenden und klugen Leute auch zu tun pflegen, sie binden es nicht in Büchern zusammen, was innerhalb seiner Gattung allein auf großen Seiten gedruckt wird, sondern sie vermehren nur ständig, was in den größten Vitrinen ausgebreitet wird, und bewahren es unter bestimmten Überschriften auf, um in keiner anderen Weise innerhalb der gelösten, nach ihren Überschriften unterschiedenen Pergamentblätter einzelne Bücher zusammenzuhalten. So wenig ihnen auch der Sinn steht, das Ihre zu vermehren, verwahren sie auch einmal in bestimmten Abteilungen Abgezähltes und in Büchern Zusammengebundenes zwischen ihrem Besitz. Allmählich werden also die Buchbündel und Themen von sorgsamen Stiftern so sehr vermehrt, daß man die Kenntnis möglichst vieler Wissenschaftsfächer allein aus diesen Bildnissen erwerben zu können scheint; das Betrachten eines Bildes allein beeindruckt das Gedächtnis nämlich mehr als die tägliche Lektüre vieler Seiten. Folglich wird man sich durch diese Wissenschaft allmählich einen großen Dienst erweisen, wenn nur die Belgier und andere Maler und Bildhauer fortfahren, unsere Welt mit ihren Werken zu bereichern. Um aber hier freizügig auf den Nutzen für alle, die dies betreiben, überzugehen: Bis jetzt teilen wir alle Bilder nach Bereichen und Titeln ein. Im ersten Bereich finden sich: erstens biblische Historienbilder, zweitens Historienbilder des Neuen Testaments, drittens Apostel und Evangelisten, viertens Heilige, fünftens theologische Entdeckungen, sechstens Geschichten einzelner Christen, siebtens Wunder, achtens Feldzüge, neuntens Porträts, zehntens Stammbäume. Im zweiten Bereich finden sich: erstens Natur, Tiere, Pflanzen, anatomische Bilder und anderes, zweitens philosophische Entdeckungen, drittens Tafeln mit den Größen der Wissenschaften und der Mathematik, viertens Musiktafeln, fünftens antike weltliche Historienbilder, sechstens Darstellungen von Dichtungen und der Liebschaften der Götter, siebtens Schlüpfriges und Schamloses, achtens zumeist antike Triumphzüge, neuntens neue Bräuche: Jagdszenen, Mimenspiel, Feste, die Übungen der Schwertkämpfer und verschiedener Künstler, zehntens gemalte Kleidung und Tracht, elftens Familienwappen. Im dritten Bereich finden sich: erstens geographische Karten, zweitens Skizzen von Landschaften, drittens gemalte Stadtansichten, viertens Gebäude und Architektur, fünftens antike Denkmäler, sechstens antike und neue Münzen, siebtens Maschinen und Schiffe, achtens Handwerkszeug, neuntens Verschiedenes, zehntens alle bemalten Gefäße, elftens verschiedenste, ebenfalls gemalte Vorlagen für Ornamente. Bis hierher die Haupttitel, doch viele werden in Arten und bei uns sogar in Vitrinen unterteilt. Denn ich setze drei oder vier ausreichend große Abteilungen der biblischen Titel fest, indem ich sie in den Anfang, die Mitte und den Schluß der Bibel und die in einzelnen Büchern getrennt veröffentlichte Bibel unterteile. Ebenso unterteile ich die Bilder des Neuen Testaments in Gemälde der Geburt und der unmittelbar folgenden Ereignisse, in die Evangelien, die Passion und das auf die Passion Folgende, schließlich in die Taten der Apostel und die Apokalypse; unmittelbar danach findet sich bei den Aposteln und Evangelisten die Gestalt der Apotheose des Erlösers, der Dreifaltigkeit und Mariens. Des gleichen unterteile ich so die geographischen Karten; man darf natürlich niemanden behindern, so daß die großen Landkarten, welche, zwischen kleinen Balken aufgespannt, eventuell an den Wänden hängen oder sich - wenn sie sehr groß sind - anderswo zusammengerollt befinden, hier getrennt sein sollen, obwohl sie innerhalb einer besonderen Kategorie des Theaters bleiben sollen. Ich unterteile sie wie gesagt in Weltkarten und Karten der deutschen Landstriche, in Tafeln der Königreiche wie Italien, Frankreich, Spanien, England und andere, wobei unter ihren Königreichen überall auch die an diese gebundenen Inseln verstanden werden. Auch die Ornamente unterteile ich in mehrere Vitrinen, so in die Ornamente, die Blattornamente genannt werden, so in diejenigen, die Kompartimente heißen, in Grotesken genannte Ornamente und in Tierornamente. Ebenso in andere Siegeszeichen, Fruchtornamente, gemischte Ornamente und andere, so wie sie wenigstens unter den Bildnissen des hochverehrten Fürsten Albrecht, Herzog von Bayern, unterteilt sind, der vor langer Zeit nach Befragung des Matthias Schalling einen sehr großen Vorrat all dieser Ornamente erwarb. Auf die gleiche Weise ist es bei den gemalten Stadtansichten leicht für denjenigen, der sammelt, was jemals alles veröffentlicht wird, darauf zu achten, daß es mehrere Vitrinen füllt. Diese wird er nach dem Verfahren bei den geographischen Karten auf schöne Weise zu trennen wissen.
[…]
BEISPIELE FÜR DEN LESER, DIE AUSSTATTER DER ARCHIVE DER WEISHEIT, DIE GRÜNDER DER MIT BESTAND AUSGERÜSTETEN BIBLIOTHEKEN, DANN FÜR ALLE SAMMLER DER STOFFE DER WELT UND DIE RETTER DES ALTERTUMS, DIE HUBERT GOLTZIUS IN SEINEM „JULIUS CAESAR“ ERWÄHNT. SAMUEL QUICCHEBERG
Außer, daß ich in diesen unseren Überschriften kunstvoller Gegenstände alle Bürger und den ganzen höchsten Adel besonders locken wollte, etwas Ähnliches zu gründen, geht meine Unterweisung offenbar auch dahin, daß man später auf diese Weise Verzeichnisse der Mäzene und großen Beobachter für die Reiche Europas aufstellen könne, wie sie Hubert Goltzius aus Brüssel in Flandern über die Bewahrer des Altertums veröffentlichte oder wie sie in diesen Jahren Heinrich Pantaleon aus Basel über die berühmten Deutschen aufstellte. Wie man dies aber auf die ganz richtige Weise angehen soll, dazu glaubte ich hier kurze Beispiele anführen zu müssen, auf die man sich schicklich stützen mag. Ich werde aber noch vorrangig, wo ich kann, die Bewahrer des Altertums selbst berühren, wie Goltzius.
Ich werde die nennen, die als Gründer von Bibliotheken auftreten, schließlich die, welche die Ausstatter der Archive der aus ehernen Blechen oder anders hergestellten Bilder sind, aber gänzlich auch die Sammler der Stoffe der Welt. Denn die übrigen Studien begegnen einem wiederum bei diesen. Und um freilich einen Anfang zu machen, der vor allen anderen der bei weitem anschaulichste ist, gehe ich von unserem Kaiser Maximilian II. aus. Er nämlich ist auch nach dem Zeugnis vieler Fürsten der größte Beobachter jeglicher Zierde, die die Natur dieser Welt hervorbringt, und ein vorzüglicher Ausstatter des Archivs, welches überreich an den schönsten Dingen ist, so daß es scheint, als habe die Natur selbst, die am meisten in den neuen Dingen aufblüht, am liebsten ihn in diesen ehrbaren Zeiten geboren. Er seinerseits widmete sich bis jetzt immer den großartigsten, nützlichsten und bewundernswertesten Themen. Was auch immer an Zeit er bisher von der Lenkung der christlichen Welt, des Heiligen Reichs und seiner Königreiche zum Atemholen übrig hat, das trägt er gern, großzügig und ohne Abstriche bei, um die anzuhören und zu fördern, die er als die Erfinder der meisten und nützlichsten Künste und als deren Bewahrer kennt oder die er irgendwo auf der Welt aufspüren kann. Und so viele Bereicherer des väterlichen Schatzes, denen dies vergolten wurde, so viele vermehrte Schreine mit antiken Münzen, so viele Bücher mit gemalten Statuen, Denkmälern, Inschriften, verschiedenem Werkzeug und Gefäßen, die aus Ruinen ausgegraben wurden, so viele äußerst geschmackvolle Bilder, die von den hervorragendsten Malern gefertigt wurden, so viele wunderbare, mit solcher Sorgfalt bewahrte Dinge, deren Gönner auch mein überaus sorgsamer Herr, der hochverehrte Fürst Albrecht, Herzog von Bayern, unaufhörlich blieb, all dies sollte deshalb auch alle Betrachter natürlich in höchste Bewunderung versetzen. Zum Beispiel nimmt unser Goltzius aber auch mit höchstem Ruhm die Erzherzoge Ferdinand und Karl von Österreich, die Söhne Kaiser Ferdinands, auf, weil sie Kaiser Maximilian und seinen Bruder im Studium des Altertums nacheiferten. So kann ich es freilich als die ihnen angeborene Suche nach allen wunderschönen Dingen und als Grundlage der kunstreichen Archive in einer viel anschaulicheren Lobrede bezeichnen, und deren Archive werden es wert sein, in einzelnen Büchern beschrieben und der Nachwelt überliefert zu werden. Ich will aber fortfahren, auch von den anderen, wenigstens den größten Männern in Deutschland aus Goltzius zu berichten, auch wenn es in verschiedenen Gegenden Europas Könige, Fürsten und andere sehr hervorragende Männer gibt, die verschiedene Themen bearbeiten, ihren Ruhm verdient haben und die man feiern sollte. Was auch in einer so großen Menge von Überschriften und Titeln nicht schwierig ist, ist doch in solch einem ärmlichen Brief keinesfalls möglich. Deshalb ziemte es sich auch, die Vielfalt der Überschriften zu mäßigen, so daß man für einzelne überhaupt keine Beispiele beibrachte. Wenn es aber günstig ist, zu den Kurfürsten des Reiches, gleichsam den unterschiedlichen Königen und den Bischöfen vorzudringen, deren es sieben lebende zu dieser Zeit gibt, so daß man in den Genuß ihres häufigen Anblicks kommen kann, so war es bei weitem am angenehmsten, deren Studien zu erforschen. Ich hätte dann bei einzelnen das Meistmögliche, das sich auf unsere Klassen bezieht, das man in keiner Weise mit kurzen Reden abtun dürfte, zur Verfügung. Ich hätte es, sagen wir, in Daniel Brendel aus Homburg, dem Erzbischof von Mainz, den ich den ersehnten Vater des Reiches zu nennen pflege, und in Johannes von Leien aus Trier, den ich als den Vorsteher des Reiches von größtem Einfluß und größter Klugheit anerkenne. Dies würde ich wegen der Wiederherstellung der Akademien durch beide und der auf beiden Seiten wiederaufgenommenen Pflege der Wissenschaft auf das würdigste feiern. Denn von ihnen muß man sagen, daß sie auf diese Weise die berühmtesten Theater der Weisheit gegründet haben. Doch weil mein Ziel eine geschriebene Geschichte über diese Dinge war, glaube ich, daß sich die Erzählung über diese Zeit weit hinwegsetzen muß. Da ich aber derlei bei diesen beiden rasch berühre, darf ich auch niemals bei Graf Friedrich von Wied, dem Kurfürsten und Erzbischof von Köln, vergessen (wieviel Goltzius auch dessen Vorgänger, Graf Mansfeld, zugeschrieben hat), daß diesem auch das Studium des Altertums empfohlen wurde, das sich besonders auf die Erforschung antiker Familien richtete und durch das Sammeln sehr vieler Bücher bestärkt wurde, sobald es eintraf, daß er gewählt wurde, weil seine Art des Regierens die willkommenste war. Leicht kann man seine übrigen, offensichtlich ebenfalls heldenhaften Tugenden in den würdigsten Lobreden erweitern. Ich habe schließlich zur Verfügung (indem ich noch den böhmischen König und Kurfürsten des Reiches ausgelassen habe, welcher derselbe Kaiser Maximilian II. ist), was ich im pfälzischen Kurfürsten Friedrich unter Zeugen mit eigenen Augen sehe. Die mit Fleiß von Otto Heinrich vor langer Zeit in Heidelberg eingerichteten Museen der Altertümer will ich sodann als Beispiel nehmen. Sie werden von diesem Fürsten schön ausgeschmückt, und auch ihre kunstvollen Bauten erstrahlen im Reich weit und breit durch ihre Ausstattung. Ich hoffe aber nicht, daß es jemanden gebe, der sich hier nicht vornähme, die bewundernswerte Menge an natürlichen Gegenständen geradewegs ansehen zu müssen. Gefehlt habe ich schließlich bei den hochverehrten Fürsten August, Kurfürst von Sachsen, und Joachim, Kurfürst von Brandenburg, ich will sie kurz erwähnen. Doch was für den ganzen Adel begrüßenswert sein wird, darunter begegnet einem (sofern zu den Titeln unseres Theaters) die Beschäftigung mit den Pflichten des Reiches und mit den Stammbäumen, welches den größten Beifall finden muß und wobei der Fleiß gereizt wird, die Namen des Ritteradels und seine Wappen zu sammeln. Immer soll derlei in unserem Theater würdig gelobt werden, wenn es nicht mit dem in Mißklang steht, was ich von diesen Dingen für die Zukunft Zusammentragen werde; die Tür zur weiteren Ausschmückung unserer Welt wird geöffnet sein. Aber dies sage ich allen, weil es hier nicht möglich ist, Befriedigung zu geben: Es wird nötig sein, an einigen Stellen etwas wegzulassen. Und wir stellen hier gewiß kein vollständiges Verzeichnis der Orte auf, wo wir uns im oberen Deutschland am liebsten etwas länger aufgehalten haben, nämlich von Bayern, Schwaben und Franken, bis es gestattet sei, gelehrte Männer und berühmte Künstler der Welt und unseres Zeitalters von überallher zusammen mit ihren Fürsten und Ländern, an die sie gebunden sind, in einem sehr umfangreichen Verzeichnis zum ewigen Gedächtnis festzuhalten, allein weil man die Nachwelt unterstützen muß.
[…]
Quelle der deutschen Übersetzung und des lateinischen Originaltextes: Der Anfang der Museumslehre in Deutschland. Das Traktat „Inscriptiones vel Tituli Theatri Amplissimi“ von Samuel Quiccheberg. Lateinisch-Deutsch. Herausgegeben von Harriet Roth. Berlin: Akademie-Verlag, 2000, S. 37, 107–13, 131–45, 165–75.
Weiterführende Inhalte
Christy Anderson, Anne Dunlop und Pamela H. Smith, Hrsg., The Matter of Art: Materials, Practices, Cultural Logics, c. 1250–1750. Manchester: Manchester University Press, 2015.
Dominik Collet, Die Welt in der Stube: Begegnungen mit Aussereuropa in Kunstkammern der Frühen Neuzeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007.