Von der Wunderkammer zum Museum: Identitätsstiftung durch Sammlungen und kuratorische Tätigkeit

Einführung

In der frühen Neuzeit begannen wohlhabende Kaufleute und später Adelige, umfangreiche Sammlungen von natürlichen und von Menschenhand geschaffenen Objekten anzulegen. Im späten 16. Jahrhundert wurden solche Sammlungen, die als Wunderkammern bezeichnet wurden, zu einem immer wichtigeren Mittel, mit dem man Prestige und Macht demonstrierte. Folglich wurden sie zu einem wesentlichen Bestandteil der fürstlichen Höfe. Eine gute Sammlung musste Repräsentationen möglichst vieler verschiedener Kategorien enthalten, um denkbar viel von der Welt in Miniaturform abzubilden, eine Miniaturwelt, über die der Besitzer der Sammlung symbolisch herrschen konnte.

Obwohl die Wunderkammern Stätten für die Anhäufung von Exotischem waren, wurden sie alle in der Regel mit denselben Arten von Objekten gefüllt. Jeder Sammler brauchte zum Beispiel ein Narwal-Horn. Einige Sammler ordneten Objekte aus verschiedenen Kulturen derart an, um allgemein „Fremdes“ zu zeigen oder die Vielfalt ihrer Sammlung hervorzuheben. Obwohl man also erwarten könnte, dass diese Räume für die Konstruktion des „Deutschseins“ von Bedeutung waren, ist dies nicht primär die Identität, die aus den Sammlungen hervorgeht. Vielmehr steigerten sie das Prestige des örtlichen Hofes, was wiederum zur Stärkung der lokalen/regionalen Identität beitrug.

In den folgenden Quellen wird deutlich, welche Kategorien bei der Konzeption solcher Sammlungen vorherrschten, und zwar sowohl in der theoretischen Arbeit von Quiccheberg, die sich mit dem idealen Inhalt und der idealen Anordnung befasst, als auch in der praktischen Umsetzung in der Gründungsurkunde für die herzoglichen Sammlungen in Bayern. In den Bildern aus Lorenz Bergers Arbeit über die brandenburgischen Sammlungen können wir sehen, wie die Menschen die differenzierteren Sammlungen des späten siebzehnten Jahrhunderts erlebten (in diesem Fall die großartige Sammlung klassischer Kunstwerke in Berlin). Diese Sammlungen waren für bestimmte Besucher aus den oberen Gesellschaftsschichten zugänglich, wodurch ihr Prestige vermittelt wurde. Albrecht Dürers Tagebucheintrag über seine Reaktion auf den mexikanischen Schatz in der fürstlichen Sammlung in Brüssel ist einer der wenigen erhaltenen Texte, die eine zeitgenössische Reaktion auf die „fremden“ Objekte dokumentieren, und er zeigt, welche Kategorien (Bewunderung, nicht ethnische Zugehörigkeit) hervorgerufen wurden. Diese Sammlungen sind für unser Verständnis des Deutschseins gerade deshalb wichtig, weil sie keine dominante Kategorie in einem Kontext darstellen, in dem sie es sehr wohl tun könnten: Fremde Objekte und lokale Macht waren in diesen Räumen konzentriert, und dennoch sehen wir keine chauvinistischen Diskurse.

Inhalt

  1. < Gesundheit und Körper
  2. Wildnis in der frühen Neuzeit >