Augsburger Kleiderordnung (1530)

Kurzbeschreibung

Kleiderordnungen spielten in der Frühen Neuzeit eine wichtige Rolle, weil sie die Hierarchie der Gesellschaft wiedergaben und aufrechterhalten sollten. Durch bestimmte Kleidung wurden Zugehörigkeiten und Abgrenzungen sichtbar. Dazu gehörte die ständische Ordnung der Gesellschaft. Zudem bildete sich ein städtisches Bürgertum heraus, das im Laufe der Epoche immer mehr an Bedeutung gewann. Neben der ständischen Ordnung wurde mittels Kleidung auch die Ordnung der Geschlechter, zwischen Mann und Frau innerhalb eines Standes betont, religiöse Minderheiten, insbesondere die jüdische Bevölkerung, wurden mittels Kleiderzeichen kenntlich gemacht und stigmatisiert. Auch Bettler und Arme, Prostituierte, Leprakranke und andere als „unehrenhaft“ geltende Personen und Personengruppen sollten über ihre Kleidung sichtbar gemacht werden.

Quelle

Römischer Kayserlicher Majestät Ordnung und Reformation guter Policen, im Heiligen Römischen Reich, zu Augburg Anno 1530 auffgericht.

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IX.
Von unordentlicher und köstlicher Kleidung. (b)

Nachdem ehrlich, ziemlich und billich, daß sich ein jeder, weß Würden oder Herkommen der sey, nach seinem Stand, Ehren und Vermögen trage, damit in jeglichem Stand unterschiedlich Erkäntüß seyn mög, so haben Wir Uns mit Churfürsten, Fürsten und Ständen nachfolgender Ordnung der Kleidung vereiniget und verglichen, die Wir auch bey Straff und Pön, darauff gesetzt, gänzlich gehalten haben wöllen.

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XI.
Von Bürgern und Inwohnern in Städten

§. 1. Item: Nachdem in Städten gemeiniglich dreyerley Bürger und Inwohner sind, als gemeine Bürger und Handwercker, Kauff- und Gewerbs-Leut, und andere, so im Rath von Geschlechten, oder sonst ehrlichs Herkommens, und ihrer Zinß und Renthen sich ernehren. Darauff so setzen, ordnen und wöllen Wir, daß die gemeine Bürger, Handwerker, und gemeine Krämer, kein Gold, Silber, Perlin, Sammet oder Seyden, noch gestickelt, zerschnitten, oder verbremte Kleider, deßgleichen kein Biret, auch kein Marder, oder dergleichen köstlich Futter tragen, sonder sich mit ziemlicher gebührlicher Tracht, auch von rauhen Futtern, mit geringen Möschen, Füchsen, Iltes, Lämmern, und dergleichen, begnügen lassen sollen.

§. 2. Deßgleichen sollen sich ihre Haußfrauen und Kinder in ihrer Kleidung auch halten. Doch mögen ihre Haußfrauen ein gülden Ring, nicht über fünff oder sechs Gülden werth, ohn Edelgestein, ein Kragen mit Seyden verneht, ein Schleyer mit einem gülden Leistlein, nicht über zween Finger breit, ein Damasten oder Atlaß Roller, ein Gürtel nicht über zehen Gülden werth, den sie mit Silber, doch unvergüldt beschlagen, deßgleichen die Jungfrauen ein Sammet Haarbändlein mit Silber, unvergüldten Beschlägs, tragen mögen.

§. 3. Item: Sollen die Handwerksknecht und Gesellen kein Gold, Silber, Seyden oder Straußfedern tragen, auch kein zerhauen oder geschnitten Kleid anmachen lassen, sich auch sonst in ihrer Tracht nicht anders halten, dann jetzo von Handwerckern in Städten gemeldt ist.

§. 4. Wäre es aber Sach, daß ein solcher Handwercker in einer Stadt in Rath wird erwählt, alsdann soll derselb mit Kleidung sich nicht anderst, dann hernach von Kauffleuten gemeldt wird, zu halten Macht haben.

XII.
Von Kauff- und Gewerbs-Leuten.

§. 1. Item: Sollen die Kauff- und Gewerbs-Leut in Städten kein Sammet, Damast, Atlaß oder seyden Röck, Gold, Silber, Perlin, Seyden, Gold, und silberne Haarhauben tragen. Doch mögen sie Schamlotten Röck, auch Seyden Wammes, ausserhalb Sammet und Carmesin Atlaß, unverbremt, deßgleichen gülden Ring tragen.

§. 2. Deßgleichen sollen sie kein Tuch, die Elen über zween Gülden werth, ihnen anmachen lassen, oder einig Marder, Zobel, Hermlin und dergleichen Futter antragen. Wol mögen sie zum höchsten Marderkehln, und ihre Haußfrauen Fehinne Futter gebrauchen.

§. 3. Item: Ihre Weiber sollen sich dergleichen in Kleidung halten, und an keinem Kleid über zwo Elen Sammet, Seyden, Atlaß, oder Damast, doch oben herum, verbremen.

§. 4. Item: Soll ihnen unverbotten seyn zu tragen ein Gürtel um zwanzig Gülden werth.

§. 5. Item: Eine Leiste auf ihrem Schleyer vier Finger breit.

§. 6. Auch Sammet und Seyden Roller mit vergüldten Schlossen oder Gesperr, nicht über zwanzig Gülden werth.

§. 7. Item: Ihre Töchter und Jungfrauen mögen tragen ein Haarbändlein von zehen Gülden werth.

XIII.
Bürger in Städten, so vom Rath, Geschlechten, oder sonst fürnehmes Herkommens sind, und ihrer Zinß und Renthen geleben.

§. 1. Aber Bürger in Städten, so vom Rath, Geschlechten, und sonst ihrer Zinß und Renthen geleben, die sollen sich in aller massen in ihrer Kleidung erzeigen, als jetzo von Kauff- und Gewerbeleuten vermeldt worden: Doch ausgenommen, daß sie Schamlote Röck, mit drey Elen Sammet zum höchsten verbremet, deßgleichen Marderfutter und kein bessers, auch Sammeten und Seyden Wammes, ausgescheiden Carmesin, und Seyden Haarhauben, an- und aufftragen mögen.

§. 2. Deßgleichen soll ihnen erlaubt seyn, gülden Ring zu tragen, doch daß solche Ring über dreyzig, vierzig oder fünffzig Gülden nicht werth seyen.

§. 3. Und sollen sich ihre Frauen, inmassen wie der Kauffleute Weiber, mit der Tracht halten, allein daß sie zum höchsten an ihrer Kleidung, vier Elen Sammet oder Seyden, doch ausserhalb Carmesin, verbremen. Deßgleichen daß sie ein gülden Ketten, von dreyzig, vierzig, biß in fünffzig Gülden, auch ein Gürtel, doch daß er nicht über dreyzig Gülden werth sey, antragen mögen.

XIV.
Vom Adel

§. 1. Ferner sollen die vom Adel kein Sammet oder Carmesin Atlaß antragen, und ihnen zum höchsten Damasten, oder dergleichen Seyde zugelassen seyn, den sie mit sechs Elen Sammet, und nicht darüber verbremen mögen. Deßgleichen mögen sie Gülden Ring mit Haarhauben, auch eine Ketten, die nicht über zweyhundert Gülden werth sey, tragen, die sie doch mit einem Schnürlein umbwinden, oder durchziehen sollen, wie von Alters herkommen.

§. 2. Und so einer eines Fürsten Hoffmeister, Canzler, Marschalck, oder Rath, und doch nicht vom Adel wäre, der mag sich denen vom Adel, wie obgemeldt, gleich tragen.

§. 3. Jedoch sollen hierinn Ritter ausgescheiden seyn, welche gülden Ketten öffentlich ohn Schnür antragen mögen: Doch daß solche Kette über vierhundert Gülden nicht werth sey.

§. 4. Es soll ihnen auch Marder-Futter, und dergleichen zu tragen unverbotten seyn.

§. 5. Item: Deren vom Adel Haußfrauen mögen vier Seyden Röck ihnen anmachen lassen, und dieselbigen öffentlich tragen und haben: Nemlich ein Sammet, und die übrigen drey von Damast, oder dergleichen Seyden Röck, und nicht über vier, doch ohn Perlin, Silber oder Gold. Und ob sie dieselbigen verbremen lassen wölten, mögen sie solches thun, von Perlin oder Silber, allein oben herum, und nicht über ein halb Viertheil einer Elen breit. Aber eines Ritters Weib mag solche Verbremung mit Gold, doch oben herum, und nicht höher, dann eines halben Viertheils einer Elen breit thun. Ob auch etliche wären, so mehr Kleider, dann jetzt gemeldt hätten, und dieselbige für ihre Kinder und Töchter halten wolten, soll ihnen unbenommen seyn.

§. 6. Auch mögen sie Bareten und gülden Hauben, doch daß die Gebänd und Geschmück darauff, nicht über vierzig Gülden werth seyn, tragen.

§. 7. Item: Mag ein Edelfrau an Ketten deßgleichen an Hefftlein, Halsband und andern Kleinotten, ausserhalb der Ring, auf zweyhundert Gülden werth, und nicht darüber, an ihr tragen.

§. 8. Item: An gülden Borten und Gürteln, nicht über vierzig Gülden werth.

XV.
Von Doctorn.

Dergleichen sollen und mögen die Doctores und ihre Weiber, auch Kleider, Geschmuck, Ketten, gülden Ring und anders, ihrem Stand und Freyheit gemäß tragen.

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XXII.
Von der Jüden Kleidung

§. 1. Deßgleichen, daß die Jüden einen gelben Ring an dem Rock oder Kappen allenthalben unverborgen, zu ihrer Erkäntnüß, öffentlich tragen.

§. 2. Und damit diese Unsere Satzung und Ordnung der übermäßigen unordentlichen Kleidung und Kleinoder, desto festiglicher gehalten und vollzogen werde, so gebieten Wir allen und jeden Churfürsten, Fürsten, Prälaten, Graffen, Freyen, Herrn, Rittern, Knechten, Schuldheissen, Bürgermeistern, Richtern und Räthen, hiemit ernstlich, und wöllen, daß sie für sich selber diese Unser Ordnung strenglich halten, auch gegen ihren Unterthanen festiglich vollziehen, also, wo jemands in dem übertretten und überfahren, soll ein jede Oberkeit dieselbe, bey Verlierung des Kleids oder Kleinots, so wider diß Unser Ordnung getragen, darzu einer Geldbuß, so zweyfächtig als viel, als das Kleid oder Kleinod werth, der Bürgerlichen Oberkeit des Orts zu werden, straffen. Und ob einige Oberkeit in der Straff und Handhabung säumig und hinläßig erfunden, und durch Unsern Fiscal zu Abwendung derhalben ersucht, und doch darauff verharren würde, alsdann soll Unser Fiscal gegen solcher hinläßigen Oberkeit, und auch den überfahrenden Unterthanen, auf obgemeldte Pön und Straff procediren und vollfahren.

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Quelle: Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden : sammt den wichtigsten Reichs-Schlüssen, so auf dem noch fürwährenden Reichs-Tage zur Richtigkeit gekommen sind. In Vier Theilen ... Nebst einer Einleitung, Zugabe, und vollständigen Registern. [Heinrich Christian von Senckenberg; Johann Jacob Schmauß]. Theil 2 (1747) ... von dem Jahr 1495. bis auf das Jahr 1551. Inclusive. [Franckfurt am Mayn]: [Koch], 1747, S. 332, 336–38, 340. Online verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.25673/82295.

Gabriele Mentges, „Mode, Städte und Nationen: Die Trachtenbücher der Renaissance“, in Jutta Zander-Seidel, Hrsg., In Mode. Kleider und Bilder aus Renaissance und Frühbarock. Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum. Nürnberg, 2015, S. 144–51.

Ulinka Rublack, Dressing Up. Cultural Identity in Renaissance Europe. New York: Oxford University Press, 2010.

Claudia Ulbrich und Richard Wittmann, Hrsg., Fashioning the Self in Transcultural Settings: The Uses and Significance of Dress in Self-Narratives. (Istanbuler Studien und Texte 17) Würzburg, 2015.

Augsburger Kleiderordnung (1530), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-282> [05.12.2024].