Deutsch-italienische Grenze: Felix Fabri, Wanderungen (1486)

Kurzbeschreibung

In diesen Auszügen aus seinem berühmten Reisebericht beschreibt der Dominikanermönch Felix Fabri (1441–1502) die Erfahrung der Überquerung der deutschen Grenze nach Italien. Neben anderen Beobachtungen stellt Fabri fest, dass ein reißender Gebirgsbach, der durch das Dorf Nova fließt, die physische Grenze zwischen Deutschland und Italien markiert. Die Aufmerksamkeit für Grenzen zeigt sich auch in Fabris Beschreibung von Trient, das er als zwei Städte beschreibt: die obere und die untere bzw. die italienische und die deutsche. Es überrascht nicht, dass die deutschen Länder und Völker in solchen Vergleichen gewöhnlich vorteilhafter dargestellt werden.

Quelle

[] Diese Stadt war vor wenigen Jahren italienisch und die gewöhnliche Sprache (vulgaris locutio) war das Italienische. So kannte ich einen Pater von Italien, der nicht ein Wort Deutsch konnte und in seiner Jugend im Konvent in Bozen Ausgeher und Prediger war. Aber im Laufe der Zeit wurde mit dem Zunehmen der Deutschen die Stadt deutsch und jener Konvent wurde unserer Provinz angeschlossen, nachdem er vorher zur Provinz des hl. Dominikus gehört hatte. In dieser Stadt verweilten wir während der Nacht und sahen großes Elend. Denn viele blieben in den Ruinen ihrer Häuser, da sie keine Wohnung noch Unterkunft fanden und viele, die vor der Feuersbrunst wohlhabend gewesen waren, wanderten als Bettler fort. Aber heute wird die Stadt wieder aufgebaut und man errichtet gegen Feuersgefahr beständigere Gebäude als früher.

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Ich fragte den Burgvogt, was eigentlich der Herr Herzog vorhabe, dass er solche Ausgaben für die Befestigung des Schlosses mache, da doch alles in der Umgebung zur Grafschaft Tirol gehöre? Er antwortete, es geschehe deshalb: wenn das Volk sich von seinem Herrn abzuwenden und von seiner Unterwürfigkeit sich zu entziehen versuchen würde, wie es die Helvetier oder Schweizer getan haben, dann würde sich der Herzog in dieses Schloss zurückziehen und ihnen solange zusetzen, bis sie zur Umkehr gezwungen wären; denn das Schloss ist fast unbezwinglich und im Herzen des Tales gelegen. Wir ritten dann ununterbrochen weiter und kamen nach Neumarkt (Forum novum), einem großen Orte, wo wir der Pferde wegen eine Stunde im Gasthause blieben. Da kam vom gegenüberliegenden Hause ein unbekannter Knecht zu mir mit der Nachricht, er sei von einem Bruder des Prädikantenordens, der dort weile, geschickt und lasse mich fragen, wer ich sei und woher ich käme. Ich antwortete ihm: Wenn es jenen Bruder lockt, zu wissen, wer ich bin und woher ich gekommen, so möge er sich zu mir bemühen und ich werde ihm richtige Antwort geben; dir aber, als Knecht, sagte ich, werde ich nicht antworten. Das sagte ich deshalb, weil ich Verdacht hatte, dass er einer von unseren wilden, durch die Berge herumschweifenden Brüdern sei. Denn unbeständige und flüchtige Brüder unseres und anderer Orden begeben sich in diese Gegend und treiben sich in den Gebirgen, als den sichersten Orten, herum; und da hier alles reichlich vorhanden und um geringen Preis zu haben ist, können sie so ihr ungeregeltes Leben fristen. Sie laufen zu den Bauern und reden ihnen von dem Wert der Messen vor; diese hören sie an, bezahlen ihnen für sich und ihre Verstorbenen Messen, nicht ahnend, dass sie einen Simonisten vor sich haben. So geben sie Menschen für das Messelesen Geld, denen sie eher ein Almosen geben sollten, damit sie zur Ehre Gottes nie an einen Altar treten. Ich sah hier in den Gebirgen solche Unglückliche aus allen Orden herumschweifen, und Bischöfe und Presbyter dulden sie. Von Neumarkt ritten wir durch das Tal gegen Trient (Tridentum). Das gewöhnliche Volk erzählt, dass durch diese Talschlucht einst das Meer bis Meran (Meronam) gereicht habe, und dass die Etsch, wo sie über Meran aus den Bergen kommt, sich in das Meer ergossen habe. Als Beweis dafür finde man eiserne Ringe, an welche man die Schiffe angebunden hatte. So war der ganze Raum, durch welchen die Etsch in ihrem Lauf in das Mittelländische Meer fließt, ein Meer, was ich gern glaube, da das Meer vor Zeiten viel größer als jetzt gewesen ist, wie im folgenden Bande und im zweiten Teile auf Seite 173b gezeigt wird. Wir kamen dann zu einem Ort mit Namen Deutschmetz (Nova), in welchem ein reißender Gebirgsbach die Italiener von den Deutschen scheidet. Über dem Flusse steht auf unserer Seite eine Kapelle, in der die Eingeweide des hl. Udalrich, Bischofs von Augsburg, bestattet sind. Man erzählt nämlich, dass der genannte Heilige in Rom gewesen und, auf der Heimreise begriffen, schwer erkrankt sei. Er bat aber Gott, dass er ihn nicht in Italien, sondern in Deutschland sterben lassen möge, was auch geschah. Denn sogleich, als er über die Brücke dieses Flusses kam, starb er, und seine Eingeweide wurden hier beigesetzt, während sein Leib nach Augsburg gebracht wurde. Von diesem Orte ritten wir in die Stadt Trient (Tridentum) und übernachteten dort. Die Stadt Trient ist eine der ältesten Städte, welche die Trojaner, als sie mit Antenor über das Meer kamen, in den Gebirgen erbauten. An ihren Mauern fließt die Etsch vorbei. Die Stadt ist in einem sehr lieblichen, freundlichen und gesunden Ort gelegen, sie hat sozusagen zwei Stadtteile, einen unteren und einen oberen, wegen der zwei verschiedenen Völker. Im oberen wohnen die Italiener, im unteren aber sind Deutsche. Sprache und Sitten sind hier getrennt. Selten herrscht unter ihnen Friede, und vor unseren Zeiten war diese Stadt oft von den Italienern aus Hass gegen die Deutschen, manchmal von den Deutschen aus Abneigung gegen die Italiener, von Streitigkeiten heimgesucht. Es ist erst wenige Jahre her, dass die Deutschen in dieser Stadt Fremde in geringer Anzahl waren, jetzt aber sind sie die Bürger und Leiter der Stadt. Und einmal wird diese Stadt dasselbe Schicksal haben, und tatsächlich trifft es schon jetzt zu, dass der Herzog an der Etsch zu Innsbruck sie sich und den Deutschen vollständig zueignet, wie wir es von Bozen sagten, denn die Deutschen breiten sich von Tag zu Tag mehr aus. Den Grund ihrer Ausbreitung, dass wir nämlich in fremden Gegenden eher zunehmen als andere Nationen in unseren Ländern, weiß ich nicht: wenn ich nicht zur Schande unseres Vaterlandes sagen will, dass wir wegen der Rauhigkeit und Unfruchtbarkeit andere Gegenden aufsuchen, oder dass alle Völker der deutschen Härte, deren unmittelbare Nähe kein Volk ertragen kann, Platz machen.

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Quelle der deutschen Übersetzung: Felix Faber, Die Reisen des Felix Faber durch Tirol in den Jahren 1483 und 1484. Aus dem Lateinischen übersetzt von Josef Garber (Schlern-Schriften 3). Innsbruck und München: Wagner, 1923, S. 12–13, 15–17.

Kathryne Beebe, Pilgrim and Preacher: The Audiences and Observant Spirituality of Friar Felix Fabri (1437/8–1502). Oxford: Oxford University Press, 2014.

Deutsch-italienische Grenze: Felix Fabri, Wanderungen (1486), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-287> [08.12.2024].