Befreiung aus der Gefangenschaft: Michael Heberer, Aegyptiaca servitus (1610)
Kurzbeschreibung
Auf seiner Mittelmeerreise 1585 wurde der Humanist Michael Heberer (1560–nach 1623) von türkischen Truppen gefangen genommen und drei Jahre lang als Sklave gehalten. Der hier wiedergegebene Textauszug stammt aus seiner ausführlichen Beschreibung seiner Reisen und seiner Zeit in der Knechtschaft. Darin schildert er, wie er letztlich von den Franzosen freigekauft wurde. Heberer präsentierte Menschen, denen er begegnete, sowohl nach „nationaler“ als auch religiöser Zugehörigkeit und identifizierte diese so als bedeutsame Marker von Identität, doch offenbaren die Umstände seines Lösegeldes auch die Durchlässigkeit des „Deutschseins“ als Kategorie.
Quelle
Das 52. Capitel.
Wie mein Patron nach Tripoli in die Barbarey verreisen wollen/ dardurch ich in grosse aͤngsten kommen/ und mit eusserstem fleiß bey der Frantzoͤsichen Bottschaft umb meine Freyheit angehalten.
Als ich wider uff die Galleren kam/ da hoͤrete ich noch trawriger Bottschafft/ Dannder Patron hatte befohlen/ die Galleren zu der Reiß in die Barbarey fertig zu machen/ die Seiler/ Saͤgel/ Tenten/ Struppē zuernewern und außzubessern/ mehrertheils auch Newe Remen zu fertigen/ die Galleren zu Espalmieren/ und gantz New mit gruͤner und anderen Farben anzustreichen/ und schoͤn zu malen.
Da ich solchen Ernst sahe/ war ich sehr kleinlauts/ und verfuͤgte mich wider zu dem Herren Cambout, zeiget ihm an/ was ich fuͤr Abschlaͤglich Antwort von dem Teutschen Oratore bekommen/ und daß wir schon die Galleren zu unserer Abreiß in die Barbarey muͤsten verfertigen. Wuͤste also nit/ wie meinen sachen zuthun/ Deren anzeig erschrack der Herr Cambout, und troͤstete mich doch/ Allein ermahnet er mich/ das ich nit feyren sollte/ Dann der Herr von Thenisse hette allbereit bey der Frantzoͤsischen Bottschafft Anordnung gethan/ das man mich nit verlassen solt/ und were auch schon mit dem Aly Reiß/ deß Marren von Malta Bruder gehandelt/ daß er mich solte loßkauffen. Derowegen solt ich nit lenger mich saumen/ und alsobald zu der Frantzoͤsischen Bottschafft gehen/ und ihn hernacher meiner verrichtung wider berichtē.
Ich folgete seiner Ermahnung/ und gieng also bald zu der Frantzoͤsischen Bottschafft. Der fromme Herr Ambassadeur ließ mich fuͤr sich erfordern/ dem zeiget ich an die grosse untrew/ die D. Betz an mir wider sein verheissen geuͤbet hette. Der gute Herr lachet druͤber/ und sagt/ Es wundert ihn gar nit/ denn er wol wuͤste/ daß ihm nichts zutrawen/ Er troͤstete aber mich/ das ich deßwegen nicht solte kleinmuͤtig sein/ denn man wuͤrde mir helffen/ und wollte auch Er selber mich nit verlassen.Ich zeiget auch Ihrer Gnaden ferner an/ daß wir allbereit die Galleren zu unserem Abreisen in Barbariam fertigen muͤsten/ und ich derwegen nit sicher were/ wie bald unser Patron moͤchte auffbrechen.
Da war einer vom Adel unter seinen Hoff Junckern/ mit namen Monsieur de la Planche. Dieser nam mich in sein Gemach allein/ und sagte mir in vertrawen/ Ich solte wol getrost sein/ Ich wuͤrde ledig gekaufft werden durch den Aly Reiß des Marren Bruder von Maltha/ dem er auch schon auß des Herren Thenisse Befelch solches hatte angezeigt/ und befahl mir niemands davon zu sagen. Ich bedanckte mich gegen dem Junckern der froͤlichen Bottschafft/ Und hat ihn nachmals meiner im besten ingedenck zu sein.
Nachdem ich nun von dem Herrn Ambassadeur und dem gantzen Adel meinen gebuͤrlichen Abschied genommen/ gieng ich mit frewdigem hertzen wider in meine Galleren.
[…]
Quelle: Michael Heberer, Aegyptiaca servitus: das ist, warhafte Beschreibung einer dreyjährigen Dienstbarkeit, so zu Alexandrien in Egypten jhren Anfang, vnd zu Constantinopel jhr Endschafft genommen ... ; mit 2 angehenckten Reisen, die er nach seiner Dienstbarkeit, in 4 Königreich, Böhem, Polen, Schweden, Dennemarckt, auch nechstligende Fürstenthumb und Seestädt vollbracht. Heydelberg, 1610, S. 324–26. Online verfügbar unter: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb11211728-2