Casper Preis, Bauern-Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg (1636–1638/39)

Kurzbeschreibung

Der Bauer Caspar Preis (1636–1667) verfasste eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg, die als Selbstzeugnis Einblicke in den Krieg und das Erzählen über den Krieg aus der Perspektive sogenannter „kleiner Leute“ ermöglicht. Preis konnte nicht nur schreiben, sondern war zudem Bürgermeister und spielte eine zentrale Rolle im religiösen Gemeindeleben im Ort Stausebach. Im Zentrum seiner rückblickend angefertigten Berichte steht neben Flucht, Zerstörung und Wiederaufbau die lokale Dorfgemeinschaft, die zentraler Bezugspunkt besonders in Kriegssituationen war. Auch in seinem Bericht geht es um die Zerstörungen, Leiden und die Belastungen des Krieges. Betroffenes Kollektiv ist hier aber nicht die Gemeinschaft des „Vaterlandes“, sondern die lokale Dorfgemeinschaft.

Quelle

Stausebacher Chronik

In diesem Büch verzeichnet, wie es mir Caspar Preisen ergangen ist in Staußenbauch sambt meiner Hausfrauwe in dero Zeit, die wir darinen gewonet haben. Ich Caspar Preis bürtig von Leidenhoffen, mein Weib Gerdraut bürtig von Witelsberg. Haben mit Schmertzen etliche Zeit hinbracht in dem blüttigen Krigswesen wie hernach volget, angefangen im Jahr 1636 in Stausen[bach].

[1636]

Im Jar 1636 uff S. Petterstag seindich Caspar Preis, Gerdrau mein Hausfrauw von Schrickt nach Stausenbach gezogen uff den S. Michalshoff, so dem Gotteskasten zum Kirchain die Pocht gibt. Zuvor haben wir vierzehen Jahr zu Schrickt gewohnet mit Gottes Genaden. Diesen Hoff haben wir gekaufft umb Hans Kramern, sonsten Grohans geheisen, Rebecka sein Hausfrawe vor und umb siebenhundert Gulten. Es war der Hoff so gar verwuestet und verdorben in dem Krigswesen, das nicht eine Handvolle Korn war ausgesehet. Es waren keine Dacher uff den Bauen wie auch keine Thor noch Thur daran, auch nicht ein eintziger Zaun umb Garten. In Suma alles gantz und gar verwustet und verdorben in dem Bluttigen Krigswesen, dan in dere Zeit war ga[r] ein schlachte und viel betrubte Zeit von wegen des Krigs im Land. Zu dem Mal, alsim Jahr 1636, da zogen die Hesen und Schweden nach Hanauw uff dem Main gelegen und wolten es probiantiren und entsetzen, wie sie dan auch thaten. Das Hanaw wenig Bericht thun wegen des blutigen Krigs nach meinem bauerischem Verstand und was ich selbst mit meinen Augen habe gesehen und an der That mit Schmertzen erfahren habe.

Die Reichsfursten und dan auch die Reichssatte, die fiellen in dero Zeit ab von Ihrer Kaiserlichen Maystatt und wiedersatzten sich ihme und holleten zu ihrer Hulf und ihrem Beystand wider den Kayser und deren, die im anhingen, einen Konig aus Schweden mit viellem Volk. Und zoge in die Länder, die es mit Kayserlicher Maystatt hielten. Dieselbe nahmen sie ein, beraubeten und plumnerten dieselbig nach ihrem Gefallen. Dan es war von unserm Herre Gotte gar eine grose Straff ubers Deuschland geschicket wegen unserer Sunden und es ging ihnen glucklich von Hand. Es lieff dem Schweden alle Welt zu und wolten den Keyser verjagen und alle, die esmit ime hileten. So war unser g(nadiger) Herr der Churfurst uff des Keysers Seytten und musten wir seine arme Unterthanen gar schatlich herhalten, dan der Landgraff [von] Cassel der hielt esmit dem Schweden und war uns arme Leuten gar vill zu nahemit seinem Land und der Vestung Ziegenhain. Die thaten uns das Hertzenleyd an, wie du from[es] christliches Hertz noch wohl vernehmen wirst.

Es möcht auch einer gedenken und auch sagen, warumb ich nicht zu Schrickt blieben ware, weil der Hoff und die Gutter so verwustet und verdorben waren. Das wil ich dir auch sagen warumb etc. Ich hatte zu Schrickt keine Noth, die mich darzu trang, aber ich hatte eine zimliche Schult uff meinen Guttern, wiewohl ich doch zu Schrickt zimliche gutte Gutter auch hatte, Knecht und Magt wohl daruff konte halten. Das ich auch zu Schrickt uff meinen Guttern an Frucht gezogen hatt im Jahr 1632 uber 60 Futter Korn und 11 Futter Weitzen und vill liebe Somerfrucht, ist nicht gelogen, sondern die Gantze Waherheit. Das ich nach Stausesbach zoge, das that den ich derhalben. Ich dachte, ich wolt der Schulten loss warden. So war der Hoff zu Stausenbach gar ein berumbter Hoff und war Grohans meines Schwigervatters Bruder und hatte nicht vor gutt, einen Frembten darinen komen zu lasen. Also gaben mir etliche Leuth den Rat, ich solte die Gutter kaufen und an mich bringen und an kein Frembten lasen komen. Also verkauft ich zu Schrickt und kauft den Hoff zu Stausenbach, dan es war schon lang Krig im Land gewesen, als ich nach Stausenbach zoge. Und war das Mal ein wenig stil hir in diesem Land und das Geschwatz ging insgemein das Mal, es wurde Fridt geb[en]. Aber es war villeicht unserm Herr Gott noch nicht gefällig.

In dem oberzelleten Jahr kam nicht ein eintziger Sicheling Korn in dieses Dorf, dan es war alles abgemehet und verfuttert von dem Krigsvolk , da es nach Hanaw zog und wider kam, dan es lagen vier Regement Reutter in diesem Dorf Stausenbach 6 Tag und Nacht. Es war gar ein betrubte Zeit zu dem Mal. Es durft sich kein Mensch blicken noch sehen lasen, dan es war innen ein Mensch zu achten gar gering. Wen sie aantroffen, bracht er sein Leben darvon, so war es ein Wunder. Die Leuth musten sich in den Stätten uffhalten, wie sie auch konten oder mochten. Ach wie manche Ehfrauw und Jungfrawen wurden geschend, wievil Leuth umbs Leben gebracht. In dieser Zeit alles Vieh ward weggetrieben nach dem Hessenland, was sie nur konten antreffen sowol in dem darmstättischen Land als auch in dem Ampt Omeneburg. Es waren vor disem die Glocken aus den Kirchen gestollen und geraubet von den Hessen. Sie wulleten in den Kirchen wie die wilde Schwein, und wan sie auch die Kirchen hätten könen fortbringen, sie wären nicht stehen blieben vor ihnen.

[1637]

Im Jahr 1637 da ward diß Dorf siebenmal ausgeplundert von den Ziegenhanischen, daß selbigen Mals nicht daß geringste vor ihnen bleiben kont oder mocht. Es war uff das Mal in Stausenbach an Vieh nicht mehr dan funf Kuehe und 3 Schwein, die waren in Kirchhain, kein einziges Hun noch Han. Es dorft sich kein Mensch sehen lasen, dan sie namen die Leuth gefangen und schläbten sie nach dem Ziegenhain. Da mußten sie sich rantzioniren[1] und ihnen Gelt geben. Es war zu der Zeit Jamer, Noth und Hertzeleid unter den armen Leuten in diesem Ampt. Mir arme Leuth mußten schröcklich geplaget werden von den Hessen. Das Land lag ungebauen, die Scheuern und alle Ställ stunden lehr. Es w[ar] zu dem Mal auch gar teuer die liebe Frucht. Es galt ein Möth Korn 6 Reichstaler, der Wei[tz]en 8 Taler, ein Möth Erbis 8 Taler, ein Möth Haffern 2 Taler, ein klein Läb Brott ein Kopstück. Diese Teuerung wehret aber nicht ein h[alb] Jahr. Da wards wieder beser und zimlich Kau[ffs].

In diesem Jahr als in Anno 1637 da hatte ich noch 2 Kuhe, die ich mit Gottes Hulf behalten hatte. Ich dörft sie aber nicht in Stausenbach haben, sondern in dem Kirchhain. Da mußten wir innen das Jahr das Gefutter hintragen und gingen mit der Stadt Vieh an die Weide, dan die Darmstädisch[en] waren das Mal im Stilstand mit den Schweden und Hessen, das wir also in dem Kirchhain uns konten uffhalten.

[1638/39]

Darnach in Anno 1638 ward ein Stilstand mit den Schweden und Kayserischen gemacht, da fingen wir wider ahn ein ider nach seinem Vermögen auszustellen, aber es ging gar sachte her, dan es must ein ider auf ein neues anheben; das dan also in Anno 1638 und 39 auch bis in das 1640. Jahr einmal Stilstand, das ander Mal wider Feindschaft. Das ging also durcheinander her. Das wir dan noch in mitteller Zeit ein wenig ausstelleten, das wir die Nahrung nach Notturft ein wenig hatten und ging doch also die schwere Conterbution imer fort.

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Anmerkungen

[1] Mit Lösegeld freikaufen

Quelle: Wilhelm A. Eckhardt und Helmut Klingelhöfer, Hrsg., Bauernleben im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Die Stausebacher Chronik des Caspar Preis 1636–1667. Mit einer Einführung von Gerhard Menk. Beiträge zur Hessischen Geschichte 13. Marburg an der Lahn: Verlag Trautvetter & Fischer, 1998, S. 35–39. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Abbildung 1 (Karte): HStAM Best. Karten Nr. B 641; Titel: „Gemarkungskarten Stausebach“, Laufzeit: 1810, Originaltitel: „Gemarkungskarten A-E“, Urheber: Johann George Seng; Abbildung 2 (Landsknechte): HStAM Best. WHK Nr. WHK 3/93; Serientitel: „Dreißigjähriger Krieg bis Pyrenäischer Frieden von 1620-1659“, Titel: „Plan von Ypern in Flandern, belagert durch die Franzosen unter dem Prinzen de Condé, 13. bis 29. Mai 1648“, Laufzeit: (1648) 1698, Urheber: Sr. de Beaulieu, Ingenieur ordinaire.

Johannes Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1992.

Benigna von Krusenstjern und Hans Medick, Hrsg., Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2001.

Markus Meumann und Dirk Niefanger, Hrsg., Ein Schauplatz herber Angst. Wahrnehmung und Darstellung von Gewalt im 17. Jahrhundert. Göttingen: Wallstein, 1997.

Herfried Münkler, Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648. Berlin: Rowohlt, 2017.

Georg Schmidt, Der Dreißigjährige Krieg. 6. Auflage. München: C. H. Beck Verlag, 2003.

Peter H. Wilson, Der Dreißigjährige Krieg – Eine europäische Tragödie. Aus dem Englischen von Thomas Bertram, Tobias Gabel und Michael Haupt. Darmstadt: Theiss, 2017.

Casper Preis, Bauern-Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg (1636–1638/39), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-293> [05.12.2024].