Appell an die Frauen im preußischen Staat (1813)
Kurzbeschreibung
Die königlichen Prinzessinnen appellierten 1813 an die „Frauen im preußischen Staat“, sich im Krieg gegen Frankreich einzubringen. Sie speisten das dichotome Geschlechterdenken und forderten Frauen auf, in der ihnen zugewiesenen Weise einzugreifen. Der Appell umriss zwar eng den Rahmen normativ zugelassener Tätigkeiten, schrieb Frauen aber auch entschieden in die gedachte Nation ein.
Quelle
Aufruf der Königlichen Prinzessinnen an die Frauen im Preußischen Staate
„Das Vaterland ist in Gefahr!“ so sprach der König zu seinen treuen, ihn liebenden Untertanen, und alles eilt herbei um es dieser Gefahr zu entreißen. Männer ergreifen das Schwert und reißen sich los aus dem Kreise ihrer Familien, Jünglinge entwinden sich der zärtlichen Umarmung liebender Mütter, und diese, voll edlen Gefühls, unterdrücken die heilige Mutterträne. Alles strömt zu den Fahnen, rüstet sich zu dem blutigen Kampfe für Freiheit und Selbstständigkeit. Die Flamme, die in dem Busen eines jeden lodert, sichert den glücklichen Ausgang. Aber auch wir Frauen müssen mitwirken, die Siege befördern helfen, auch wir müssen uns mit den Männern und Jünglingen vereinen zur Rettung des Vaterlandes. Gern stellen wir uns, die wir dem Vaterlande angehören, an die Spitze dieses Vereins. Wir hegen das feste Vertrauen, es wollen die edelmütigen Frauen und Töchter jedes Standes mit uns dazu beitragen, daß Hilfe geleistet werde den Männern und Jünglingen, die für das Vaterland kämpfen, damit es wieder in der Reihe der geachteten Staaten stehe und der Friede seine Segnungen ausströmen könne. Nicht bloß bares Geld wird unser Verein als Opfer dargebracht annehmen, sondern jede entbehrliche wertvolle Kleinigkeit – das Symbol der Treue, den Trauring, die glänzende Verzierung des Ohres, den kostbaren Schmuck des Halses. Gern werden monatliche Beiträge, Materialien, Leinwand, gesponnene Wolle und Garn angenommen und selbst unentgeltliche Verarbeitung dieser rohen Stoffe als Opfer angesehen werden. Solche Gaben, Geschenke und Leistungen geben fortan das Recht, sich „Teilgenossen des Frauenvereins zum Wohle des Vaterlandes“ zu nennen.
Alles, was auf diese Art gesammelt wird, gehört dem Vaterlande. Diese Opfer dienen dazu, die Verteidiger, die es bedürfen, zu bewaffnen, zu bekleiden, auszurüsten, und wenn die reiche Wohltätigkeit der Frauen uns in den Stand gesetzt, noch mehr zu tun dann sollen die Verwundeten gepflegt, geheilt und dem dankbaren Vaterlande wiedergegeben werden, damit auch von unserer Seite erfüllet werde das Große, das Schöne, damit das Vaterland, das in Gefahr ist, auch durch unsere Hilfe gerettet werde, sich neu gestalte und durch Gottes Kraft aufblühe.
Marianne, Prinzessin von Preußen.
Wilhelmine, Prinzessin
von Oranien.
Auguste, Kronprinzessin von
Hessen.
Wilhelmine, verwitwete Prinzessin von
Oranien.
Prinzessin Ferdinand von Preußen.
Luise,
Prinzessin von Preußen-Radziwill.
Caroline, Prinzessin von
Hessen.
Marie, Prinzessin von Hessen.
Berlin, den 23. März 1813.
Quelle: Aufruf der Königlichen Prinzessinnen an die Frauen im Preußischen Staate (1813), in Otto Karstädt, Heldenmädchen und Frauen aus großer Zeit (1813), Bd. 15, Als Deutschland erwachte. Hamburg: Schloeßmann, 1913, S. 28f; abgedruckt in Bärbel Kuhn und Astrid Windus, Hrsg., Geschlechter-Konstruktionen. Gender im Geschichtsunterricht. St. Ingbert, 2017, S. 62.
Weiterführende Inhalte
Ute Planert, Hrsg., Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne. Frankfurt am Main und New York: Campus, 2000.
Hans Peter Herrmann, Hans-Martin Blitz und Susanna Moßmann, Hrsg., Machtphantasie Deutschland. Nationalismus, Männlichkeit und Fremdenhaß im Vaterlandsdiskurs deutscher Schriftsteller des 18. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996, S. 123–59.
Karen Hagemann, Revisiting Prussia’s Wars Against Napoleon. History, Culture, Memory. Cambridge: Cambridge University Press, 2015.