Kaiser und Kurfürsten: Kaiser und Reich auf einem Kupferstich, Teutschlands fröhliches zuruffen (1663/64)
Kurzbeschreibung
Auf dem Kupferstich von Abraham Aubry ist Kaiser Leopold I. (1640– 1705) inmitten seiner Kurfürsten abgebildet. Damit wurde nicht nur der Kaiser als Verkörperung des Reichs, sondern auch dessen verfassungsmäßige Struktur bildlich dargestellt. Die Ikonografie spiegelt die begleitenden Verse, die den Kaiser als „LEOPOLD der Teutschen Haubt und Käiser“ feiern, während gleichzeitig „der Fürsten Schaar / die unser Teutsches Reich / Erhalten im Bestand / den Marmorsäulen gleich“ anerkannt wird.
Dies war bis ins 17. Jahrhundert hinein eine gängige Darstellung, um die Gesamtheit des Reiches als Personenverband und als handlungsfähige Einheit darzustellen. In diesem Fall bestand der Handlungsbedarf darin, das Heilige Römische Reich gegen das Ottomanische Reich zu verteidigen. Leopold I. regierte das Reich von 1658–1705, ein Zeitraum, der durch zahlreiche Konflikte mit dem Ottomanischen Reich geprägt war. So ist der Krieg auch bildlich auf diesem Kupferstich enthalten, nämlich in den Bildern-im-Bild, die hinter den Kurfürsten zu sehen sind. Die Begleitverse, die unten transkribiert sind, beschreiben den Konflikt als ein Kampf zwischen Christentum und (muslimischer) Tyrannei, zwichen dem deutschen Vaterland und einem türkischen Feind, einer „grimme[n] Löwen Brut“, welche die „Gräntzen unsers Reichs / mit ungestümmer Wut /Berennet und bestürmt”.
Quelle
Teutschlandes fröliches Zuruffen /
Wilkommen frohes Liecht! du langerwünschte Zeit!
Zufinden bey Paulus Fürsten / Kunsthändl. in Nürnberg.
Zu glükseliger Fortsetzung / der mit Gott / in Regenspurg angestellten allgemeinen Versamlung deß H. Röm. Reichs obersten Häubtes und Glieder.
Spricht unser Vatterland / das sich / in Hoffnung / weidt /
In dem es ietzund siht / die Götter Teutscher Erden /
Wie Sie / in grosser Zahl / nunmehr versamlet werden.
Jetzt / bey so grosser Noth / darein uns GOtt gesetzt /
Der / wegen unsrer Sünd / hat / wider uns verhetzt
Das Muhammædisch Heer / die uns so grimmig dringen /
Und Christus freyes Volk / zur Knechtschafft / wollen bringen.
Ach GOtt! wie haben sie / die grimme Löwen Brut /
Die Gräntzen unsers Reichs / mit ungestümmer Wut /
Berennet und bestürmt / wie haben sie uns Teutschen
Mit Drohen zugesetzt / daß sie / mit scharffen Peitschen /
Uns wollen züchtigen / und / daß durch ihre Hand /
Zerstöret werden sol / das Teutsche liebe Land /
Dem / ohne das / noch nicht die alte Krieges Wunden
Sind völlig zugeheilt / die wir so hart empfunden /
Daß auch noch immerzu der Schmertz in Beinen sticht /
Und mancher unerquickt / von Noth und Elend / spricht.
Drum / weil der Götter Haus sich nun zusammen zihet /
Und / über gutem Rath / zu unsrer Wolfahrt mühet /
Damit der Feinde Trotz / der Türken stolzer Pracht
Werd endlich Kräfteloß / zu Spott und Hohn gemacht.
Wir aber / die wir auch den Krieges Namen hassen /
Nach dem wir / dreissig Jahr / im Krieges Feuer sassen /
Und fühlten seine Glut / die unsre Haut versehrt /
Und alle Krafft und Macht schier völlig abgezehrt /
Doch aber dem nicht gleich / daß uns jezt wieder quälet /
Und / wann es GOtt verhängt / wohl etwan gar entseelet;
Ins künfftig wiederum / in Friedenstand gesetzt /
Bald wurden / nach der Last / durch solche Rast ergezt /
Die / nicht mit falscher List / gewohnet ist zu schertzen /
Auch nicht die Glut verbirgt / in vorentzündten Hertzen /
Und daß auch / was bißher wird überal beklagt /
Da man / von Dürfftigkeit / und lautern Mängeln sagt /
Der Segen wiederum / durch Himmlisches Gedeyen /
Aus Gottes milder Hand / uns endlich mög erfreuen /
Auch iederman zu Hauß / und / wo sein Pflugrad geht /
Bey seinem Feigenbaum / und / da sein Weinstok steht /
Bei seinem Weib und Kind / in unzerstörten Freuden /
In stäter Lieb / ohn Leid / sich möge sicher weiden.
Als freuet sich daher / wer Teutsch gesinnet ist /
Und / wo die Tapfferkeit / mit Redlichkeit / gerüst /
Da streut man überall den Weg von Oelbaums Reiser /
Wo unser LEOPOLD der Teutschen Haubt und Käiser /
Zusamt der Fürsten Schaar / die unser Teutsches Reich
Erhalten im Bestand / den Marmorsäulen gleich /
Die ohne Wancken / stehn; Sich nunmehr auf der Strassen /
Zur ädlen Ister Stadt / Heerweise sehen lassen /
Es ruffet iederman Sein Hosianne zu /
HErr! Hilff! HErr! Schaffe Fried / und wohlvergnügte Ruh /
In deiner Christenheit; HErr! laß es wol gelingen /
Was deine Fürsten ietzt / gedenken zu volbringen /
Zu deines Namens Ruhm / und unsrer Sicherheit /
O HErr! richt ihren Weg / zum Fried und Einigkeit.
Wohlan der grosse Gott / der alles hat in Händen /
Der Frieden geben kan / und Krieg vermag zu senden /
Erhöre dich / du Volk! du Volk! das höchst betrübt /
Dieweil der Christen-Feind so grosse Boßheit übt /
Der HErr gewähre dich / und lasse dein Verlangen/
Dein Hofnung / und was dir die Sinnen halt umfangen /
Erfreulich seyn vergnügt / Er gebe Rath und That /
Wie Seine Christenheit die lang genug schier hat
Getragen ihre Schuld / nun wieder sey zu heilen /
Von ihrer Plag und Schmach / von Schlägen / Striemen /
Beulen /
Und aller andern Last. Er aller Götter GOtt /
Der Erden König Fürst / der Herrscher Zebaoth /
Woll aller Tyrannei der Christen Feinde wehren /
Und seine Krieges-Macht zerstören und verheeren /
Er setze sich zu Rath / wo man / nach Frieden / fragt /
Er zeige Mittel an / wordurch der Feind verjagt /
Und abgetrieben werd / auf daß er müsse flihen /
Und wieder in das Land / durch siben Wege / zihen /
Daher er kommen ist; nicht in das heilge Land /
Daß ihm nicht zugehört; zum Höllen Ufer Strand /
Allwo dem Muhammæd Sein Himmel aufgeschlagen /
Der / von den Teuffeln / ward / in Plutos Schoß / getragen.
Ihr Christen Fürsten! Ihr / wohlauf / ermuntert euch /
Geht / geht / mit Gott / zu Rath / zu schüzen Euer Reich /
Gott gebe Glük und Heil! Er selbest wird regieren /
das Werk / und alles wohl / zu gutem Ende / führen.
Quelle: Kupferstich von Abraham Aubry, Nürnberg 1663/64, in Wolfgang Harms, Hrsg, Deutsche Illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, Bd. 2. München, 1980, S. 379. Original: Herzog August Bibliothek (HAB) Wolfenbüttel.
© Herzog August Bibliothek (HAB) Wolfenbüttel. Reproduktion nur mit Genehmigung der HAB.
Weiterführende Inhalte
Bettina Brandt, Germania und ihre Söhne. Repräsentation von Nation, Geschlecht und Politik in der Moderne (Historische Semantik, Bd. 10). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2010.
Peter Claus Hartmann, Kulturgeschichte des Heiligen Römischen Reiches 1648–1806. Verfassung. Religion. Kultur. Wien: Böhlau, 2011.
Helmut Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 42). 2. Auflage. München: Oldenbourg, 2003.
Barbara Stollberg-Rilinger, Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters bis 1806. 4. Auflage. München: C. H. Beck, 2009.
Joachim Whaley, Germany and the Holy Roman Empire. 2 Bd. Oxford und New York: Oxford University Press, 2012.