Die Überwindung des deutschen „Andersseins“ im Ausland: Johann Adam Schall von Bell (1672)

Kurzbeschreibung

Der deutsche Jesuit Johann Adam Schall von Bell (1592–1666) reiste als Missionar nach China und lernte die chinesische Sprache. Wie andere europäische Missionare stieß er dort auf erhebliche Hürden, weil er Ausländer war. Um sein „Anderssein“ zu kompensieren, nutzte er seine „europäischen“ astronomischen und mathematischen Kenntnisse. Am kaiserlichen Hof in Peking wurde Schall mit der Reform des alten chinesischen Kalenders betraut; außerdem war er für die mathematische Ausbildung künftiger Beamter zuständig. Diese Arbeit half Schall, in der chinesischen Hofgesellschaft Fuß zu fassen, und er nutzte diese Verbindungen, um den katholischen Glauben zu verbreiten.

Das folgende Porträt zeigt Schall in seiner Rolle als kaiserlicher Hofastronom. Er ist als Mandarin gekleidet und wird mit astronomischen Instrumenten und Attributen wissenschaftlicher Kenntnisse gezeigt. Obwohl Schall sich in erster Linie als „Europäer“ identifiziert zu haben scheint, weist ihn die Bildunterschrift als „Germanus“ aus. Das Porträt diente als Frontispiz zu Johannes Foresius, Historica Relatio De Ortu Et Progressu Fidei Orthodoxae In Regno Chinensi Per Missionarios Societatis Jesu [...] (1672).

Foresius‘ Bericht enthält unter anderem eine kurze Beschreibung von Schalls Präsentation am kaiserlichen Hof (S. 10), wo er wieder als „Germanus“ oder „Deutscher“ vorgestellt wurde. Jahrhunderte später wurde dieser Teil von Foresius‘ Text aus dem lateinischen Original ins Deutsche übersetzt und 1834 in Wien veröffentlicht. Die Beschreibung folgt hier: [ . . . ] Dieser Doctor Paulus ergriff nun die Gelegenheit, um der Mission der Jesuiten einen festen Stand zu bereiten. Als er hörte, daß die Mathematiker wegen der vorgefallenen Irrung bestraft werden sollten, so schob er mit Klugheit selbst auch die Schuld dieser Irrung mehr auf die fehlerhafte Beschaffenheit der chinesischen Rechnungsweise, als auf die chinesischen Astronomen, und versicherte, daß bloß von den Europäern, welche zugleich im göttlichen Gesetze bewandert wären, eine richtigere Berechnungsart könne angezeigt werden, welche sie dem Kaiser gerne mittheilen würden. Um seinen Reden mehr Glauben zu verschaffen, überreichte er den Obrigkeiten, auf das reinste chinesische Papier geschrieben, eine Abhandlung über die Sonnen- und Mondesfinsternisse, welche der Pater Adam Schall, ein Deutscher, aus dessen Briefen diese Erzählung ausgezogen ist, und welcher damals als ein Jüngling in der Kaiserstadt sich aufhielt, um sich in der chinesischen Literatur zu üben, in zwei Theilen verfaßt hatte. Dadurch bewirkte er, daß, nachdem auch der Kaiser seine Zustimmung ertheilt hatte, durchaus niemand der Umänderung der chinesischen Zeitbemessung sich mehr widersetzte. [ . . . ]

Quelle des Auszuges: Geschichte der chinesischen Mission unter der Leitung des Pater Johann Adam Schall, Priesters aus der Gesellschaft Jesu. Aus dem Lateinischen übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von Ig. Sch. von Mannsegg. Wien: Mechitariste-Congregations-Buchhandlung, 1834, S. 45-46. Online verfügbar unter: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10569878

Quelle

Quelle: Johannes Foresius,Historica Relatio De Ortu Et Progressu Fidei Orthodoxae In Regno Chinensi Per Missionarios Societatis Jesu Ab Anno 1581. usque ad Annum 1669. Ab Anno 1581. usque ad Annum 1669. Ratisbonae, Ratisbonae: Emmrich, Hanckwitz, 1672, Frontispiz. Online verfügbar unter: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10569652

Bayerische Staatsbibliothek (BSB)

Florence C. Hsia, Sojourners in a Strange Land: Jesuits and their Scientific Missions in Late Imperial China. Chicago: University of Chicago Press, 2009.

Die Überwindung des deutschen „Andersseins“ im Ausland: Johann Adam Schall von Bell (1672), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:image-260> [29.11.2023].