Gemüthliche Unterhaltung: Karikatur über politische Debatten während der Revolution von 1848/49 (1849)

Kurzbeschreibung

Während der Revolution von 1848/49 entstanden zahlreiche Öffentlichkeiten, etwa in politischen Vereinen, die sich an die ganze Bevölkerung richteten. Die Karikatur „Gemüthliche Unterhaltung“ von 1849 verspottete Diskussion dagegen als möglichen Verlust männlicher Kontrolle: Der Redner biegt sich über den Tisch, schwingt Faust und Zeitung dem Gegner ins Gesicht, sein Stuhl kippt, Gläser fallen um. Die einzige Figur, die aufrecht steht und ruhig auf den Text in ihrer Hand verweist, ist diejenige, die gerade nicht zu Wort kommt. Kontrollierte Männlichkeit galt als Ideal und im Zweifel als Gegensatz zu allgemeiner öffentlicher Diskussion.

Quelle

Gemüthliche Unterhaltung.

Der Umschwung, der in der politischen Gestaltung unserer Zustände seit einem Jahre Alles in Bewegung gebracht hat, macht sich auch in den bürgerlichen und geselligen Verhältnissen aller Einzelnen geltend. Gewiß hat jeder, der ein Herz für das Allgemeine hat, auch mit Vergnügen bemerkt, wie die Trennung, welche sonst durch Standes- und Berufsunterschiede veranlaßt war, in bedeutendem Maße geschwunden ist; – namentlich hat das kameradschaftliche Verhältniß in den Bürgerwehren viel dazu mitgewirkt; – daneben tritt aber auch wieder eine Schattenseite hervor. – Mehr und mehr ist selbst unter näher Bekannten und Befreundeten ein heftiger Ton in dem Austausch der Ansichten hervorgetreten, allerdings – um so heftiger in der Regel, je schwächer die Gründe sind, die der Sprecher für sich und seine Meinung vorzubringen weiß; – da giebt es ein wahres Donnergepolter von Schlagwörtern, ein Schreien, ein Aufspringen, und fragt man nach, was es giebt? – Nichts! – einen Zeitungsartikel! – Fragt man, habt ihr euch gezankt, so kommt die Antwort: – „Ach nein! es ist ja eine ganz gemüthliche Unterhaltung.“ Eine solche Scene sehen wir hier in unserm 9. Zeitbilde ganz aus dem Leben, oder nach dem Leben. – – Das muß nun auch durchgemacht werden. Die Zeit wird wohl auch hier eine gute Frucht zu erziehen wissen. Schon jetzt ist man mehr und mehr geneigt, demjenigen Recht zu geben, welcher seine Ansicht mit Ruhe vertheidigt, – schon hört man auf, sich über die Schreier zu amüsiren, – nicht lange mehr, so wird Ruhe und Männlichkeit auch in unseren weiteren Kreisen, selbst in den Wirthstuben und Wachstuben, wieder heimisch werden und das Toben, als ein Zeichen der Unreife, belächelt, bespöttelt und endlich nicht weiter beachtet werden.

Quelle: Gemeindeblatt und Volksorgan für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach. 1849. No. 9.

Quelle: „Gemüthliche Unterhaltung“, Karikatur eines unbekannten Künstlers, 1849. Gemeindeblatt und Volksorgan für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, 1849, No. 9; abgedruckt in Werner Greiling, „Revolution und Öffentlichkeit“, in Klaus Ries, Hrsg., Revolution an der Grenze. 1848/49 als nationales und regionales Ereignis. St. Ingbert: Röhrig Verlag, 1999, S. 62.

Gemüthliche Unterhaltung: Karikatur über politische Debatten während der Revolution von 1848/49 (1849), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:image-282> [23.10.2024].