Franz Daniel Pastorius, Beschreibung der Provinz Pennsylvania (1700)
Kurzbeschreibung
Die deutsche Auswanderung an die Ostküste Nordamerikas begann – wie bei den englischen Puritanern – am Ende des 17. Jahrhunderts als religiöse Separation von der Alten Welt. Dieser zahlenmäßig kleine Kern ist zur „deutsch-amerikanischen“ Gründungsgeschichte geworden. Nachfolgende Migrant/innen waren überwiegend Arme, die ihre Überfahrt nicht selbst bezahlen konnten und sieben Jahre in Schuldknechtschaft arbeiten mussten; nach 1815 kamen bäuerliche und dorfhandwerkliche Familien aus Südwestdeutschland und aus der Pfalz [Palatinate] und siedelten ländlich; seit den 1840er Jahren wanderten zunehmend Männer und Frauen städtischer Unterschichten zu und lebten als Arbeiter/innen in Städten, aber auch landwirtschaftliche Familien, die in neuerschlossenen westlichen Gebieten, besonders in Wisconsin und Minnesota siedelten. Mennonitische und Amische wanderten von Pennsylvania nach Ontario und von dort später nach Manitoba.
Seit der Landung der „Mayflower“ 1620 erlangten die britischen Gebiete in Nordamerika den Ruf, neue Heimstätte verfolgter religiöser Minderheiten werden zu können. Neben den „Charter-Kolonien“ wie Virginia, die auf königliche Freibriefe („charters“) zurückgingen, und feudal geprägten Kolonien wie New York gingen andere Gründungen auf religiöse und ideelle Motive zurück. Das bekannteste (und mit Abstand erfolgreichste) Projekt ist Pennsylvania. Dieses Gebiet übereignete König Charles II. (reg. 1660-1685) im Jahre 1681 dem aus London stammenden Kaufmann William Penn. Penn, welcher der radikal antiautoritären Sekte der Quäker angehörte, wollte möglichst viele seiner verfolgten und drangsalierten Glaubensbrüder über den Atlantik führen, um dort eine auf den Prinzipien der Gleichheit, Gewaltlosigkeit und Toleranz gegründete Utopie zu verwirklichen.
Auf Penns Einladung hin gelangten 1683 die ersten Deutschen nach Nordamerika. Sie wurden von Franz Daniel Pastorius (1651-1719) angeführt. Dessen Vater, ein fränkischer Bürgermeister und lutherischer Konvertit, hatte für ihn eigentlich die Laufbahn eines Juristen vorgesehen, doch konnte sich der Sohn selbst nach dem Doktortitel in weltlichem und kirchlichem Recht nicht für die juristische Alltagspraxis erwärmen. Stattdessen zog Franz Daniel Pastorius 1679 von der fränkischen Provinz in die Freie Reichsstadt Frankfurt um, fand Anschluss an einen pietistischen Zirkel und erweiterte seinen Horizont als Begleiter eines jungen Adligen, der auf einer Kavalierstour zwei Jahre lang Westeuropa bereiste. Als 1682 aus dem pietistischen Zirkel in Frankfurt heraus eine „Teutsche Landcompagnie“ gegründet wurde, erklärte sich Pastorius bereit, in deren Auftrag in Pennsylvania Land zu erwerben. Im Folgejahr empfing Pastorius jedoch nicht die erwarteten Frankfurter in Nordamerika, sondern Quäker und Mennoniten aus Krefeld, insgesamt 13 Familien. Mit diesen Familien gründete Pastorius noch 1683 Germantown, die erste deutsche Ansiedlung in Nordamerika. Zeitlebens blieb er mit der Siedlung eng verbunden, unter anderem als Stadtschreiber, Schullehrer und Bürgermeister. In einigen Publikationen versuchte er, weitere Auswanderungswillige zu einer Übersiedlung nach Pennsylvania zu bewegen. Die einflussreichste davon ist die 1700 in Frankfurt am Main und Leipzig erschienene „Ausführliche geographische Beschreibung der zuletzt entdeckten Provinz Pennsylvania“. Darin beschreibt er William Penn als Pionier und fügt Pennsylvania in die Heilsgeschichte sowie in die allgemeine Entdeckung und Erschließung des amerikanischen Doppelkontinents ein. Der selbstredend betont vorteilhaften Beschreibung des Landes und seiner Bewohner folgt eine knappe Schilderung der eigenen Überfahrt. Die vielfältigen Probleme bei der Rodung und Erschließung des Siedlungsgebiets hingegen, die bittere Armut und den Mangel an Lebensmitteln verzeichnete er in seinem persönlichen Notizheft, dem „Grund- und Lagerbuch“ („Common Place Book“).
In der Geschichtsschreibung der deutschen Community und auch in der älteren deutschen Forschung, die dem Paradigma des „Auslandsdeutschtums“ folgt, wurde Pastorius geradezu mythisch überhöht, nämlich als Begründer des „Deutschtums“ in Nordamerika. Deutlichster Ausdruck hiervon ist das Pastorius-Denkmal von Albert Jaegers (1920) in Philadelphia – 1854 wurde Germantown nach Philadelphia eingemeindet. Lebensgroß ist Pastorius idealisiert als junger Mann mit einer Begleiterin dargestellt. Das Siedlerpaar bricht der thronenden „Zivilisation“ Bahn, die das Licht des Fortschritts in Händen hält.
Quelle
Das IX. Kapitel
Von der Fruchtbarkeit dieses Landes.
Obwohl dieses Land sich auf der gleichen geographischen Breite wie Montpellier und Neapel befindet, aber weit mehr Flüsse und Brunnen aufweist, ist es leicht zu erkennen, dass viele edle Früchte dort angebaut werden können. Die Luft ist hell und lieblich, der Sommer länger und wärmer als in Deutschland, und man erntet an diesen Orten genügend Früchte, sodass unsere Mühe in der Landwirtschaft redlich belohnt wird.
Wir haben auch schon einiges an Vieh, doch läuft es noch auf dem Feld umher, bis wir dies bald besser regeln können.
Zucker und Sirup bekommen wir aus Barbados, und wer kein Geld hat, der tauscht seine Waren […].
Die Wilden tauschen mit den Christen Fische, Vögel, Hirschhäute und allerlei Felle von Bibern, Ottern, Füchsen usw. Manchmal tauschen sie das gegen Getränke ein, manchmal gegen ihr gewohntes Geld, das aus aufgefädelten Korallen besteht, die aus Meermuscheln geschliffen sind, die teils weiß, teils bräunlich sind.
Solches Korallengeld wissen sie kunstvoll ineinanderzuflechten und tragen es so wie wir die goldenen Ketten. Ihr König trägt eine Krone oder Haube, die daraus gefertigt ist.
Zwölf Braune sind soviel Wert wie 14 Weiße, also soviel wie ein Frankfurter Albus [=kleine Silbermünze im Wert von 12 Hellern]. Sie nehmen ihr eigenes Geld lieber als Silbermünzen, weil sie manchmal damit betrogen werden. […]
Das X. Kapitel
Vom Wachstum dieser Landschaft
Obwohl diese entlegene Gegend bloß aus Wildnis bestand und erst seit kurzem zur Bewohnung durch Christenmenschen erschlossen wird, so muss man sich sehr darüber wundern, wie schnell es unter Gottes Segen besser wird und es von Tag zu Tag augenscheinlich besser wird. Denn obwohl wir anfänglich unsere Nahrungsmittel teuer gegen Bargeld aus Jersey kommen lassen mussten, können wir jetzt gottlob anderen Nachbarn damit dienen.
Wir verfügen über die nötigen Handwerker und Tagelöhner und haben genügend Mühlen und Ziegelöfen.
Für unseren Überschuss an Getreide und Vieh erhalten wir in Barbados Branntwein, Sirup, Zucker und Salz; das seltene Pelzwerk schicken wir nach England.
Ansonsten wollen wir hier den Weinanbau und die Tuchweberei voranbringen um das Geld im Lande zu halten. Deshalb halten wir auch schon Jahrmärkte ab, und das nicht wegen dem leidigen Wucher und Gewinn, sondern um uns gegenseitig das zu verkaufen, was der andere übrig hat, damit wir nicht zu den benachbarten Inseln fahren müssen und dort unser Geld lassen.
Quelle: Franz Daniel Pastorius, Umständige Geographische Beschreibung Der zu allerletzt erfundenen Provintz Pensylvaniae, In denen End-Gräntzen Americae In der West-Welt gelegen […]. Frankfurt am Main/Leipzig 1700, S. 24-27 [sprachlich modernisiert].
Weitere Quelle
Weiterführende Inhalte
Armin M. Brandt, Bau deinen Altar auf fremder Erde. Die Deutschen in Amerika – 300 Jahre Germantown. Stuttgart, 1983.
Peter Nitschke, Pastorius, Franz Daniel, in Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 6 (1993), Sp. 1594-1597 [mit ausführlichen Literatur- und Quellenangaben].
Penny B. Bach, Public Art in Philadelphia. Philadelphia, 1992, S. 215.