Friedrich Gedike, Bericht an Friedrich Wilhelm II. (1789)

Kurzbeschreibung

Als Theologe und Bildungsreformer war Friedrich Gedike (1754–1803) Mitglied des Preußischen Oberschulkollegiums und Herausgeber der Berlinischen Monatsschrift, dem wichtigsten Sprachrohr der Aufklärung in Berlin. 1789 bat der Preußische Minister für Religion und Bildung Johann Christoph von Wöllner (1732–1800) Gedike, einen vergleichenden Bericht über ausgewählte nicht-preußische Universitäten zu verfassen. Dahinter stand die Idee, Informationen und Ideen zu sammeln und damit den Grundstein für die geplanten preußischen Universitätsreformen zu legen. Dieser Textausschnitt fasst seine Beobachtungen zu den Universitäten Helmstedt, Göttingen und Jena zusammen.

Quelle

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Helmstädt.

Ich hielt mich auf dieser Universität zwei Tage (den 18 und 19ten Junius)[1]) auf, wehrend welcher Zeit ich Gelegenheit hatte, fast alle Professoren kennen zu lernen, auch die meisten lesen zu hören.

Die theologische Fakultät besteht gegenwärtig aus 4 Pro­fessoren: der älteste derselben, der Abt Carpzov,[2]) ist schon zu alt und schwach, um für die Universität noch beträchtlichen Nutzen zu stiften. Indessen liest er, obwol er schon über 70 Jahre alt ist, doch noch immer einige Collegia.

Desto nützlicher ist der Abt Henke,[3]) ein gelehrter und ungemein thätiger Mann, der in großer Achtung steht und unter den theologischen Professoren bei weitem den größten Beifall hat. Ich hospitirte bei ihm in der Kirchengeschichte, die nach Maßgabe der dort nur geringen Zahl der Studierenden ziemlich zahlreich besetzt war, und auch von mehreren juristischen Studenten gehört wird. Sein Vortrag ist fließend, gründlich und deutlich, nur schien er mir doch nicht anzihend und lebhaft genug und überhaupt etwas zu einförmig, auch, wie es mir vorkam, hie und da etwas zu weitläufig. Er wird indessen sehr gern gehört. Er ist erst einige 30 Jahr alt. Unter seinen theologischen Schriften hat ihm besonders seine Kirchengeschichte[4]) Ehre gemacht. Der dritte Professor Theol., Abt und Generalsuperintendent Sextroh,[5]) ist erst kürzlich aus Göttingen hierher berufen. Sein Vortrag ist ebenfalls ziemlich fließend und deutlich, jedoch nicht sehr lebhaft. Er scheint nicht recht zufrieden in Helmstädt zu leben. Wenigstens setzte er in einer mündlichen Unterredung die hiesige Universität gegen Göttingen sehr herunter, und schien es fast zu bedauern, daß er Göttingen verlassen, wo er jedoch nur Prof. extraord. und Prediger war. Hier hingegen soll er sehr gut situirt sein, in dem er, wie mir der Abt Henke versicherte, von seinen drei Posten als Professor, Generalsuperintendent und Abt, eine jährliche feste Einnahme von fast 1200 Thalern haben soll, ohne was er von Honorariis für seine Kollegien einnimmt. Da er nicht nur in Göttingen Prediger war, sondern es auch wieder in Helmstädt ist, so ist er vorzüglich im Stande, sich um die praktische Bildung der künftigen Prediger verdient zu machen. Auch hörte ich nachmals in Göttingen, daß man von dieser Seite ihn dort ungern vermißte. Zu der Industrie-Schule in Göttingen hat er den ersten Grund gelegt, und den Plan ge­macht, wiewol um die eigentliche Ausführung der dortige Pastor Wagemann bei weitem das größte Verdienst hat, obwol der Abt Sextroh sich selbst fast einzig und allein alles Verdienst um diese nützliche Stiftung zuschrieb, wie er denn überhaupt von sich selbst eine hohe Meinung zu haben scheint. Als theologischer Schriftsteller ist er noch nicht sehr bekannt. Die Pastoraltheologie und andere zur praktischen Bildung eines künftigen Predigers abzwekkende Kollegia sind sein Hauptfach.

Der vierte theologische Professor Pott[6]) ist ebenfalls erst kürzlich aus Göttingen hierher gekommen, woselbst er Privatdocent oder Repetent war. Er ist noch ein junger Mann, und docirt mit vieler Munterkeit und Lebhaftigkeit, daher er sehr gern gehört wird. Sein Vortrag hat recht viel angenehmes, nur hie und da noch etwas jugendliches.

Auch die juristische Fakultät hat itzt vier Professores ordinarios. Den ersten Professor, Hofrath Frick,[7]) konnte ich, da er sehr krank lag, nicht kennen lernen. Doch hörte ich, daß er nur mittelmäßigen Beifall haben soll.

Den bei weitem größten Beifall hat der Hofrath Oelze,[8]) der, obwol nur der 2te Professor in der Ordnung, dennoch Ordinarius oder Direktor der Juristen Fakultät ist, und in dieser Qualität die praktischen Arbeiten der Fakultät, insofern sie als Spruchkollegium zu betrachten, dirigirt. Er wird auch wegen seiner praktischen Arbeiten sehr gerühmt. Der dritte Professor Haeberlin[9]) liest vornehmlich das Jus publicum und die Reichs­historie. Er las aber gerade in diesen beiden Tagen nicht, so daß ich nicht Gelegenheit hatte, ihn zu hören. Doch soll er überhaupt nur mittelmäßigen Beifall haben. Den vierten Pro­fessor juris Namens Günther[10]) hörte ich über die Pandekten lesen. Die Zahl der Zuhörer war freilich nur klein. Indessen hatte ich viel Ursache mit seinem Vortrage zufrieden zu sein. Er ist deut­lich, gründlich, und nicht ohne Leben. Er ist übrigens noch ein junger Mann, der auch erst kürzlich Prof. Ordinarius geworden. Aber er wird wegen seines gebildeten Geschmacks und wegen seiner humanistischen Kenntnisse, die er mit der Jurisprudenz verbindet, geschätzt.

Die beiden außerordentlichen juristischen Professoren: Eisenhart[11]) und Haselberg[12]) konnt ich nicht hören, weil die von ihnen angekündigten Kollegia nicht zu Stande gekommen waren, welches mir freilich keine große Idee von ihrem Vortrage machte. Da indessen fast alle studiosi bei dem Hofrath Oelze hören, so können freilich bei der kleinen Anzahl von Studenten diese jungen juristischen Professoren keinen großen Beifall er­warten. Der Prof. Haselberg ist erst kürzlich von Göttingen, wo er als Doctor Iegens lebte, hierher berufen worden, und wird von mehreren seiner Kollegen als ein geschikter junger Mann gerühmt.

In der medicinischen Fakultät sind drei Professoren, unter denen nur der einzige Hofrath Beireis[13]) mit Beifall liest. Einen fleißigern Professor giebt es schwerlich auf irgend einer Univer­sität. Er liest gewöhnlich 10 bis 12 Kollegia täglich und hat dabei doch noch eine starke Praxis. Er liest nicht nur alle medicinische Kollegia, sondern, da er auch Mitglied der philo­sophischen Fakultät ist, liest er auch mehrere philosophische, be­sonders aber auch kameralistische Kollegia. Er wird sehr gern gehört, und wirklich ist sein Vortrag sehr deutlich und angenehm, nur mit gar zu vielem Selbstlob und Verachtung anderer Gelehrten untermischt. Ueberhaupt ist es zu bedauern, daß dieser Mann, der würklich sehr ausgebreitete Kenntnisse besitzt und wegen seiner reelen Verdienste von jedem, der ihn kennt, sehr hoch geachtet wird, dennoch durch Eitelkeit hingerissen oft gewißer­maßen den Charlatan spielt und sich in und außer seinen Vor­lesungen Großsprechereien erlaubt, die kaum einem jungen Mann, geschweige denn einem Mann von seinem Alter (er ist bereits 60 Jahre alt) zu verzeihen sind. Seine Sammlungen von Natura­lien, Kunstsachen, Präparaten, Münzen u.s.w. sind äußerst be­trächtlich, und voll der Seltenheiten aller Art.

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Andere Privatdocenten giebt es gegenwärtig in Helmstädt nicht. Bei der kleinen Zahl der Studenten können sie auch nicht recht substitiren.

Die Zahl der Studenten in Helmstädt beläuft sich ohngefähr auf 150, höchstens 160, worunter etwa 12 Mediciner sind. Die Theologen und Juristen sind ohngefähr in gleicher Anzahl.

Alle Braunschweigische Landeskinder müssen zwei Jahr hier studiren, und wenn sie nachmals noch eine fremde Univer­sität besuchen wollen, müssen sie dazu Erlaubnis suchen.

Es sind hier für die Studiosi beträchtliche Beneficia. Der größte Theil genießt den öffentlichen Freitisch. Durch Entziehung desselben auf immer oder auf einige Zeit werden manche Excesse bestraft, und die Furcht dieser Strafe hindert manche Unordnungen.

Der Ton unter den Studenten ist ziemlich gesittet. Dazu trägt, wie mir mehrere Professoren sagten, die seit einigen Jahren eingeführte halbjährige Censur-Conferenz sehr viel bei. Es werden nehmlich in Gegenwart aller Professoren die Namen aller Studenten verlesen, und die Urtheile und Erinnerungen jedes Professors über einen oder den andern niedergeschrieben. Die einer Erinnerung bedürftigen Studenten werden dann nochmals vor ein sogenanntes Privat-Consistorium, das aus dem Prorektor und Dekanen besteht, gefordert, wo ihnen über die in ihrem sittlichen Betragen und Fleiß bemerkten Mängel die nöthigen Erinnerungen und Warnungen ertheilt werden.

Die Studenten-Orden blüthen hier noch vor kurzem sehr. Es fand sogar eine Verbindung zwischen den hiesigen und Göttingischen Ordensbrüdern Statt, und zwischen beiden Uni­versitäten wurden zum öftern förmliche Rendezvous bestimmt. Die Professoren glauben, daß diese Ordenssucht itzt ziemlich unterdrückt sei, und wollen dis vornehml. dadurch bewirkt haben, daß sie diese Verbindungen auf alle mögl. Art lächerlich zu machen suchten.

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Göttingen.

Diese mit königlicher Freigebikeit gestiftete und mit eben dieser Freigebikeit fortgesetzt unterhaltene Universität ist mehr als irgend eine andere in Deutschland bekannt. Auch ist ihre Einrichtung und Verfassung in mehreren Büchern ausführlich beschrieben, besonders in Pütters akademischer Gelehrtenge­schichte von Göttingen.[14])

Nirgends fand ich bei den Professoren soviel Vorliebe für ihre Universität als hier. Sie scheinen es als eine ausgemachte Sache vorauszusetzen, daß ihre Universität die erste und vor­züglichste unter allen in Deutschland sei, und sprechen daher häufig mit einer Art Geringschätzung oder Bedauern von andern Universitäten. Alle sind gleichsam trunken von dem stolzen Gefühl ihrer theils wirklichen, theils nur vorgeblichen oder ein­gebildeten Vorzüge. Mehrere Professoren versicherten mich sehr zuversichtlich, daß die berühmtesten Gelehrten, wenn sie Göttingen mit einem andern Aufenthalt verwechselten, einen sehr beträchtlichen Theil nicht nur von ihrer Celebrität, sondern selbst von ihrer Brauchbarkeit verlören (wie dis z. B. von den itzt in Marburg angestellten ehemaligen Göttingischen Professoren von Selchow und Baldinger[15]) der Fall sei), dagegen der unberühmte Gelehrte, wenn er in Göttingen Professor werde, bloß dadurch einen großen Namen und Werth erlange, indem aus der Glorie, mit der sie sich stets die Universität selbst umgeben denken, einige Stralen auf das Haupt jedes einzelnen zurückfallen. Man kann sich freilich öfters kaum des Lächelns enthalten, wenn man manche Göttingische Gelehrte aus einem solchen enthusiastischen Ton sprechen hört, als sei außer den Ringmauern von Göttingen kein Licht und keine Gelehrsamkeit zu finden. Indessen hat dieser Universitätsstolz hier seine sehr guten Wirkungen. Er bewirkt einen gewissen Esprit de corps, den ich nirgends in dem Maße und in der Art fand. Jeder Professor sieht nicht nur die Ehre der Universität als seine eigne, sondern auch umgekehrt seine eigne und seiner Kollegen Ehre als die Ehre der Univer­sität an. Daher findet man hier jene Ausbrüche der Kabale, des Neides, der Verkleinerungs- oder Verleumdungssucht, die so oft auf andern Universitäten soviel Verdruß und Erbitterung machen, ungleich seltener, wenigstens fallen sie weniger ins Auge. Man spricht hier mit mehrer Schonung von den Schwächen seiner Kollegen, als auf andern Universitäten üblich. Man ist hier mehr als anderswo geneigt zu loben und zu entschuldigen, was sich nur irgend loben oder entschuldigen läßt. Brotneid fehlt zwar auch hier nicht, aber er äußert sich hier nicht leicht auf eine so plumpe, niedrige, verächtliche Art wie auf vielen andren Universitäten. Eben darum hält es hier auch schwerer als anderswo, über alles, was man zu wissen wünscht, von den Professoren selbst ganz zuverlässige Auskunft zu bekommen. Alle sind sehr beredt über die Vorzüge ihrer Universität, aber auch in gleichem Maaß stumm und geheimnisvoll über die Mängel derselben. — Es wäre, dünkt mich in der That, zu wünschen, daß dieser Esprit de corps, der die Göttingischen Professoren beseelt, und ihnen die Ehre der Universität zum Brennpunkt aller ihrer Wünsche und Bestrebungen macht, auch auf unsern Preußischen Universitäten herrschend sein mögte. Eben dieser Esprit de corps bewog mich auch über manche Umstände und Verhältnisse lieber bei verständigen und gut unterrichteten Studenten Nachricht einzuziehen, als bei den Pro­fessoren, weil ich befürchten mußte, daß letztere aus zu ängst­licher Zärtlichkeit für die Ehre der Universität mir keine voll­ständige Auskunft geben würden.

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Jena.

Es ist ein großer auffallender Kontrast, wenn man von Erfurt nach Jena kommt. Dort findet man eine veraltete, gleich­sam schon im Todesschlummer liegende Universität, hier eine andere voll Leben und frischer Jugendkraft. In der That gehört Jena itzt zu denen Universitäten, die die meiste Aufmerksamkeit und Achtung verdienen. Ich hielt mich daher auch länger als auf den meisten andern Universitäten hier auf, indem ich 3 Tage hier blieb.[16])

Die Frequenz, die Jena ehedem hatte, da man die Studenten hier nach tausenden zählte, hat diese Universität itzt freilich nicht. Aber doch ist die Frequenz ansehnlich, und sie ist seit ohngefähr 10 Jahren beträchtlich gestiegen. Jena hat itzt ohngefähr ebensoviele Studenten als Göttingen, nehmlich zwischen 8 und neunhundert. Aber freilich hat Jena nicht so viele reiche und vornehme studiosos als Göttingen. Man lebt in Jena sehr wohlfeil, wie auch aus den beigelegten gedruckten Oekono­mischen Nachrichten etc. erhellt. Diese Wolfeilheit lockt viele zum Studieren. Es sind unter den Jenaischen Studenten viele Söhne von Bauern, die ihren Vätern oft nur 30 Thlr. oder weniger kosten, wenn sie den Freitisch im öffentlichen Convictorium haben. Hier werden täglich 137 Studenten Mittags und Abends gespeist, theils ganz umsonst, theils gegen einen Zuschuß von 6 Groschen wöchentlich.

Die Jenaischen Studenten waren sonst wegen ihrer Rohheit und Wildheit berüchtigt. Itzt hat sich der Ton außerordentlich verbessert. Indessen sind doch noch manche Spuren der alten Rohheit übrig. Dahin gehört z. B. die auf keiner andern Uni­versität gebräuchliche Bezeugung des Beifalls durch lautes Trommeln. Wenn hier ein beliebter Professor ins Auditorium trit, so trommeln alle Studenten mit den Füßen, und mit dieser für einen Fremden so auffallenden Musik wird der Professor, den man ehren will, auf den Katheder begleitet. Ich lernte diese Bezeugung des Beifalls zuerst in einem Kollegium des Prof. Schiller kennen, wo wenigstens 400 Zuhörer zugegen waren, und wo daher dieser von den dortigen Studenten sehr verehrte Pro­fessor mit einem ganz unbändigen Geräusch bewillkommt wurde. — Auch im übrigen Betragen zeigen sich noch bei einem großen Theil der hiesigen Studenten einige Reliquien der alten Wildheit. Dies rührt aber großentheils von der Menge der armen Studenten her, die keiner feinern Erziehung genossen. Der größte Theil der hiesigen Studenten besteht aus Theologen, deren hier gegen 500 studieren. Mediciner sind an hundert.

Die hiesige Universität ist bekanntlich von 4 Höfen ab­hängig: dem Weimarschen, Gothaischen, Koburgischen und Meinungischen. Aber eben darum genießen die Professoren, wie sie selbst versichern, einer desto größeren Freiheit. Nicht ein­mal einen Verweis kann ein Professor von Einem der Höfe allein erhalten, sondern die 4 Höfe müssen sich hierzu vereinigen. Bei Verlangen schlägt die Universität den Höfen einige Subjekte vor, welches zuweilen zu Misbräuchen Gelegenheit gegeben haben soll.

Unter den 4 Höfen hat der Weimarsche bei weitem die größten Verdienste um die Universität. Vornehmlich hat der itzige Herzog sehr viel für die Universität gethan, theils durch Pensionen und Zulagen für mehrere Professoren, theils durch Gründung und Verbesserung mehrerer öffentlichen Institute. Der Koburgische und Meinungische Hof bekümmern sich am wenigsten um die Universität.

Bei jeder Fakultät wird nur eine bestimmte Anzahl von Professoren aus dem alten Fonds besoldet. Die darüber an­gesetzten (deren itzt viele sind) werden von einem der 4 Höfe außerordentlich salariert, sowie mehrere der Professoren der alten Fundation von den Höfen, vornehmlich dem Weimarschen, be­trächtliche Zulagen erhalten. Denn die alten Besoldungen be­tragen etwa nur für jeden 300 Thaler. — Überhaupt aber sind die Besoldungen hier nicht groß. Viele Professoren (ohngeachtet sie Hofräthe heißen) haben doch nur 400 Thaler. Die stärksten Besoldungen haben die beiden Theologen: Döderlein[17]) und Griesbach,[18]) und der Prof. Medicinae Loder[19].) Die Belohnung mit Titeln ist hier sehr gewöhnlich.

Die hiesige Bibliothek mit Inbegriff der Buderschen ist nicht unbeträchtlich. Man hat die Hoffnung, daß der Herzog von Weimar die Herzogliche Bibliothek aus Weimar hierher werde bringen lassen, wodurch die Universitätsbibliothek sehr ansehnlich werden würde.

Das öffentliche Naturalienkabinet ist beträchtlich. Die Grund­lage von des verstorbenen Prof. Walch Kabinet, welches der Herzog von Weimar für die Universität kaufte. Mit demselben ließ er das Herzogliche Kabinet in Weimar vereinigen. Ueberdis hat er dem Hofrath Loder, der Oberaufseher ist, von Zeit zu Zeit ansehnliche Summen zur Vermehrung des Kabinets be­willigt, so daß es itzt in mehreren Klassen vortreflich besetzt ist. Es sind jährlich über 200 Thaler zur Vermehrung des Kabinets ausgesetzt, wozu jedoch der Herzog öfters außerordent­liche Zuschüsse schenkt.

Das anatomische Theater hat der Herzog vor wenigen Jahren beträchtlich erweitern lassen. Es wird sehr reichlich mit Cadavern versorgt. Auch besoldet der Herzog zwei Professoren. Der Herzog besucht selbst öfters die anatomischen Vorlesungen. — Die gute Einrichtung des hiesigen anatomischen Theaters, und besonders der große Ruf des Professors der Anatomie, Hofrath Loder, zieht sehr viele medicinische Studenten hierher, deren hier weit mehr sind, als auf andern Universitäten im Verhältnis der übrigen Frequenz zu sein pflegen.

Ueberdies hat der Herzog von Weimar hier ein sehr gut eingerichtetes Entbindungsinstitut und eine damit verbundene Hebammenschule gestiftet. Die Direction haben die beiden Professoren Loder und Stark.[20]) Die Hebammen bleiben hier ein halbes Jahr und bekommen theoretischen und praktischen Unterricht. Diesen Unterricht gibt der Hofrath Loder. — Auch die studiosi Medicinae haben Zutritt ins Institut und zu den praktischen Uebungen des Accouchements. Auch das hiesige klinische Institut unter Direktion des Hofrath Stark trägt viel zum Flor der Universität mit bei, indem es viele Mediciner hierher zieht. Es hat freilich nur einen sehr kleinen Fonds. Der Herzog von Weimar gibt nur 50 Thaler dazu. Die übrigen Bedürfnisse werden von milden Beiträgen bestritten. Und doch wird wirklich nicht wenig geleistet, insofern der Hauptzweck des Instituts die praktische Bildung junger Aerzte ist. Denn es werden gewöhnlich an 300 arme Kranke jährlich durch dis Institut besorgt.

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Anmerkungen

[1] Für die 25 Meilen von Berlin bis Helmstädt brauchte O. also, da er am 16. auf­brach, zwei Reisetage.
[2] Johann Benedict Carpzov 1720–1803.
[3] H. Ph. K. Henke 1752–1809. Im Tagebuch a. a. O. 171 wird Henke als Ge­währsmann für „viele Nachrichten“ über H. erwähnt.
[4] Allgem. Geschichte der christlichen Kirche. Braunschweig 1788.
[5] Heinrich Philipp Sextroh 1746–1838.
[6] David Julius Pott 1760–1838.
[7] Albrecht Philipp Frick 1733–1798.
[8] Gottlob Eusebius Oeltze 1734–1807
[9] Karl Friedrich Häberlin 1756–1808. Seine Hauptleistungen, das Handbuch des deutschen Staatsrechts nach dem Pütterschen System und die Redaktion der 62 Hefte des Staatsarchivs, fallen erst in das folgende Jahrzehnt.
[10] Personalnotizen mir nicht erreichbar.
[11] Ernst Ludwig August Eisenhardt 1762–1808.
[12] Personalnotizen mir nicht erreichbar.
[13] Gottfried Christoph Beireis 1730–1809. Vgl. das Tagebuch a. a. O. 173–76. Goethe über ihn in den Annalen zu 1805. Jubil. Ausg. 30, 159, 163 ff.
[14] Versuch einer akademischen Gelehrtengeschichte von der Georg-Augustus-Universität zu G. 1765. 2. Teil 1788. Rechnet man zwei Reisetage für die 16 Meilen von Helm­städt nach Göttingen, so wird sich Gedike etwa vom 22. bis 25. Juni in G. aufgehalten haben.
[15] Siehe unter Marburg.
[16] Am 26. Juli kam Gedike an und blieb bis zum 29., an welchem Tage er bei Schiller hörte und ihn besuchte. Tagebuch a. a. O. 185.
[17] Johann Christof Doederlein 1746–1792, seit 1782 in Jena.
[18] Johann Jakob Griesbach 1745–1812, seit 1775 in Jena.
[19] Justus Christian Loder 1753–1832, seit 1778 in Jena, ging 1803 nach Halle
[20] Johann Christian Stark 1753–1811, seit 1779 in Jena.

Quelle: „Der Universitäts-Bereiser“ Friedrich Gedike und sein Bericht an Friedrich Wilhelm II. Mitgeteilt von Dr. Richard Fester, Universitäts-Professor in Erlangen. I. Ergänzungsheft des Archivs für Kulturgeschichte. Herausgegeben von Professor Dr. Georg Steinhausen. Berlin: Alexander Duncker Verlag, 1905, S. 6–9, 11, 13–14, 78–81. Online verfügbar bei Hathitrust, https://hdl.handle.net/2027/njp.32101067877496

Friedrich Gedike, Bericht an Friedrich Wilhelm II. (1789), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/wissen-und-bildung/ghis:document-5> [05.12.2024].